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Protein-Kick stärkt Babys Darm

15.10.2024

Der Mangel an einem bestimmten Protein bei Neugeborenen kann zu einer chronischen Darmentzündung führen. Das zeigt eine neue Studie der Würzburger Universitätsmedizin. Der Erkrankung kann aber leicht vorgebeugt werden.

Immunfluoreszenzfärbung eines Mausdarms. Gefärbt wurden Makrophagen (grün) und S100A8/A9 (rot).
Immunfluoreszenzfärbung eines Mausdarms. Gefärbt wurden Makrophagen (grün) und S100A8/A9 (rot). (Bild: Julia Heckmann / UKW)

Weltweit leiden Millionen von Kindern an Mangelernährung und den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen. Dazu gehört auch die sogenannte umweltbedingte Enteropathie. Diese Krankheit führt zu einer verminderten Aufnahmefähigkeit des Darms für Nährstoffe. Damit geht eine zusätzliche Verstärkung der Mangelernährung einher.

Bisher wurde angenommen, dass diese chronische Darmentzündung durch unhygienische Lebensbedingungen, die häufige Aufnahme von Krankheitserregern und ein ungünstiges Darmmikrobiom verursacht wird. Eine jetzt veröffentlichte Studie identifiziert andere Auslöser.

Professorin Dorothee Viemann, Leiterin der Translationalen Pädiatrie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), hat mit ihrem Team und einer Schweizer Forschergruppe vom Institut für Biomedizinische Forschung der Universität della Svizzera Italiana untersucht, welchen Einfluss eine mütterliche Mangelernährung auf die Gesundheit des Kindes hat. Insbesondere beobachteten sie die Folgen auf die Darmentwicklung der Neugeborenen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Körpereigene Proteine in hohen Mengen in der Muttermilch

„Wir konnten im Mausmodell zeigen, dass eine Mangelernährung der Mutter ausreicht, um beim Neugeborenen schon während der Stillzeit eine Darmentzündung auszulösen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die körpereigenen Proteine S100A8/A9“, so die Erstautorin Julia Heckmann. Diese kämen in der Muttermilch in großen Mengen vor, seien aber bei Mangelernährung der Mutter deutlich reduziert.

Heckmann hatte bereits ihre Masterarbeit in Biomedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover bei Viemann geschrieben. Vor drei Jahren sind beide an das Uniklinikum Würzburg gewechselt. In ihrer Doktorarbeit beschäftigt sich Heckmann mit den Proteinen der S100-Familie und ihrer ambivalenten Funktion. Denn die so genannten Alarmin-Proteine, die bei Stress oder Zellschäden als Gefahrensignal freigesetzt werden, tragen dazu bei, entzündungsfördernde Prozesse sowohl zu regulieren als auch zu verstärken.

Alarmine beeinflussen die Darmflora und das Immunsystem

Viemann beschrieb bereits während ihrer Tätigkeit in Hannover die Rolle von S100-Alarminen in der Regulation der körpereigenen Abwehr von Neugeborenen. Diese sorgen dafür, dass das Immunsystem von Säuglingen in den Monaten nach der Geburt zunächst ganz bewusst mit angezogener Handbremse läuft. Das hat mehrere Vorteile: Zum einen würden sich die körpereigenen Abwehrtruppen nicht in unzählige Scharmützel mit neuen Bakterien und Fremdkörpern verwickeln lassen. Dabei können lebensgefährliche Entzündungsreaktionen entstehen. Zum anderen könne sich der Darm mit bestimmten Bakterien besiedeln und das sogenannte Mikrobiom bilden.

„Kindern, die nach der Geburt zu wenig dieser Alarmin-Proteine bilden, fehlt diese Handbremse, weshalb sie ein massiv erhöhtes Risiko für schwere Infektionsverläufe haben. Vor allem bei Frühgeborenen, denen es an S100A8/A9 mangelt, ist das Sepsisrisiko deutlich erhöht“, so Viemann. Gemeinsam mit Professor Christoph Härtel, Direktor der Universitäts-Kinderklinik, untersucht sie im Forschungsprojekt Prevention of Sepsis by personalized nutritional S100A8/A9 supplementation to vulnerable neonates (PROSPER), ob eine Nahrungsergänzung mit S100A8/A9 Frühgeborene mit niedrigen Alarmin-Spiegeln vor einer Sepsis schützt.

Mehr als zehn Prozent der kindlichen Todesfälle sind auf Darminfektionen zurückzuführen

Doch auch bei Reifgeborenen kann ein Mangel an S100A8/A9 zu chronischen Darmentzündungen und zu einer ungünstigen Keimbesiedlung des Darms führen, wenn nicht genügend dieser Alarmine in der Muttermilch vorhanden sind. Dazu kann es kommen, wenn die Mütter unterernährt oder fehlernährt sind.

Am häufigsten trete die Protein-Energie-Mangelernährung als Form der Unterernährung auf. Sie führe bei Kindern zu Wachstumsstörungen. Sie mache auch besonders anfällig für Infektionen. Dies gelte insbesondere für Darminfektionen, die für mehr als zehn Prozent der Todesfälle bei Kindern verantwortlich sind.

Einmalige Proteingabe schützt Neugeborene vor Darmentzündungen

Die Studie wurde von der Bill & Melinda Gates Foundation und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Wissenschaftlerinnen legen darin den Fokus auf die Stillzeit. Diese sei in der Erforschung umweltbedingter Enteropathien bislang kaum beachtet worden. Dabei ist inzwischen bekannt, dass zu wenige S100A8/A9-Proteine in der Muttermilch mangelernährter Mütter legen den Grundstein für eine lebenslang erhöhte Empfänglichkeit für überschießende Darmentzündungen.

„Unsere aufregendste Entdeckung war, dass eine einmalige Gabe von S100A8 an Neugeborene eine gesunde Darmentwicklung sicherstellt - und zwar lebenslang“, so Heckmann. Eine Nahrungsergänzung mit dem Protein könnte daher eine vielversprechende Behandlungsmöglichkeit darstellen. Sie schütze die kindliche Darmentwicklung bei reduzierten S100A8/A9-Spiegeln in der Muttermilch oder auch generell bei reduzierter oder fehlender Muttermilchzufuhr. „Milchersatzprodukte enthalten kein S100A8/A9, sollten aber aufgrund unserer Ergebnisse dringend in Betracht gezogen werden“, rät Viemann.

Präklinische Studie untersucht Nahrungsergänzung mit S100A8/A9

Ob sich diese Erkenntnisse vom Mausmodell auf den Menschen übertragen lassen, wie wirksam und sicher die Nahrungsergänzung ist und welche Dosierung geeignet ist, untersucht das Team bereits in einer neuen Studie. Diese wird vom BMBF gefördert. „In der präklinischen Studie wollen wir die Wirkung der Nahrungsergänzung mit S100A8/A9 auf Erkrankungen und das Darmmikrobiom testen, mögliche Nebenwirkungen aufdecken und Dosisempfehlungen für eine klinische Studie geben“, so Viemann.

Nachdem das Team den Effekt von S100A8/A9 auf das Immunsystem von Neugeborenen untersucht hat, will es herausfinden, wie die Alarmine auf die Epithelzellen der Darmschleimhaut wirken. Diese bilden die erste Zellschicht im Darm, mit der S100A8/A9 aus der Muttermilch in Kontakt kommt.

Publikation

Perruzza, L., Heckmann, J., Rezzonico Jost, T. et al. Postnatal supplementation with alarmins S100a8/a9 ameliorates malnutrition-induced neonate enteropathy in mice. Nat Commun 15, 8623 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-52829-x

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Von Pressestelle UKW

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