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Neuer Therapieansatz gegen COVID-19

19.01.2021

Im Januar 2021 startet ein überregionales Forschungsprojekt, das eine zielgerichtete Therapie gegen SARS-CoV-2 entwickeln will. Mit dabei sind Wissenschaftler der Universität Würzburg.

Im Labor werden Zellkulturen pipettiert, die für Experimente mit Erregern benötigt werden.
Im Labor werden Zellkulturen pipettiert, die für Experimente mit Erregern benötigt werden. (Bild: Leibniz-HKI / Anna Schroll)

Ein schnellstmögliches Ende der Corona-Pandemie: Das wünschen sich vermutlich alle Menschen weltweit. Deshalb ist es neben präventiven Maßnahmen, wie Impfkampagnen und Kontaktreduzierungen, ebenso wichtig, möglichst schnell wirksame Therapien und Medikamente gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln. Denn bis heute gibt es nur wenige vielversprechende Therapieansätze.

2,3 Millionen Euro vom Bund

Forschende des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – (Leibniz-HKI), der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sowie des Heinrich-Pette-Instituts, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg vereinen deshalb jetzt ihre Expertisen in den Bereichen Wirkstoffentwicklung, Infektionsmedizin und Virologie, um gemeinsam einen Beitrag zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie zu leisten. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Konsortiums InfectControl mit rund 2,3 Millionen Euro gefördert.

Ziel des Projekts ist, einen neuartigen Therapieansatz für SARS-CoV-2-Infektionen zu entwickeln, mit dem das Virus zielgerichtet vom Immunsystem eliminiert werden kann. Die neuen Erkenntnisse sollen außerdem dazu beitragen, bei möglichen zukünftigen Infektionsausbrüchen mit anderen Erregern rasch neue Therapeutika entwickeln zu können.

Unterstützung des Immunsystems

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen das menschliche Immunsystem in die Lage versetzen, die Viruspartikel eigenständig zu erkennen und zielgerichtet zu beseitigen. Dabei machen sie sich die hochspezifische Wechselwirkung zwischen Virus und menschlicher Zelle zu Nutze: Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip interagiert ein Oberflächenprotein – das sogenannte Spike-Protein – des SARS-Coronavirus-2 mit Rezeptoren menschlicher Zellen. Aufgrund der geringen Größe von Viren und deren Aufnahme ins Zellinnere können menschliche Immunzellen das Virus nicht direkt aufnehmen und zerstören.

Axel Brakhage ist Sprecher von InfectControl und Direktor des Leibniz-HKI. „Wir entwickeln maßgeschneiderte Aggregate, die dem Rezeptor der menschlichen Zelle nachempfunden sind. Unsere Hoffnung ist, dass die Viren schließlich an den künstlichen Rezeptor binden und nicht an die menschliche Zelle. So könnten die Zellen des Immunsystems die Viren erkennen und eigenständig eliminieren“, so der Molekularbiologe, der auch einen Lehrstuhl an der Universität Jena innehat. 

Der Chemiker Florian Kloß ergänzt: „Wir werden die potenziellen neuen Wirkstoffe durch Laboruntersuchungen auf Funktionalität und Verträglichkeit analysieren und Möglichkeiten für die therapeutische Nutzung prüfen.“ Er leitet die Transfergruppe Antiinfektiva am Leibniz-HKI und widmet sich mit seinem Team der präklinischen und frühen klinischen Entwicklung aussichtsreicher Wirkstoffe.

„Die Basis der maßgeschneiderten Aggregate sind synthetische Makromoleküle, die mit den Rezeptor-Einheiten dekoriert werden. Diese Makromoleküle werden nachfolgend zu Nanopartikeln formuliert. Mit den Rezeptor-Einheiten auf der Oberfläche sind die Partikel bereit, die Viren an sich zu binden“, erklärt Ulrich S. Schubert, Chemiker und Materialwissenschaftler an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er leitet als Sprecher den Sonderforschungsbereich „PolyTarget“ der DFG, der sich mit neuen Pharmapolymeren und innovativen Nanopartikeln für die personalisierte Nanomedizin beschäftigt.

Prüfung auf Wirksamkeit in Würzburg

Die Würzburger Virologin Simone Backes und der Immunologe Georg Gasteiger, Leiter der Max Planck Forschungsgruppe für Systemimmunologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, werden dann untersuchen, ob die am Leibniz-HKI entwickelten Wirkstoffe eine Coronavirus-Infektion verhindern können: Sie wollen herausfinden, ob die künstlichen Aggregate die Coronaviren tatsächlich blocken und so markieren, dass sie für einen Angriff durch das menschliche Immunsystem „sichtbar“ werden.

„Ohne Impfung ist das menschliche Immunsystem nur bedingt in der Lage, sich gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu wehren“, sagt Georg Gasteiger. So wird es erst dann alarmiert, wenn das Virus bereits Zellen befallen hat, und auch dann ist die Immunantwort unspezifisch. Das wird sich ändern, wenn das Projekt erfolgreich ist: Dann könnten Immunzellen das Virus erkennen, noch bevor es in Zellen eingedrungen ist, um es mit einer gezielten Reaktion zu bekämpfen.

Backes und Gasteiger arbeiten dabei mit sogenannten „Pseudo-Viren“. Diese imitieren die Hülle des Coronavirus, ohne aber dessen schädliche Eigenschaften zu besitzen. Sitzt das maßgeschneiderte Aggregate der Kollegen aus Leipzig auf dieser Hülle, kann das Würzburger Team untersuchen, ob die Immunzellen wie erhofft darauf reagieren. Im Erfolgsfall stünde damit der Wissenschaft eine Art Baukasten für neue Medikamente gegen Vireninfektionen zur Verfügung. „Wenn in ein paar Jahren eine neue Pandemie ausbricht, verursacht durch ein neues Virus, könnte man mit dieser Technik vielleicht sehr schnell neue Wirkstoffe entwickeln“, sagt Gasteiger.

„Im Vorhaben werden wir zusätzlich die antiviralen Eigenschaften der neuen Wirkstoffe gegen SARS-CoV-2 in einem humanen Lungenmodell evaluieren“, fügt Gülsah Gabriel hinzu. Sie leitet die Abteilung „Virale Zoonosen-One Health“ am Heinrich-Pette-Institut, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg. Gemeinsam mit ihrem Team erforscht sie die molekularen Mechanismen der Virusübertragung zwischen verschiedenen Arten sowie die Pathogenese von zoonotischen Viren.

InfectControl – gemeinsam stark gegen Infektionen

Das Forschungsnetzwerk InfectControl vereint Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, die gemeinsam neue Strategien zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten entwickeln. Die Forschungsprojekte des im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation geförderten Konsortiums überschreiten die Grenzen von klassischen Fachdisziplinen und betrachten Infektionen konsequent nach dem One Health-Ansatz. Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt von InfectControl ist die medizinische Forschung und Versorgung. Forschende des Netzwerks suchen nach neuen Wirkstoffen und widmen sich dem verbesserten Transfer von Grundlagenforschung in die Industrie.

Von Monika Kirsch / Leibniz-HKI

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