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Polizeiliche Einsatztrainings unter der Lupe

25.10.2016

Psychologinnen der Universität Würzburg haben die Ausbildung bayerischer Polizisten untersucht. Interessiert hat sie dabei in erster Linie die Frage, wie wirksam polizeiliche Einsatztrainings sind. Jetzt haben sie die Ergebnisse ihrer Studie den Verantwortlichen vorgestellt.

Ergebnispräsentation am 29. September 2016 im Institut für Psychologie mit (v.l.): Polizeirat Jochen Dietrich (Leiter des Fachbereichs Polizeiliches Einsatzverhalten, Bereitschaftspolizei Würzburg), Professor Tanja Bipp, Céline Bock, Annika Reller, Dr
Ergebnispräsentation am 29. September 2016 im Institut für Psychologie mit (v.l.): Polizeirat Jochen Dietrich (Leiter des Fachbereichs Polizeiliches Einsatzverhalten, Bereitschaftspolizei Würzburg), Professor Tanja Bipp, Céline Bock, Annika Reller, Dr. Andrea Beinicke und Polizeivizepräsident Alfons Schieder (Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei, Bamberg). (Foto: Dr. Albin Muff)

Freitagabend in einer ruhigen Vorortsiedlung: Eine Gruppe von Jugendlichen trifft sich auf einem Spielplatz, Bierflaschen kreisen, Musik dröhnt und nach kurzer Zeit explodieren Feuerwerkskörper. Es dauert nicht lange, bis sich die ersten Anwohner bei der Polizei über die nächtliche Ruhestörung beschweren. Die schickt eine Streife los mit dem Auftrag, den Lärm zu unterbinden und die Feier zu beenden. Keine leichte Aufgabe für die beiden Polizisten – jetzt sind das richtige Verhalten und das notwendige Fingerspitzengefühl gefragt, damit die Situation nicht eskaliert.

Rollentrainings sind zentraler Teil der Ausbildung

Wie sie sich in solchen Situationen, die später zu ihrem Berufsalltag gehören werden, richtig verhalten, üben angehende Polizisten im Laufe ihrer Ausbildung in speziellen Trainingssituationen. 127 solcher Rollentrainings durchlaufen sie in dieser Zeit – begleitet vom Unterricht in der dazu passenden Theorie. Wie wirksam diese Einsatztrainings sind und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt: Das haben Psychologinnen am Lehrstuhl für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie der Professorin Tanja Bipp in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Bereitschaftspolizei anhand ausgewählter Szenarien untersucht. Verantwortlich für die Studie war Dr. Andrea Beinicke; unterstützt wurde sie dabei von den Masterstudentinnen Annika Reller und Céline Bock.

In den Trainingsrunden der Polizeiausbildung sind die Rollen klar verteilt: Einer übernimmt die Rolle des aktiven Polizisten – im Fachjargon „Einschreitender Beamter“ genannt – während sein Kollege die Lage aufmerksam beobachtet und sichert; andere Auszubildende geben die ruhestörenden Jugendlichen. Die verbleibenden Auszubildenden aus der Kleingruppe beobachten das Geschehen.

Genauer Blick auf die Beteiligten

„Wir haben in diesem experimentellen Setting die Rollen aller Beteiligter – vom Handelnden bis zum Beobachter – betrachtet und den Lernerfolg untersucht“, schildert Andrea Beinicke die Vorgehensweise der Psychologinnen. Dafür haben sie allerdings zuvor das Setting im Vergleich zum bisherigen Training ein wenig verändert: Während die eine Gruppe von Polizeianwärtern das Rollentrainings nur beobachtete, waren andere Beobachter dazu angehalten, positive und negative Punkte zum Verhalten des Einschreitenden schriftlich zu notieren und ihm im Rahmen der Nachbesprechung ein Feedback zu geben.

Von ihnen selbst konzipierte Leistungstests zogen die Psychologinnen heran, um den Erfolg des vorangegangenen theoretischen Unterrichts zu kontrollieren. Einmal nach dem Unterricht, einmal nach dem Training und ein drittes Mal nach vier Wochen wurde bei den angehenden Polizisten mittels Multiple-Choice-Test deren Leistung bezüglich der jeweiligen Lerninhalte gemessen. Zusätzlich sollten sie ihre subjektive Meinung dazu äußern, beispielsweise wie hoch sie die Wirksamkeit der polizeilichen Einsatztrainings einschätzen oder wie zufrieden sie mit dem Training waren.

Die Ergebnisse der Studie

Das zentrale Ergebnis ihrer Studie fasst die Psychologin so zusammen: „Die Trainings sind sowohl auf objektiver als auch auf subjektiver Ebene wirksam. Die Unterschiede in den Leistungsdaten, vor und nach dem Training gemessen, sind sowohl im Fakten-, als auch im Anwendungswissen hoch signifikant.“ „Anwendungswissen“: Darunter ist in erster Linie das richtige Verhalten eines Polizisten in der jeweiligen Situation zu verstehen: Was ist zuerst zu tun? Worauf muss geachtet werden? Welche Dinge dürfen nicht vergessen werden?

Bei der Frage, welchen Einfluss die eingenommene Rolle im Training auf den Lernzuwachs hat, zeigen die Ergebnisse, dass „Unterschiede im Lernzuwachs zwar existieren, diese sich aber nicht signifikant voneinander unterscheiden“, so die Psychologin. Immerhin: Bezogen auf das Anwendungswissen, lernen Beobachter, die ein Feedback geben müssen, mehr – verglichen mit ihren Kollegen, die sich aufs reine Beobachten beschränken sollen. Und: Der „Einschreitende Beamte“ zeigt den größten Lernzuwachs in diesem Bereich. Was das Faktenwissen angeht, konnten die Wissenschaftlerinnen kaum Unterschiede zwischen den verschiedenen Akteuren im Rollentraining entdecken.

Hochsignifikante Zuwächse gab es bei der Frage nach der subjektiven Wirksamkeit der untersuchten polizeilichen Einsatztrainings: „Zufriedenheit, Selbstwirksamkeitserwartung, Nützlichkeit des Trainings, Transfererfolg und das Gefühl, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln, legten im Laufe des Befragungszeitraums deutlich zu“, erklärt Andrea Beinicke.

Verbesserungen sind möglich

Gute Ergebnisse also insgesamt für die Ausbildung bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Gibt es denn etwas, was die Psychologinnen verbessern würden? „Ja, das Training lässt sich schon noch optimieren“, sagt Andrea Beinicke. Beispielsweise könnten die einzelnen Trainingseinheiten noch mehr standardisiert und die Aufmerksamkeit der Beobachter noch mehr gelenkt werden – etwa durch den Auftrag, Fehler und zugleich positive Verhaltensweisen zu sammeln und Feedback zu geben. Zusätzlich ließen sich spezielle Lernschwerpunkte in einer Nachbesprechung vertiefen.

Die Evaluation von Trainings ist ein Forschungsschwerpunkt von Andrea Beinicke. Sie beschäftigt sich mit dem Lernen bei Erwachsenen, mit Weiterbildung und Trainings – egal ob webbasiert oder analog. Da gibt es ihrer Meinung nach noch viel zu tun: „Die Wissenschaft hat viele Erkenntnisse in diesem Bereich gesammelt. Allerdings fehlt es am Transfer in die Praxis.“ Diesen Brückenschlag zwischen Forschung und Anwendung zu forcieren, sieht sie als Teil ihrer Aufgabe.

Kontakt

Dr. Andrea Beinicke, Lehrstuhl für Psychologie II, Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie
T: (0931) 31-88834, andrea.beinicke@uni-wuerzburg.de

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