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Neuer Quantenzustand nachgewiesen

12.07.2016

Majorana-Physik eröffnet neue Wege zum Quantencomputer und zur Supraleitung – Physiker der Universität Würzburg weisen mit Kollegen aus Tokyo und Delft die Existenz eines neuen quantenmechanischen Zustands nach.

Der Würzburger Physikprofessor Laurens Molenkamp. (Foto: privat)
Die Arbeitsgruppe um den Würzburger Physikprofessor Laurens Molenkamp (Bild) hat einen neuen Quantenzustand nachgewiesen. Molenkamp zählt zu den Pionieren bei der Erforschung topologischer Isolatoren; für seine Arbeiten erhielt er 2013 den renommierten Leibniz-Preis der DFG. (Foto: privat)

Eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte, internationale Forschungsgruppe hat einen quantenmechanischen Zustand (Majorana-Zustand) mit ungewöhnlichen Eigenschaften nachgewiesen. Ihre Entdeckung bahnt möglicherweise einen neuen Weg zu ultraschnellen Quantencomputern.

Für Festkörperphysiker war die Welt lange Zeit übersichtlich: Es gab Materialien, die den elektrischen Strom leiten (die Leiter; z.B. die meisten Metalle); es gab andere, die das nicht tun (die Nichtleiter) und schließlich solche, die eines kleinen Schubsers bedürfen, bevor sie sich dazu überreden lassen (die Halbleiter).

2007 trat durch eine Entdeckung von Laurens Molenkamp und seinem Team eine vierte Materialgruppe auf den Plan: die topologischen Isolatoren. Diese leiten Strom nur an ihrer Oberfläche, dort allerdings extrem gut. In ihrem Zentrum sind sie dagegen Nichtleiter. Das Phänomen ist für Physiker aus verschiedenen Gründen interessant. So lassen sich damit möglicherweise deutlich energieeffizientere Computerchips herstellen.

"Quasiteilchen" nur im Zusammenspiel von topologischem Isolator und Supraleiter

Seit kurzem ist jedoch noch eine andere Besonderheit topologischer Isolatoren in den Fokus des Forschungsinteresses geraten: Bei Kontakt zu Supraleitern nehmen die Elektronen an der Grenzfläche zwischen beiden Materialien exotische Eigenschaften an. Sie bilden gewissermaßen ein neuartiges Teilchen, das allerdings nicht losgelöst existiert, sondern nur im Zusammenspiel von topologischem Isolator und Supraleiter. Physiker sprechen daher auch von einem „Quasiteilchen“.

Das Interessante daran: „Laut Theorie sollten sich die Quasiteilchen genau wie so genannte Majorana-Fermionen verhalten“, erklärt Dr. Christoph Brüne vom Physikalischen Institut der Universität Würzburg. Die Existenz dieser Fermionen wurde bereits 1937 von dem italienischen Physiker Ettore Majorana vorhergesagt. Bis heute fehlt jedoch der Nachweis, dass es sie tatsächlich gibt. „Mit Hilfe topologischer Isolatoren sollten sich die Elektronen in einen sogenannten Majorana-Zustand versetzen lassen; sie würden sich damit wie Majorana-Fermionen verhalten.“

Bestätigung theoretischer Vorhersagen

Brüne ist Mitglied der Arbeitsgruppe um den Würzburger Physikprofessor Laurens Molenkamp. Molenkamp zählt zu den Pionieren bei der Erforschung topologischer Isolatoren; für seine Arbeiten wurde er 2013 mit dem renommierten Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet. In der aktuellen Studie konnten die Würzburger Forscher mit Kollegen aus Tokio und Delft Teile der theoretischen Vorhersagen bestätigen. „Die von uns erzeugten Quasiteilchen sind hinsichtlich den von uns gemessenen Eigenschaften von Majorana-Fermionen nicht zu unterscheiden“, betont Brüne.

Die Wissenschaftler untersuchten in ihren Experimenten das genaue Verhalten der supraleitenden Ströme im Zusammenspiel von topologischen Isolatoren und Supraleitern. Hierbei gelang ihnen die Messung einer Oszillation im supraleitenden Strom, die für Majorana-Fermionen vorausgesagt wurde.

Majorana-Fermionen beflügeln unter anderem deshalb die Phantasie der Physiker, weil sie in Zukunft den Bau ultraschneller Quantencomputer erheblich vereinfachen könnten. Sie eignen sich dazu, Informationen zu speichern und mit ihnen einfache Berechnungen durchzuführen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Computerchips kann man sich dabei jedoch quantenmechanische Effekte zu Nutze machen. Manche Aufgaben, zu deren Lösung heutige Rechner Jahre benötigen, könnte ein Quantencomputer daher in wenigen Sekunden bewältigen.

Normalerweise kommen Quanteneffekte allerdings nur in der Welt der allerkleinsten Dinge zum Tragen – etwa auf Molekül- oder Atom-Ebene. Quantencomputer erfordern daher aufwändige Manipulationstechniken, die auch in diesem Mikrokosmos zuverlässig funktionieren müssen. Das Bauteil, mit dem die Würzburger Forscher ihre Quasiteilchen erzeugten, war dagegen immerhin so groß wie ein durchschnittliches Bakterium: ein Plättchen aus Quecksilber-Tellurid, auf dem zwei hauchdünne supraleitende Elektroden kleben.

„Zudem sind Quanteneffekte normalerweise sehr störanfällig gegenüber äußeren Einflüssen“, erklärt Brüne. „Majorana-Fermionen, die mithilfe topologischer Isolatoren verwirklicht werden, sollten diesbezüglich deutlich robuster sein.“ So sinkt die Gefahr, dass sich der Quantencomputer einfach mal verrechnet.

Literatur

4π-periodic Josephson supercurrent in HgTe-based topological Josephson junctions. J. Wiedenmann, E. Bocquillon, R. S. Deacon, S. Hartinger, O. Herrmann, T. M. Klapwijk, L. Maier,C. Ames, C. Brüne, C. Gould, A. Oiwa, K. Ishibashi, S. Tarucha, H. Buhmann & L. W. Molenkamp, Nature Communications 7, Article number: 10303, DOI: 10.1038/ncomms10303, 2016

Kontakt

Dr. Christoph Brüne, Physikalisches Institut der Universität Würzburg, T +49 931 31-84733, Christoph.Bruene@physik.uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Laurens Molenkamp, Physikalisches Institut der Universität Würzburg, T +49 931 31-84925, molenkamp@physik.uni-wuerzburg.de

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