Intern
  • Eine Studentin fährt auf ihrem Roller zur Uni.
  • none
  • none

Neue Studie: Digitale Helfer sorgen für mehr Vertrauen

22.10.2024

Können virtuelle Akteure das Vertrauen von Menschen mit Migrationshintergrund in die Polizei stärken? Das hat ein Forschungsteam der Universität Würzburg untersucht. Das Ergebnis hat die Verantwortlichen selbst überrascht.

„Kann ich Ihnen helfen?“ In der Studie sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit virtuellen Polizisten beziehungsweise Polizistinnen in den Austausch treten.
„Kann ich Ihnen helfen?“ In der Studie sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit virtuellen Polizisten beziehungsweise Polizistinnen in den Austausch treten. (Bild: Informatik V / JMU)

Intelligente virtuelle Agenten können dabei helfen, bei Menschen mit Migrationshintergrund das Vertrauen in Institutionen wie die Polizei zu stärken. Das ist das zentrale Ergebnis einer neuen Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Verantwortlich für diese Studie war die Informatikprofessorin Birgit Lugrin. Sie hat an der JMU den Lehrstuhl für Informatik V inne; sogenannte Socially Interactive Agents bilden einen ihrer Forschungsschwerpunkte.

Den Hintergrund dieser Studie bildet die Tatsache, dass rund 24 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund derzeit in Deutschland leben. Gut, wenn auch diese dem hiesigen Rechts- und Regierungssystem ihr Vertrauen schenken. Ein positiver Kontakt zu den Behörden – und damit auch zu Polizistinnen und Polizisten – kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Wenn dann auch noch ein Mensch mit, zum Beispiel, türkischen Wurzeln auf eine Polizistin gleicher Herkunft trifft, könnte dies in besonderem Maße dazu beitragen, das Vertrauen in die Staatsgewalt zu stärken, so die Vermutung des Würzburger Forschungsteams.

Virtuelle Agenten sind eine kostengünstige Verstärkung

Allerdings ist der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund bei der Polizei vergleichsweise niedrig. Gleichzeitig fehlt es der Polizei häufig an ausreichend Personal, um neben ihren eigentlichen Aufgaben auch noch verstärkt Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Der Einsatz von „Intelligenten virtuellen Agenten“ könnte dieses Problem lösen. Wer sich unter einem virtuellen Agenten nichts vorstellen kann: Diese gleichen im Prinzip Figuren in einem Computerspiel, die sich durch virtuelle Welten bewegen und Menschen zum Verwechseln ähnlich sind.

„Intelligente virtuelle Agenten, die so konzipiert sind, dass sie auf natürliche und intuitive Weise mit Menschen interagieren, sind relativ kostengünstig zu entwickeln und können potenziell in großem Maßstab eingesetzt werden“, schildert Lugrin die Vorteile dieser virtuellen Helfer. Für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei könnten sie somit eine willkommene Verstärkung sein. Ein weiterer Vorteil: Die Agenten lassen sich auch so gestalten, dass sie im Aussehen und in ihrem Sprachstil Menschen mit Migrationshintergrund sehr ähnlich sind.

Ein interaktiver Austausch im Digitalen

Ob virtuelle Agenten mit Migrationshintergrund tatsächlich dazu in der Lage sind, bei realen Menschen mit gleichem Hintergrund das Vertrauen in die Polizei zu stärken: Das haben Lugrin und ihr Team im Rahmen einer experimentellen Studie untersucht. Die Ergebnisse haben sie vor Kurzem auf der International Conference on Intelligent Virtual Agents der Association for Computing Machinery präsentiert.

„Wir haben ein interaktives Szenario entwickelt, in dem unsere Versuchspersonen am Rechner mit einem Polizisten beziehungsweise einer Polizistin in den Austausch traten. In dem einen Fall waren die virtuellen Agenten als typisch deutsch zu erkennen, in dem anderen zeichneten sie Aussehen und Sprache als Menschen mit einem gemischt-kulturellem Hintergrund aus“, so Lugrin. Die Versuchspersonen selbst waren allesamt in Deutschland lebende Personen mit türkischen Wurzeln.

Wie empathisch ist das digitale Gegenüber?

Jeweils vor und nach den Online-Treffen erfassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anhand von Fragebögen wichtige Parameter der Einstellung ihrer Probanden gegenüber der Polizei. Dabei ging es um Aspekte wie das Vertrauen in die Polizei allgemein und in die Effektivität ihrer Arbeit. Erfasst wurde auch ihre Einschätzung, inwieweit Polizistinnen und Polizisten im Umgang mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen gerecht und gleich vorgehen.

In Bezug auf den virtuellen Agenten ermittelte das Team dessen Wahrnehmung durch die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. Dabei ging es um Aspekte wie Ähnlichkeit, Wärme, Kompetenz und Empathie – und natürlich auch um das Vertrauen in das digitale Gegenüber.

Das Vertrauen wächst – in jedem Fall

Die Auswertung all dieser Daten zeigt, dass durch die Interaktion mit einem virtuellen Polizeibeamten tatsächlich das Vertrauen in die Polizei gesteigert werden konnte. Eine seiner Haupthypothesen konnte das Team allerdings nicht bestätigen: „Wir hatten erwartet, dass die Gruppenähnlichkeit, also ein identischer kultureller Hintergrund, sich stärker positiv auf das Vertrauen auswirken würde“, erklärt Birgit Lugrin. In den Experimenten wuchs das Vertrauen jedoch unabhängig davon, ob die Studienteilnehmenden auf einen „typisch deutschen“ Agenten trafen oder auf einen mit Migrationshintergrund.

Erledigt hat sich diese These nach Lugrins Worten damit allerdings nicht. „In der Psychologie haben zahlreiche Forschungsarbeiten gezeigt, dass Menschen Dritte positiver wahrnehmen, wenn diese ihnen ähneln“, erklärt die Wissenschaftlerin. Dabei können viele Faktoren Einfluss darauf haben, was Ähnlichkeit ausmacht, beispielsweise Religion, die politische Haltung oder eben der kulturelle Hintergrund.

Dementsprechend ist Lugrin davon überzeugt, dass weitere Studien nötig sind, um diesen Aspekt genauer zu erforschen. Insgesamt bleibt für sie jedoch das zentrale Ergebnis: „Virtuelle Agenten eignen sich als effektives Instrument für eine positive persönliche Interaktion mit Behörden.“

Originalpublikation

Enhancing Trust towards the Police through Interaction with Virtual Agents - Investigating the Ingroup Effect with Mixed-Cultural Individuals. Birgit Lugrin, Elisabeth Granal, Maximilian Baumann, Anastasia Fiolka, and Tobias Haase. ACM ISBN 979-8-4007-0625-7/24/09, https://doi.org/10.1145/3652988.3673944

Kontakt

Prof. Dr. Birgit Lugrin, Lehrstuhl für Informatik V (Socially Interactive Agents), T: +49 931 31-84602, birgit.lugrin@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

Zurück