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Platten, Schrauben, Zement und Kleber

01.02.2022

Die Unfallchirurgin Stefanie Hölscher-Doht ist jetzt Professorin für Translationale Traumatologie und Biomechanik. Sie erforscht, welche Versorgungstechnik nach einer Fraktur die höchste Stabilität garantiert.

Stefanie Hölscher-Doht hat die neue Professur für Translationale Traumatologie und Biomechanik an der Uni Würzburg inne.
Stefanie Hölscher-Doht hat die neue Professur für Translationale Traumatologie und Biomechanik an der Uni Würzburg inne. (Bild: Stefan Bausewein / Uniklinikum Würzburg)

Stefanie Hölscher-Doht arbeitet seit 2007 als Ärztin an der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie des Uniklinikums Würzburg (UKW). Mit Wirkung vom 1. September 2021 wurde sie als Universitätsprofessorin für Translationale Traumatologie und Biomechanik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) eingestellt.

Die gebürtige Düsseldorferin absolvierte ab dem Jahr 2000 ihr Humanmedizinstudium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo sie 2007 die Approbation als Ärztin erhielt. Schon ihre Doktorarbeit am Universitätsklinikum Münster führte die stark forschungsinteressierte Medizinerin in den Bereich der Biomechanik. Dabei überprüfte sie die Stabilität, die sich mit ursprünglich aus der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie stammenden Mini-Implantaten in der Handchirurgie erzielen lässt.

Seit 2007 mit dem Thema Biomechanik am UKW betraut

Ihr Doktorvater in Münster war Professor Rainer Meffert. Dieser wurde im Jahr 2007 nach Würzburg berufen, um dort die damals neu entstehende Chirurgische Klinik II zu leiten. Diese vereint die Gebiete Unfall- und Handchirurgie sowie Plastische und Wiederherstellungschirurgie. Stefanie Hölscher-Doht folgte noch im selben Jahr einem Stellenangebot Mefferts ans UKW.

„Im Zuge der Gestaltung der neuen Klinik bekam ich von Beginn an – als Assistenzärztin – die große Aufgabe und Chance, den Biomechanik-Bereich aufzubauen“, erinnert sich die Professorin. Für die mechanischen Tests wurde im Zentrum für Operative Medizin  ein Labor eingerichtet. Dessen Kernelement ist eine Materialprüfmaschine, mit der alle Arten von Druck-‚ Zug- und Torsionsbelastungen auf Knochen simuliert werden können. Neben menschlichen kommen hier Schweine- und Kunstknochen zum Einsatz.

So wenige Schrauben wie möglich

„Die zentrale Frage unserer Forschungsprojekte ist: Welche Versorgungstechnik gewährleistet nach einer Fraktur die höchste Stabilität, erlaubt eine schnelle Wiederbelastung und bietet die größten Chancen auf eine bestmögliche Ausheilung?“, schildert Professorin Hölscher-Doht.

Zu der Suche nach passenden Antworten gehören immer wieder auch Abwägungsprozesse. So muss zum Beispiel beim Einsatz von Osteosynthesematerial – also implantierbaren Platten, Schrauben und Drähten – mit hohem Augenmaß vorgegangen werden. Denn jede Schraube sorgt nicht nur für Stabilität, sondern schwächt gleichzeitig den Knochen und die Knochenhaut, was sich auf die Heilung prinzipiell negativ auswirken kann.

Impressionsbrüche am Schienbeinkopf

Zu den zur Verfügung stehenden Versorgungslösungen gehören auch Knochenersatzmaterialien wie Zemente und Kleber. „Eines meiner bislang schönsten Forschungsprojekte mit dem für mich interessantesten Ergebnis steht in enger Verbindung mit dem Einsatz von Knochenzement“, berichtet die Unfallchirurgin.

Im Fokus stand die Therapie von Impressionsfrakturen am Schienbeinkopf. Hierbei brechen Teile der lasttragenden Gelenkfläche ein. Nach der chirurgischen Anhebung unter arthroskopischer Kontrolle des eingesunkenen Bereichs verbleibt darunter in vielen Fällen ein Hohlraum im Knochen. Dieser wird mit Knochenzement aufgefüllt.

„Standardmäßig wurden zunächst Platten und Schrauben gesetzt – erst danach wurde der Zement eingespritzt. Das Problem dabei war, dass sich der zähflüssige Zement wegen der Schrauben häufig nicht mehr gut in der Höhle verteilen konnte“, beschreibt Hölscher-Doht. Oft blieb ein Hohlraum, in den das Plateau später wieder einsinken konnte. Mögliche Folgen: eine Fehlstellung des Gelenks, Arthrose und chronische Schmerzen.

„Auf der Suche nach einem alternativen Vorgehen experimentierten wir im Labor mit einem bohrbaren Knochenzement. Dieser wird als erstes eingespritzt, sodass ungehindert die komplette Knochenhöhle gefüllt werden kann. Erst anschließend, nach etwa acht Minuten Aushärtungszeit, werden die Schrauben durch den Zement hindurch gesetzt“, erläutert die Professorin. Nach ihren Worten konnte das Laborergebnis, aus dem nachweislich eine deutlich höhere Stabilität der Gelenkfläche resultiert, direkt in der klinischen Versorgung umgesetzt werden.

Breite Forschungstätigkeit trotz geringer Manpower

Neben Frakturen am Schienbeinkopf beschäftigte sich Stefanie Hölscher-Doht in ihren bisherigen Forschungsvorhaben schwerpunktmäßig mit der Behandlung von Verletzungen der Mittelhandknochen. Hinzu kamen Frakturen des Ellenhakens. Für eine diesbezügliche vergleichende Untersuchung von unterschiedlichen Implantationslösungen erhielt sie 2019 einen der klinischen Posterpreise auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie. An Arbeiten zu vielen weiteren Lokalisationen, wie Schlüsselbein, Fersenbein und Sprunggelenk, war und ist sie beteiligt.

„Ich bin sehr stolz darauf, dass es Stefanie Hölscher-Doht und ihrem kleinen Team seit Jahren gelingt, konkurrenzfähige translationale Forschung zu betreiben – gerade wenn man in Betracht zieht, dass vergleichbare biomechanische Themen andernorts von großen Instituten mit mehreren Ingenieuren beackert werden“, freut sich Professor Meffert und ergänzt: „Zudem ist es ihr gelungen, wertvolle Kooperationen über das eigene Labor hinaus zu knüpfen. Das war ein wichtiger Schritt, um erfolgreich Forschungsmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu akquirieren.“

Klinische Rückkopplung zu Zementen und Klebern

Auch in der Weiterentwicklung von Knochenzementen und -klebern ist die Forscherin aktiv. Dazu kooperiert sie seit vielen Jahren intensiv mit der von Professor Uwe Gbureck geleiteten Arbeitsgruppe „Bioactive Inorganic Scaffolds“ vom Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und Zahnheilkunde der Uni Würzburg. „Unsere hervorragende Zusammenarbeit sorgt unter anderem dafür, dass die Grundlagenforschung nicht an den Anforderungen der klinischen Anwendung vorbeiläuft“, kommentiert Hölscher-Doht.

Sie selbst wird auch als Professorin den unmittelbaren Kontakt zu den alltäglichen Praxisanforderungen nicht verlieren, denn sie ist weiterhin mit einem bedeutenden Teil ihrer Arbeitszeit als Oberärztin der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des UKW tätig. Spezialisiert ist sie dabei auf eher feine Eingriffe, wie das Zusammensetzen von stark fragmentierten Fuß- und Sprunggelenken, die Handchirurgie oder mikrochirurgische Operationen wie das Annähen von abgetrennten Fingern.

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Von Pressestelle UKW

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