Neuromodulation: Ultraschall führt zu mutigerem Verhalten
06.02.2024Psychologen der Uni Würzburg haben untersucht, inwieweit eine Neuromodulation des Gehirns mit Ultraschallwellen Menschen in ihrem Verhalten beeinflusst. Das Ergebnis kann auch als Grundlage für therapeutische Zwecke dienen.
Eröffnet sich Menschen eine neue Chance, gibt es einige, die zu der pessimistischen Ansicht neigen: „Das bringt doch eh nichts!“. Sie lassen sich zwar möglicherweise zunächst darauf ein, befinden sich längerfristig aber ständig in einem inneren Konflikt. Problematisch kann so eine Einstellung etwa sein, wenn sie bei psychischen Erkrankungen aufgrund von potenziell übermächtigen inneren Konflikten und Rückzugssymptomen zu Therapieabbrüchen führt, so dass therapeutische Interventionen ihre Wirksamkeit nicht entfalten können. Eine neue Methode, mit der sich Wissenschaftler vom Institut für Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) beschäftigen, könnte Abhilfe schaffen. Und zwar mithilfe von Ultraschallwellen.
Ultraschall kann dazu beitragen, dass die Erwartungshaltung von Menschen deutlich positiver wird: Das ist das Ergebnis einer Studie, die durch die Arbeitsgruppe von Professor Johannes Hewig durchgeführt wurde. Erstautoren sind die Psychologen Philipp Ziebell und der Privatdozent Dr. Johannes Rodrigues. Wird eine bestimmte Region des Gehirns nur zwei Minuten den Ultraschallwellen ausgesetzt, kann dies eine zu 50 Prozent positive Erwartungshaltung auf beispielsweise 60 oder 70 Prozent steigern, in einigen Fällen sogar darüber hinaus. Dies zeigen psychologische Versuche mit 152 Personen, die in Kooperation mit Professor Dr. John Allen und Dr. Jay Sanguinetti, Forschern der University of Arizona, durchgeführt wurden. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im renommierten Journal „Brain Stimulation“.
Ein Stups in eine mutigere Richtung
„Das Ganze kann relativ einfach angewandt werden“, erklärt Philipp Ziebell. Ein kleiner Ultraschall-Emitter wird bei der Behandlung an einer bestimmten Stelle am Kopf zwischen Auge und Ohr für zwei Minuten angesetzt. Diese Neuromodulation kann Menschen einen „Stups in eine mutigere Richtung“ geben. Obwohl die Studie aus Sicherheitsgründen nur mit einer sehr niedrigen Ultraschalleinstellung arbeitete, zeigten sich die vorhergesagten Effekte bei bemerkenswert vielen Probanden.
Schon seit über zehn Jahren versuchen Forschungsteams möglichen positiven Effekten von sogenanntem niedrig-intensiven transkraniellen fokussierten Ultraschall (TUS) auf die Spur zu kommen. John Allen forschte hierzu als Humboldt-Stipendiat mit Gastprofessur in Würzburg. Inzwischen wurden erste Studien dazu veröffentlicht, dass Ultraschallwellen tatsächlich einen Beitrag leisten können, um depressive Menschen aus ihrem Stimmungstief zu holen.
Objektive Effekte im virtuellen Labyrinth
In den bisherigen Studien hielten die Probanden mittels Fragebogen vorwiegend subjektiv fest inwieweit sie sich durch die TUS-Behandlung besser fühlten. „Wir konnten nun objektive Effekte messen“, berichtet Philipp Ziebell. Alle Probanden nahmen im Abstand von jeweils einer Woche an drei Versuchseinheiten teil: Eine zur Vorbereitung, eine mit Ultraschall und eine mit Placebo-Kontrollbedingung (in einem sogenannten randomisierten Doppelblind-Within-Subjects-Studiendesign).
Bei der entscheidenden Versuchseinheit wurde bei den Probanden zunächst für zwei Minuten Ultraschall eingesetzt, wonach sie mit 64 Elektroden am Kopf verkabelt wurden. Anschließend ging es zum Test an den Computer, in ein virtuelles Labyrinth, welches in ausführlichen Vorarbeiten von Johannes Rodrigues für die gleichzeitige Messung von Elektroenzephalographie (EEG) und Verhalten entwickelt wurde.
In diesem Labyrinth war es die Aufgabe der Studienteilnehmer, Schafe zu fangen und Spinnenmonstern aus dem Weg gehen. Ein grünes Licht signalisierte ihnen, dass in Kürze ein Schaf erscheinen wird. Dann sollten sie sich mittels eines Joysticks auf das Schaf zubewegen. Ein rotes Licht warnte sie vor dem Spinnenmonster. Dann galt es, dass Labyrinth so schnell wie möglich zu verlassen. Ein gelbes Licht signalisierte: Mit einer 50:50-Chance wird entweder ein Schaf oder ein Spinnenmonster erscheinen. In dieser Situation brauchte es Mut, sich rasch auf ein mögliches Schaf zuzubewegen, um es rechtzeitig zu schnappen, wohl wissend, dass auch ein Spinnenmonster erscheinen könnte. Oder sie zeigten Vermeidungsverhalten und verließen das Labyrinth – was dazu führen konnte, dass ihnen ein Schaf entgeht.
Ultraschall kann negative Erwartungshaltungen korrigieren
Das Ergebnis: Bei einem substanziellen Teil der Probanden führte die Ultraschallanwendung zu deutlichen Reduzierungen in einem EEG-Parameter, welcher das Erleben negativer Erwartungshaltungen beziehungsweise mentales Konflikterleben widerspiegelt, der mittfrontalen Theta-Frequenz. Diese Probanden zeigten sich bei den 50:50-Chancen deutlich mutiger als in der Placebo-Kontrollbedingung, bei der lediglich so getan wurde, als gäbe es eine Ultraschallbehandlung und bei der die Reduktionen in der mittfrontalen Theta-Frequenz im EEG ausblieben. Daraus lässt sich ableiten, dass Ultraschall-Modulation tatsächlich helfen könnte, tendenziell negative Erwartungshaltungen zu korrigieren.
Auf verschiedenen nationalen und internationalen Kongressen haben Philipp Ziebell und seine Kollegen ihre Untersuchungsergebnisse inzwischen vorgestellt. Das Interesse ist laut den Psychologen groß, und angesichts der Neuartigkeit des Themenbereichs TUS steht in Zukunft vielfältige weitere Forschung in Aussicht. Im nächsten Schritt wäre etwa eine Individualisierung der Ultraschallanwendung spannend, die beispielsweise individuelle anatomische Eigenschaften berücksichtigt.
Ein zusätzliches Tool im Therapie-Werkzeugkasten
Über die aktuell verwendete Ultraschalleinstellung hinaus bietet TUS zahlreiche vorher nicht vorhandene Möglichkeiten um Gehirnregionen gezielt zu modulieren. Damit eröffnet TUS unter anderem neue Wege, um grundlegende Theorien mit aktiver Neuromodulation zu testen. So können sich aus der Grundlagenforschung heraus neue Impulse für praktische Anwendungen ergeben, etwa im Rahmen der Therapie psychischer Erkrankungen. Eine weitere Studie aus der Arbeitsgruppe Hewig unter Leitung von Dr. André Forster konnte diesbezüglich kürzlich weitere Evidenz liefern, indem sie positive TUS-Effekte auf die Unterdrückung erlernter Hilflosigkeit zeigte, die als ein zentrales Maß im grundlegenden Erklärungsmodell der Entstehung von Depressionen dient.
„TUS könnte ein zusätzliches Tool im therapeutischen Werkzeugkasten werden und damit neue Therapiewege ermöglichen“, sagt Philipp Ziebell. Ein Vorteil der neuen Methode ist dabei zudem, dass sie unerwünschte Nebenwirkungen durch gezielt eingesetzte niedrige Intensitäten vermeiden kann. „Wir bewegen uns in sehr sicheren Parametern“, unterstreicht Philipp Ziebell. Bisher habe man im Versuch eine besonders niedrige Intensität angewandt, um zuverlässig auf der sicheren Seite zu sein.
Originalpublikation
Inhibition of midfrontal theta with transcranial ultrasound explains greater approach versus withdrawal behavior in humans. Philipp Ziebell, Johannes Rodrigues, André Forster, Joseph L. Sanguinetti, John J.B. Allen, Johannes Hewig. Brain Stimulation, https://doi.org/10.1016/j.brs.2023.08.011
Kontakt
Philipp Ziebell, Lehrstuhl für Psychologie I und Lehrstuhl für Psychologie V, T: +49 931 31-84145, philipp.ziebell@uni-wuerzburg.de