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Praxisnahes Prüfen in der Medizin

05.09.2023

Seit 2020 ist sie an der Uni Würzburg Teil des Medizinstudiums: die Objective Structured Clinical Examination, kurz OSCE. Dabei durchlaufen Studierende eine Parcoursprüfung aus Szenarien, die sie im ärztlichen Beruf erwarten.

Typischer Prüfungsaufbau bei der OSCE: Prüfer (li.) und „Patient“ erwarten die Prüflinge an einer der Stationen.
Typischer Prüfungsaufbau bei der OSCE: Prüfer (li.) und „Patient“ erwarten die Prüflinge an einer der Stationen. (Bild: UKW)

Die Anspannung war bei den Prüfungsteilnehmenden am 12. und 13. Juli deutlich spürbar. Alle 12 Minuten waren die Studierenden im zehnten Semester mit neuen Stationen und wechselnden klinischen Herausforderungen konfrontiert. Die Aufgaben erstreckten sich dabei von Chirurgie, Pädiatrie, Gynäkologie und Allgemeinmedizin über Innere Medizin bis hin zu Transfusions- und Notfallmedizin.

Absolviert wird der in doppelter Ausführung installierte Parcours parallel von bis zu 18 Studierenden in der Lehrklinik der Medizinischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Die Prüfung findet einmal pro Semester statt, im Sommersemester durchliefen sie 136 Teilnehmende.

Studiendekanin Professorin Sarah König erklärt, dass diese Art des standardisierten Prüfens schon seit 2009 an der Medizinischen Fakultät besteht. Neu ist nun die komplexe inhaltliche Umsetzung mit klinischen Szenarien und Schauspielpersonen. Dies sind Vorboten der neuen Approbationsordnung, die nach aktuellem Stand ab Oktober 2027 umgesetzt wird: „Als Fakultäten werden wir die sogenannte Reifeprüfung vor Eintritt in den letzten Ausbildungsabschnitt abnehmen. Mit der OSCE wird sichergestellt, dass die Studierenden über das anspruchsvolle Handwerkszeug verfügen“.

Sorgsam erarbeitete Szenarien

In den präsentierten Fällen steckt eine Menge Arbeit, wie Marc Appel weiß: „Die Planung mit Ausarbeitung und Organisation nimmt jedes Mal gut vier Monate in Anspruch, während zahlreiche Ärztinnen und Ärzte des Universitätsklinikums mit daran beteiligt sind“, so der Projektleiter und Koordinator für Digitalisierung am Zentrum für Studiengangsmanagement und -entwicklung.

Während später dann aber reale Kranke warten, haben es die Prüflinge beim OSCE zunächst mit Simulatoren und Schauspielpersonen zu tun. Bei einer Station muss etwa die Schnittwunde einer ungeduldigen Patientin genäht werden – natürlich nur am Silikonarm. Aber auch der besorgte Vater von Lukas möchte wissen, was seinem Sohn mit roten Flecken und Fieber fehlt. Hier ist die Kinderpuppe perfekt geschminkt.

In einem weiteren Zimmer wartet der Patient mit Gallenkolik und windet sich mit Oberbauchschmerzen. Er braucht möglichst bald passende Schmerzmittel. An anderer Stelle ist Teamwork gefragt: In der Notfallmedizin müssen zwei Prüflinge gleichzeitig, gemeinsam mit einer Pflegekraft, eine Reanimation durchführen. Eine schweißtreibende Aufgabe, die präzise Kommunikation erfordert.

Von dem Mehrwert der Prüfung ist auch Dr. Tobias Mühling, Leiter der Lehrklinik, überzeugt: „Der erfolgreiche Abschluss der Prüfung ist eine ideale Feuertaufe für die erwarteten Fähigkeiten im Praktischen Jahr. Dort werden die Studierenden in den Behandlungsteams am Universitätsklinikum und den Lehrkrankenhäusern ausgebildet.“

Virtuelle Patientin

Aus dem ohnehin ungewöhnlich breiten Aufgabenspektrum sticht eine Station besonders hervor: Eine junge Patientin kommt mit Bauchschmerzen ins Krankenhaus, zeigt nach kurzer Zeit zusätzlich Atembeschwerden und einen Ausschlag – so weit, so normal. Besonders ist aber nicht der Fall an sich, sondern dass es die Station in zweifacher Ausführung gibt. Eine Hälfte der Studierenden trifft auf eine Schauspielerin. Die andere Hälfte absolviert das gleiche Szenario in Virtual Reality. Dazu bekommen sie ein Brillendisplay aufgesetzt und Controller für die Steuerung in die Hand. Im Rahmen der begleitenden Ausbildungsforschung wird untersucht, ob beide Umsetzungsformen vergleichbar sind.

„Virtual Reality ist gerade in Sachen Standardisierung interessant für uns, weil so die Variable der Schauspielperson entfällt. Außerdem sind virtuelle Patientinnen und Patienten in der Lage, Symptome zu zeigen, die man nicht spielen kann,“ nennt Sarah König die Vorteile der Technik. Zukünftig sei es denkbar, weitere VR-Stationen in die OSCE einzubinden. Hier ist der erste Meilenstein dieser innovativen Entwicklung geschafft.

Prüfende am Tablet

Immer mit dabei sind die Prüfenden, die je eine Station besetzen, aufmerksam die Leistungen der Studierenden beobachten und die Bewertungen auf Checklisten mittels Tablet dokumentieren. Alles wird digital erfasst und über das Prüfungssystem „OSCEweb“ der Universität ausgewertet. Dies hat Alexander Hörnlein vom Rechenzentrum eigens für die spezifischen Anforderungen programmiert. Wie bei schriftlichen Prüfungen auch gibt es Bestehensgrenzen und Noten. „Die Prüfenden sind überwiegend habilitierte Ärztinnen und Ärzte, die von außerhalb kommen und uns im Rahmen ihrer Lehrverpflichtung bei der personalintensiven Arbeit unterstützen“, so König.

Hoher Aufwand, viel Ertrag

Die Umsetzung des Formats, gerade in der Würzburger Größenordnung, erfordert natürlich einiges an Ressourcen: „Von der Konzeption der Fälle über die ganzen beteiligten Personen vor Ort  – Prüfende, medizinisches Personal, studentische Hilfskräfte, Schauspielpersonen und mehr – bis hin zur Technik ist das natürlich sehr aufwändig“, weiß Sarah König. Mit den Ergebnissen und dem Feedback zeigt sich die Professorin sehr zufrieden. Das Format setze Anreize für die Studierenden, sich aktiv mit den praktischen und kommunikativen Aufgaben auseinanderzusetzen –  vor allem bei Themen, die sie selbst oft als schwierig einschätzen. Gerade dort sehe man oft die besten Ergebnisse. Sarah König ist überzeugt: „Prüfen stimuliert Lernen.“

Von Lutz Ziegler

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