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Oswald-Külpe-Preis für Klaus Oberauer

28.11.2023

Professor Klaus Oberauer aus Zürich wurde mit dem Oswald-Külpe-Preis der Würzburger Psychologie ausgezeichnet. Von ihm stammen herausragende Forschungen zur Struktur des Arbeitsgedächtnisses.

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Preisträger Klaus Oberauer (Mitte) mit seinem Laudator Wilfried Kunde (l.) und mit Roland Deutsch, dem geschäftsführenden Vorstand des Würzburger Instituts für Psychologie. (Bild: Sandra Endlich / Universität Würzburg)

Klaus Oberauer, Professor für Kognitionspsychologie an der Universität Zürich, wurde vom Institut für Psychologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) mit dem Oswald-Külpe-Preis 2023 ausgezeichnet. Den mit 3.000 Euro dotierten Preis erhielt er am 23. November bei einer Feierstunde in Würzburg.

Die Auszeichnung geht alle zwei Jahre an international herausragende Forschende, die mit experimentellen Methoden höhere geistige Prozesse erforschen. „Klaus Oberauer ist eine Persönlichkeit, die diese Kriterien nicht besser erfüllen könnte“, so Professor Wilfried Kunde, stellvertretender Vorstand des Instituts für Psychologie, in der Laudatio. Unter anderem habe der Preisträger „geniale experimentelle Forschung“ betrieben, um die Struktur des Arbeitsgedächtnisses näher zu charakterisieren.

Klaus Oberauer befasst sich auch mit aktuellen Themen – etwa mit der Frage, warum Menschen auf Fake News hereinfallen oder warum sie gut belegte wissenschaftliche Erkenntnisse wie den Klimawandel leugnen. „Hier geht es ihm darum zu verstehen, welche kognitiven Prozesse daran beteiligt sind, dass es zu solchen Fehleinschätzungen mit teilweise fatalen Konsequenzen kommen kann“, so Wilfried Kunde.

Der Oswald-Külpe-Preisträger, Jahrgang 1965, hat an der Freien Universität Berlin Psychologie studiert und an der Universität Heidelberg promoviert. Nach Stationen in Potsdam und Mannheim wurde er 2005 Professor für Psychologie an der Universität Bristol. 2009 folgte er einem Ruf an die Universität Zürich, wo er seitdem lehrt und forscht.

Klaus Oberauer ist bereits Träger einiger anderer Auszeichnungen. 2004 erhielt er den Charlotte und Karl-Bühler-Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 2019 den mid career award der amerikanischen Psychonomic Society. Von 2017 bis 2019 war er Präsident er Europäischen Gesellschaft für Kognitionspsychologie.

Auszüge aus der Laudatio

Was genau sind höhere geistige Prozesse? Das erklärte Wilfried Kunde in seiner Laudatio auf unterhaltsame Art. Hier Auszüge aus seiner Ansprache.

„Als Nicht-Psycholog:in ist man geneigt, bei höheren geistigen Prozessen an ‚Meisterleistungen‘ des menschlichen Geistes zu denken, wie das Komponieren einer Symphonie, das Lösen eines schwierigen mathematischen Problems oder zumindest an das korrekte Ausfüllen eines Dienstreiseantrags.

In der Experimentellen Psychologie ist man hier etwas bescheidener. Höhere geistige Prozesse sind solche, die etwas komplexer sind als diejenigen, die man für die Identifikation oder das Ergreifen eines Objekts benötigt. Zu diesen höheren Prozessen zählt das menschliche Gedächtnis, der Hauptforschungsgegenstand von Klaus Oberauer. Verblüffender Weise haben wir es bei der Beschäftigung mit dem menschlichen Gedächtnis aber eher nicht mit brillanten Meisterleistungen zu tun, sondern häufig mit einem kläglichen Scheitern.

Ein Beispiel: Wenn ich Sie bitten würde, sich die folgende Einkaufsliste zu merken: Butter, Feldsalat, Möhren, Spaghetti, Zucker, Honig, Weißwein, Eier, Linsen und Salz, sind die Chancen ziemlich groß, dass Sie das eine oder andere nicht oder sogar etwas anderes mitbringen, das gar nicht auf der Liste stand. Eigentlich war es ja gar nicht so viel woran zu denken wäre, nur zehn Dinge. Und Sie alle wissen, was Honig ist und was Linsen sind. Dieses Wissen liegt im sogenannten Langzeitgedächtnis. Aber Sie sollten eben einige dieser Langzeitgedächtniseinträge auswählen, um damit zu „arbeiten“, in diesem Fall einen Einkauf zu bestreiten. Diese kurzfristige Bereithaltung von Informationen bezeichnet man als ‚Arbeitsgedächtnis‘, und in diesem Arbeitsgedächtnis sind wir offensichtlich ziemlich limitiert.

Klaus Oberauer hat geniale experimentelle Forschung betrieben, um die Struktur des Arbeitsgedächtnisses näher zu charakterisieren. Seine Forschung hat zur Formulierung von stark beachteten Modellen geführt, was man unter anderem an der langen Liste vielzitierter Publikation in sehr angesehenen Fachzeitschriften eindrücklich sehen kann. Eine Kernannahme dabei ist, dass das, was wir als Arbeitsgedächtnis bezeichnen, keine ganz eigenständige Gedächtnisform, sondern ein in einem besonderen Zustand befindlicher Teil unseres Langzeitgedächtnisses ist.

Nun neigen Kognitionswissenschaftler:innen gelegentlich ein bisschen zur Pedanterie. Das heißt, sie formulieren Modelle die hervorragend das Verhalten von Personen in einer ganz spezifischen experimentellen Situation charakterisieren. Aber es ist oft nicht ganz klar, ob und wie diese Modelle auf andere Situationen übertragen werden können. Dieses Problems ist sich Klaus Oberauer sehr bewusst. Er hat daher mit Stephan Lewandowsky (2019) ein Rahmenmodell entwickelt, das es Forschenden ermöglicht, kognitive Prozessparameter aus Daten in vielen unterschiedlichen Arbeitsgedächtnisaufgaben zu schätzen und zu vergleichen.

Wenn Modellvorstellungen von anderen stark beachtet werden, dann bedeutet das in der Regel nicht bedingungslose Zustimmung. Auch Klaus Oberauers Modellvorstellungen konkurrieren mit anderen Modellen und regen zum Widerspruch an. Aber das Schöne daran, sich mit Klaus Oberauer zu streiten, ist, dass dies in einer zurückhaltenden und an empirischer Evidenz orientierten Weise geschieht.

Klaus Oberauers Spektrum geht weit über die Arbeitsgedächtnisforschung hinaus. Ein Beispiel ist sein Bemühen um die Verbesserung der Forschungslandschaft und ihrer Anreizstrukturen. Wie andere Wissenschaften hat die Psychologie damit zu kämpfen, dass sich manche ihrer Befunde als weniger robust oder allgemeingültig herausstellen als ursprünglich gedacht. Das hat zu der Einsicht geführt, dass mehr Energie in die Reproduzierbarkeit von Befunden gesteckt und nur reproduzierbare Befunde publiziert werden sollte. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber Klaus Oberauer hat darauf hingewiesen, dass wir in einer Welt mit begrenzten Ressourcen abwägen müssen, wie viele dieser begrenzten Ressourcen wir entweder für die absichernde Replikation bereits bekannter Beobachtungen investieren wollen, oder für die Möglichkeit aufwenden, ganz neuartige Beobachtungen machen zu können. In sehr sorgfältigen Modellierungen hat er gezeigt, dass das Streben nach maximaler Reproduzierbarkeit nicht unter allen Umständen dem Gesamtinteresse des Erkenntnisgewinns am besten dient.“

Fakten zum Oswald-Külpe-Preis

Oswald Külpe (1862-1915) gründete 1896 das Würzburger Psychologische Institut und ging als Vater der „Würzburger Schule der Denkpsychologie“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. Die Vertreter dieser Forschungsrichtung waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten, die höhere geistige Prozesse wie das Denken, Wollen und Urteilen experimentell untersuchten.

Zur Erinnerung an ihn vergibt das Institut seit 2005 den Oswald-Külpe-Preis im Turnus von zwei Jahren. Ins Leben gerufen wurde der Preis vom Würzburger Psychologie-Professor Fritz Strack: Er stiftete ihn durch eine Zuspende zur Sparkassenstiftung der Stadt Würzburg.

Bisherige Preisträger:innen

Die bisherigen Oswald-Külpe-Preisträger sind Asher Koriat (Universität Haifa, 2005), Richard E. Nisbett (University of Michigan, 2007), Michael Tomasello (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Leipzig, 2009), Wolfgang Prinz (Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig, 2011), Anke Ehlers (Universität Oxford, 2013), Norbert Schwarz (University of Michigan, 2015), Jan Born (Universität Tübingen, 2017), Paul van den Broek (Universität Leiden, 2019) und Jan De Houwer (Universität Gent, 2021).

Von Robert Emmerich

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