Menschen auf digitalen Märkten
20.06.2023Wie verhalten sich Konsumentinnen und Konsumenten in der digitalen Wirtschaft? Das erforscht Lucas Stich, neuer Juniorprofessor für Marketing Analytics an der Universität Würzburg.
Wenn sich Kundinnen und Kunden in digitalen Umgebungen bewegen, lässt sich ihr Verhalten anhand von Daten leicht nachvollziehen. Auf Plattformen wie Amazon, Netflix oder Spotify sind zu diesem Zweck Personalisierungsalgorithmen aktiv. Sie registrieren die Interessen der einzelnen Kundinnen und Kunden und unterbreiten ihnen automatisch Angebote, die auf ihre Vorlieben zugeschnitten sind.
Diese Algorithmen können die Zufriedenheit der Kundschaft und deren Bindung an das Unternehmen steigern – aber das ist nicht immer der Fall. Wenn sie „zu gut“ funktionieren und zum Beispiel eine große Anzahl passender Angebote ähnlicher Qualität empfehlen, kann dies die Kaufentscheidung erschweren oder sogar verhindern.
Solche und andere Erkenntnisse lassen sich mit den Forschungsmethoden gewinnen, die Lucas Stich einsetzt. Der neue Juniorprofessor für Marketing Analytics an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) arbeitet quantitativ empirisch, seine Forschung basiert auf Daten und mathematischen Modellen.
Lehre: daten- und methodenorientiert mit vielen Beispielen
Den Studierenden der Wirtschaftswissenschaft vermittelt der Professor unter anderem, wie Unternehmen mit Hilfe von Daten bessere Marketing-Entscheidungen treffen können. In seinen Vorlesungen, Übungen und Seminaren geht es um Theorien und Methoden des Marketings, aber immer auch um die praktische Anwendung mit vielen Beispielen aus der Wirtschaftswelt.
In einer seiner Lehrveranstaltungen haben sich die Studierenden unter anderem mit der Frage befasst, welchen Einfluss verschiedene Marketing-Touchpoints auf gewünschte Kundenaktionen haben, zum Beispiel auf einen Kauf: Angenommen, eine Person sieht die Werbung einer Firma auf Instagram, YouTube oder anderen Portalen – welchen Beitrag leistet dann der einzelne „Sichtkontakt“ zur Kaufentscheidung? Hat die Werbung tatsächlich zu einer Verhaltensänderung geführt? Wie kann man diese Effekte messen? Und welche Rolle spielen dabei andere Faktoren wie der Preis oder die Angebote der Konkurrenz?
Empirische Studien im Web, im Labor, im Feld
Solche Szenarien geht Lucas Stich empirisch an. Dazu nutzt er Daten von kooperierenden Unternehmen oder führt Experimente mit Probandinnen und Probanden in Labor- und Onlineumgebungen durch. Er setzt aber auch auf Feldexperimente in der „echten Welt“ – zuletzt etwa in einer Studie in Kooperation mit wissenschaftlichen Open-Access-Zeitschriften. Beim Open-Access-Geschäftsmodell zahlt nicht die Leserschaft die Publikationskosten, sondern die Autorinnen und Autoren.
In der Studie wurde daher die „Zahlungsbereitschaft“ von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gemessen. „Nach der Annahme der Manuskripte haben die Zeitschriften die Forscherinnen und Forscher gefragt, wie viel sie für ihre Open-Access-Publikation bezahlen wollen“, erklärt der JMU-Professor. Dabei konnten die Autorinnen und Autoren völlig frei entscheiden, wie viel sie zu zahlen bereit waren. Sie hätten auch einen Preis von Null bezahlen können. Als Referenzwert wurde beiläufig eine „übliche“ Publikationsgebühr genannt. Es zeigte sich unter anderem, dass viele der Autorinnen und Autoren erhebliche freiwillige Zahlungen leisteten und dass die jeweils genannten Referenzwerte keinen signifikanten Einfluss auf die freiwilligen Zahlungen hatten. Die Arbeit wurde 2022 im Journal of Economic Behavior and Organization veröffentlicht.
Lebenslauf des neuen Professors
Lucas Stich studierte im Bachelor Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. An der Goethe-Universität gefiel ihm, dass sie im Bachelorstudium die Fächer Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre kombiniert – wie es auch an der JMU der Fall ist. Außerdem hat die Frankfurter Uni einen großen und forschungsstarken Marketing-Bereich.
Für das Masterstudium wechselte er an eine deutlich kleinere Institution, an die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt – die dortige Kombination aus BWL, Marketing und Wirtschaftsinformatik sagte ihm zu. Einen Teil des Masters absolvierte er an der University of Nottingham in England.
Für den Master of Business Research und die Promotion zog es ihn dann an das Institut für Electronic Commerce & Digitale Märkte der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Dort wurde er 2017 mit einer Arbeit zum Thema „Buyer Behavior in Customer-Driven Pricing Mechanisms“ promoviert.
Als Postdoc forschte Lucas Stich anschließend an der LMU weiter im Bereich Electronic Commerce und digitale Märkte, insbesondere zu Fragen der Preisgestaltung. Forschungsaufenthalte führten ihn an die University of Alberta in Kanada und an die University of California in Los Angeles. Von München aus folgte er schließlich zum 1. April 2023 dem Ruf auf die JMU-Juniorprofessur für Marketing Analytics mit Tenure Track nach W3.
Kontakt
Prof. Dr. Lucas Stich, Marketing Analytics, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Würzburg, T +49 931 31-84705, lucas.stich@uni-wuerzburg.de