Neue Professorin erforscht soziale Interaktion
16.01.2018Dr. Grit Hein erforscht am Uniklinikum Würzburg, wie man menschliches Verhalten messbar und vorhersagbar machen kann. Die Ergebnisse sollen individuellere Therapien für psychisch Kranke ermöglichen.
Mit Wirkung zum 16. Oktober 2017 hat die Universität Würzburg Privatdozentin Dr. Grit Hein zur Universitätsprofessorin für Translationale Soziale Neurowissenschaften am Zentrum für Psychische Gesundheit ernannt. In ihrem interdisziplinären Forschungsansatz untersucht Hein die Zusammenhänge zwischen Gehirnfunktionen und dem menschlichen Sozialverhalten.
Menschliches Verhalten untersuchen, vorhersagen, verändern
Die Psychologin und Mutter zweier Söhne studierte Psychologie an der Humboldt-Universität in Berlin und am City College in New York. Sie promovierte am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Nach Forschungsaufenthalten in Cambridge, Frankfurt am Main und in Berkeley war Grit Hein als Research Fellow an der Universität Zürich und Dozentin an der Universität Bern tätig.
„Schon während meines Studiums in Berlin war ich von der Idee fasziniert, menschliches Verhalten messbar und vorhersagbar zu machen. Ich wollte verstehen, warum sich Menschen so verhalten, wie sie sich verhalten, und wie man pathologische Verhaltensmuster langfristig ändern könnte“, sagt Hein.
Für ihre Arbeiten erhielt sie Forschungsgelder und Stipendien, die es ihr schon früh ermöglichten, eigene Forschungsansätze zu entwickeln. Sie wurde durch die Emmy-Noether-Initiative gefördert, mit der die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) herausragende Nachwuchskräfte unterstützt. Sie war Stipendiatin des international kompetitiven Society-in-Science/Branco Weiss Programms der ETH Zürich zur Förderung der frühen wissenschaftlichen Unabhängigkeit besonders qualifizierter Nachwuchstalente. Außerdem wurde sie in das Heisenberg-Programm der DFG aufgenommen.
Am Würzburger Universitätsklinikum schätzt sie besonders die interdisziplinäre Offenheit und Vernetzung, die einen effizienten Austausch zwischen Grundlagenforschung und klinischer Praxis ermöglicht. Ganz im Sinne dieses Vernetzungsgedankens will Hein ihre Arbeiten zu neuronalen Grundlagen sozialer Motivation für die Diagnose und Therapie psychiatrischer Erkrankungen nutzbar machen.
Motivationale Defizite abmildern
Verhalten wird durch Motive angetrieben. Viele psychiatrische Patienten weisen Defizite dieser sogenannten „motivationalen Prozesse“ auf. Als Folge davon können sie sich zum Beispiel nur noch schwer zu bestimmten Verhaltensweisen „aufraffen“ – beispielsweise bei Depressionen – oder sie reagieren extrem, zum Beispiel mit psychotischen Zuständen.
Diese motivationalen Defizite zu untersuchen und abzumildern ist ein Schwerpunkt der Translationalen Sozialen Neurowissenschaften an der Universität. Mit klassischen Methoden der Verhaltensbeobachtung ist es sehr schwierig, die Motive zu ergründen, die ein Verhalten antreiben. Zusammen mit Kollegen an der Universität Zürich zeigte Hein, dass Verhaltensmotive durch Interaktionen zwischen Hirnregionen charakterisiert werden können. Man spricht dabei auch von neuronalen Konnektivitätsmustern. Mit Hilfe dieser Methoden, die im Science-Journal publiziert wurden, soll nun erforscht werden, wie verschiedene psychische Erkrankungen, zum Beispiel Angsterkrankungen und Depression, die neuronale motivationale Verarbeitung beeinflussen. Die Erkenntnisse sollen zur Diagnose von Subtypen psychiatrischer Erkrankungen eingesetzt werden.
Bei der Therapie von Motivationsstörungen setzt Hein auf soziale Interaktionen, die ein traditioneller Bestandteil psychiatrischer und psychologischer Therapieformen sind. „Bisher wissen wir allerdings relativ wenig darüber, wie sich bestimmte Formen der sozialen Interaktion auf die Motivation unterschiedlicher Patientengruppen auswirken. Wir untersuchen, wie soziale Interaktionen aussehen müssen, die motivationalen Defiziten entgegenwirken können“, so die Professorin.
Kooperation und Ausbau von Kontakten mit Studierenden
Um diese Ziele zu erreichen, kombinieren Hein und ihr Team funktionelle Kernspintomographie mit Ansätzen aus der Sozialpsychologie und klinischen Psychologie. Dabei bestehen enge Kontakte mit anderen Arbeitsgruppen des Universitätsklinikums und der Universität. Hein wird sich in die Lehre und die Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im neuen Elite-Masterstudiengang „Translational Neuroscience“ sowie am Psychologischen Institut einbringen.
Heisenberg-Professur für Uni
Hein hat eine Heisenberg-Professur eingeworben, welche die Würzburger Universitätsmedizin um einen neuen wissenschaftlichen Schwerpunkt ergänzt. Unter den vielen Förderinstrumenten der DFG für den wissenschaftlichen Nachwuchs steht die Heisenberg-Professur ganz oben. Sie eröffnet herausragenden jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Aussicht auf eine unbefristete Professur und den Hochschulen neue Wege der wissenschaftlichen Profilbildung.
Grundprinzip der Förderung ist, dass die DFG fünf Jahre lang eine Professur finanziert, die dann in eine reguläre Professur übergehen soll. Die Vergabe der Professuren durch die DFG erfolgt nach strengen wissenschaftlichen Qualitätskriterien, vergleichbar dem Prozess einer Berufung. Wer hier erfolgreich sein will, muss zusätzlich zu seiner besonderen Qualifikation und seinen bisherigen Tätigkeiten ein ambitioniertes Forschungskonzept entwerfen und überzeugend darstellen.