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Harnwegsinfekt: Wärmflasche oder Antibiotikum?

14.11.2023

Bei unkomplizierten Harnwegsinfekten die Therapie und Medikamentenverordnung in allgemeinmedizinischen Praxen optimieren: Darauf zielte ein Interventionsprogramm ab – und hatte Erfolg.

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Wärmflasche oder Antibiotikum? Die Studie RedAres hat gezeigt, dass ein Interventionsprogramm das Verschreibungsverhalten beim unkomplizierten Harnwegsinfekt verbessern kann. (Bild: Christoph Müller)

Fast jede Frau macht es mindestens einmal im Leben durch: Brennen beim Wasserlassen und ständiger Harndrang. Die typischen Symptome eines Harnwegsinfekts. Sie gehören zu den häufigsten Anlässen für eine hausärztliche Konsultation.

Die meisten dieser bakteriellen Blasenentzündungen sind harmlos. Bis zu zwei Drittel der sogenannten unkomplizierten Harnwegsinfekte können mit Wärme, Ruhe und viel Trinken nach einer Woche ausheilen. In manchen Fällen muss ein Antibiotikum gegeben werden. Doch hier kommt es auf das richtige an.

Mit leitliniengerechter Verschreibung Wirksamkeit von Antibiotika erhalten

Es sollte immer erst ein in den Leitlinien festgelegtes Mittel der ersten Wahl angewendet werden. Dieses geht die Erreger gezielt an und hat weniger Nebenwirkungen als ein sogenanntes Reserveantibiotikum, das zwar eine breite Palette an Bakterien bekämpft, aber entsprechend Resistenzen hervorruft. Dadurch besteht die Gefahr, dass Reservemittel bei schweren Infekten nicht mehr wirksam sind.

„Doch trotz ausdrücklicher Empfehlungen für Erstlinien-Antibiotika machen Breitband-Antibiotika wie Fluorchinolone immer noch einen großen Anteil der verordneten Antibiotika für Frauen mit Harnwegsinfektionen in Deutschland aus“, sagt Alexandra Greser.

Die Allgemeinärztin hat unter der Leitung von Professorin Ildikó Gágyor am Institut für Allgemeinmedizin des Uniklinikums Würzburg (UKW) das Projekt „RedAres – Reduktion von Antibiotikaresistenzen“ koordiniert: Mit einem Interventionsprogramm wurden Hausärztinnen und Hausärzte bei der Behandlung von Patientinnen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt unterstützt.

Die zwölfmonatige Intervention hatte Erfolg: Es wurden häufiger die in der Leitlinie empfohlenen Antibiotika verschrieben. Und: Insgesamt wurden weniger Antibiotika verordnet. Die Ergebnisse hat das Studienteam im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht.

Die drei Komponenten des Programms

Das Interventionsprogramm bestand aus drei Komponenten. Zunächst erhielten die Interventionspraxen regionale Resistenzdaten von den wichtigsten Keimen. „Darauf sind wir besonders stolz“, sagt Ildikó Gágyor. „Das Robert Koch Institut (RKI) hat als Teilprojekt regionale Resistenzdaten ermittelt, sodass die teilnehmenden Praxen in den verschiedenen Bundesländern auf einen Blick sehen konnten, welche Antibiotika, die in den Leitlinien empfohlen werden, eine geringe Resistenzrate haben. Das Besondere: In die Resistenzprüfung des RKI wurden ausschließlich Urinproben von unkomplizierten Blasenentzündungen einbezogen. Bisher gab es immer nur Mischbilder, in denen auch komplizierte Harnwegsinfekte bis hin zu Nierenbeckenentzündungen berücksichtig wurden.“

Neben den Resistenzdaten wurde den Interventionspraxen als zweite Komponente komprimiertes Informationsmaterial sowie Flyer für Patientinnen in fünf Sprachen zur Verfügung gestellt.

Das dritte Modul umfasste individuelles Feedback zur Verordnungspraxis nach jedem Quartal, Telefonberatungen und ein Benchmarking, also der regelmäßige Vergleich der individuellen Verordnungsdaten mit denen anderer Praxen.

Fachangestellte aus 128 Praxen erhoben 10.323 Fälle

An der durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Studie RedAres beteiligten sich 128 Praxen aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg und Thüringen.

Das Uniklinikum Würzburg hatte mit 43 Studienpraxen den größten Anteil. Außerdem rekrutierten die Institute für Allgemeinmedizin der Unikliniken in Freiburg und Jena sowie die Charité in Berlin. Die Universität Bremen war ebenfalls ein wichtiger Projektpartner und zeichnete für die Pilotierung verantwortlich.

In die finale Analyse, die vom Institut für klinische Epidemiologie und Biometrie der Universität Würzburg durchgeführt wurde, flossen die Daten von 110 Praxen ein. Davon nahmen 57 an der Intervention teil, 53 waren in der Kontrollgruppe. Insgesamt konnten 10.323 Fälle in anonymisierter Form aggregiert werden.

„Hier gilt ein großer Dank den Medizinischen Fachangestellten, die für uns per Hand die Daten erhoben haben“, lobt Ildikó Gágyor. „Ohne sie wäre die Studie in diesem Ausmaß gar nicht möglich gewesen, geschweige denn unser Erkenntnisgewinn.“

Verordnung von Zweitwahl-Antibiotika reduziert

Die Auswertung hat gezeigt, dass eine komplexe Intervention die Verordnung von Zweitwahl-Antibiotika beim unkomplizierten Harnwegsinfekt um 13 Prozentpunkte reduziert. „Damit haben wir unseren anfangs formulierten Endpunkt um 3 Prozentpunkte übertroffen“, kommentiert Ildikó Gágyor. „Zudem haben wir weniger wiederkehrende Harnwegsinfektionen in der Interventionsgruppe verzeichnet als in der Kontrollgruppe, in der möglicherweise aufgrund einer erhöhten Verschreibung von Breitbandantibiotika mehr Resistenzen und entsprechend mehr Rezidive entstanden sind.“

Interventionsmodule in der täglichen Routine anwendbar

Was bedeuten die Ergebnisse für die Routineversorgung? Eine einfache Intervention ließe sich gut in die tägliche Routine integrieren, zum Beispiel indem die regionalen Resistenzdaten bei der Antibiotika-Verordnung einbezogen werden, meint Alexandra Greser. Oder die Behandelnden erhalten jedes Quartal eine automatisierte Auswertung der Verschreibungsdaten.

„Wir haben in der Studie gelernt, dass die Ärztinnen und Ärzte es durchaus hilfreich fanden, regelmäßig Rückmeldungen zum Verordnungsverhalten zu erhalten, so Professorin Jutta Bleidorn vom Uniklinikum Jena. Aus früheren Studien ist bekannt, dass Feedback zum eigenen Verordnungsverhalten relevant ist, um Verordnungsverhalten zu verändern oder positiv zu bestätigen.

Im Rahmen der Prozessevaluation schätzten die beteiligten Hausärztinnen und Hausärzte die Interventionsmodule mehrheitlich als nützlich und in der täglichen Routine anwendbar ein. Schlussendlich gilt es auch die Patientinnen zu informieren und zu sensibilisieren, was symptomatische Behandlungsmöglichkeiten mit ausreichend Trinken und gegebenenfalls mit Schmerzmitteln oder pflanzlichen Mitteln betrifft, aber auch welche Antibiotika der ersten Wahl für sie in Frage kommen.


Publikation

Schmiemann G, Greser A, Maun A, Bleidorn J, Schuster A, Miljukov O et al. Effects of a multimodal intervention in primary care to reduce second line antibiotic prescriptions for urinary tract infections in women: parallel, cluster randomised, controlled trial. British Medical Journal, 2. November 2023; doi:10.1136/bmj-2023-076305

Weblink

Studienwebseite: www.redares.de

Von Pressestelle Universitätsklinikum Würzburg

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