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Schuld und Vergebung in Musik und Malerei

21.05.2024

Erneut gehen das Martin von Wagner Museum und das Mozartfest Würzburg eine Kooperation ein. Der Anlass könnte kaum passender sein.

Die dramatischen Akzente fehlen nicht im Requiem-Zyklus von Thomas Grochowiak: Das Gemälde Dies irae ist der Situation angemessen – immerhin löst die Zeit sich auf.
Die dramatischen Akzente fehlen nicht im Requiem-Zyklus von Thomas Grochowiak: Das Gemälde Dies irae ist der Situation angemessen – immerhin löst die Zeit sich auf. (Bild: André Mischke / Martin von Wagner Museum)

2021, zum 100-jährigen Bestehen des Mozartfests Würzburg, kam es zur ersten großen Zusammenarbeit zwischen dem renommierten Festival und dem Würzburger Universitätsmuseum. „IMAGINE MOZART | Mozart Bilder“ hieß die ambitionierte Ausstellung, die in nie gesehener Fülle den mannigfachen Verbindungen zwischen dem Komponisten und seiner Rezeption in den Bildkünsten nachging.

Im Jahr darauf bildete die Enthüllung einer bedeutenden Neuerwerbung des Martin von Wagner Museums, einer zweiten Fassung der klassizistischen Skulptur Ariadne auf dem Panther von Johann Heinrich Dannecker, den Auftakt für die Aufführung des spätbarocken Duodrams Ariadne auf Naxos im Kaisersaal der Würzburger Residenz. 2023 bestand die Kooperation zwischen Museum und Mozartfest in einem spritzigen „Kunst-Musik-Dialog“, als „Vorprogramm“ zur Inszenierung der selten gespielten Oper Der Stein der Weisen.

Mozarts Requiem – undarstellbar?

An einem ungleich höheren Gegenstand konkretisiert sich die diesjährige Kooperation: dem Requiem, Mozarts letzter und vielleicht ergreifendster Komposition. Sie scheint lange als undarstellbar gegolten zu haben. Zumindest haben es Künstlerinnen und Künstler 200 Jahre lang nicht gewagt, sich diesem Stoff mit bildlichen Mitteln zu nähern.

Der einzige, der es schließlich doch versucht hat, war Thomas Grochowiak. Sein Requiem-Zyklus, begonnen im Mozartjahr 1991 und vollendet zur Jahrtausendwende, ist daher ein absolut einzigartiges Werk. Nun wird es, parallel zum Mozartfest, unter dem Titel „LUX PERPETUA“ gezeigt, zum ersten Mal separat vom übrigen Œuvre des Künstlers.

„In der großen Ausstellung von 2021 war bereits ein Gemälde aus dieser Bildfolge zu sehen“, erinnert sich Professor Damian Dombrowski, der die Neuere Abteilung des Martin von Wagner Museums leitet. „Das Gastspiel dieses einen Bildes hat einen außergewöhnlichen Eindruck hinterlassen – jede Führung kam hier zum Halten.“

Warum die Kooperation mit dem Mozartfest so passend ist

So sei der Plan entstanden, alle vierzehn großformatigen Gemälde nach Würzburg zu holen – aus gegebenem Anlass: Der thematische Rahmen des Mozartfests 2024 lautet „Schuld und Vergebung“; dem Requiem, in dem sich dieses Motto wie nirgendwo sonst verdichtet, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Somit wird die Ausstellung zur „fantastischen Ergänzung unseres musikalischen und interdisziplinären Programms“, wie die Pressesprecherin des Mozartfests Beate Kröhnert es ausdrückt.

„Auch die Intendantin des Mozartfests Evelyn Meining war sofort Feuer und Flamme für das Projekt“, schwärmt Dombrowski von der fortgesetzten Zusammenarbeit. Für 2025 ist schon das nächste Gemeinschaftsprojekt in Planung. „Dieses gemeinsame Bemühen um die Begegnung von Tonkunst und Bildkunst hat sich zu einem Alleinstellungsmerkmal entwickelt, sowohl für unser Museum als auch für das Musikfestival.“

Abkehr vom „dogmatischen“ Informel

Thomas Grochowiak (1914–2012) gehörte zu den profiliertesten Erscheinungen der deutschen Nachkriegsmoderne. Sein malerisches Werk lebt von einem sehr innigen Verhältnis zur Musik, besonders zu den Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts. Von ihnen ließ er sich zu allen Zeiten seines langen Malerlebens anregen, und zwar ganz unmittelbar von dessen Musik – ohne ikonographische Umwege sozusagen.

Grochowiaks Vorgehensweise war von Intuition und Spontaneität geprägt, wie es der Kunst des Informel entsprach, der er sich um 1950 begeistert anschloss. Doch bei aller Impulsivität und Vehemenz des malerischen Vortrags bildet der Requiem-Zyklus einen Sonderfall in seinem Oeuvre.

„Nur hier nahm Grochowiak sich keine rein instrumentale Komposition, sondern ein vokalmusikalisches Werk vor“, begründet Dombrowski die Abweichung im künstlerischen Ausdruck. „Folglich reagierte er nicht nur auf die musikalische Durchformung, sondern auch auf die textliche Grundlage.“

Mozart als Vorlagen und Aufgabe

Bei der reinen Abstraktion konnte es deshalb nicht bleiben, meint Dombrowski. Die sehr konkreten Inhalte des Requiems – eigentlich eine gottesdienstliche Handlung, in deren Rahmen für das Seelenheil der Verstorbenen gebetet wird – hätten zu einer Rückkehr einer, wenn auch vagen Gegenständlichkeit geführt.

Auch Bildaufbau und Farbigkeit würden mit Bedeutungen aufgeladen, die ihren Ursprung in den liturgischen Texten hätten, so Dombrowski weiter: „Der Zyklus kann nur mit Mühe als ‚informelle‘ Malerei gelten. Hier war Mozart für Grochowiak einmal nicht nur Anregung, sondern Vorlage und Aufgabe.“

Seine genaue Werkkenntnis hätte ihn aus dem Requiem vor allem die tröstlichen Seiten heraushören lassen. Um dies zu erkennen, habe es einer eingehenden Analyse der einzelnen Bilder bedurft, die sich im Ausstellungskatalog niedergeschlagen hat. Es ist die erste kunsthistorische Auseinandersetzung mit dem Zyklus.

Ein neuer „Kunst-Musik-Dialog“

Begleitend zur Ausstellung ist der Toscanasaal am Samstag, 15. Juni Schauplatz für eine Neuauflage der „Kunst-Musik-Dialoge“. Dieses seit Jahren überaus beliebte Stegreif-Format besteht darin, dass Museumsdirektor Dombrowski und Professor Ulrich Konrad vom Institut für Musikforschung über Kunstwerke mit Musikbezug kontrovers diskutieren und sich gegenseitig die Grenzen der musikwissenschaftlichen und kunsthistorischen Methoden aufzeigen – sehr unterhaltsam, sehr lehrreich. Beginn ist um 11.00 Uhr.

Nun sollen die Besucherinnen und Besucher erst einmal in Grochowiaks vierzehn Gemälde so eintauchen wie die Mozartfestgäste in die Musik der Konzerte. Mit „LUX PERPETUA“ wartet in der „Kleinen Galerie“ ein immersives Erlebnis. In seiner suggestiven Wirkung wird es unterstützt von den Klängen des Requiems, das in geringer Lautstärke die Bildbetrachtung begleiten und vertiefen wird.

Öffnungszeiten

LUX PERPETUA | Der Gemäldezyklus zu Mozarts »Requiem« von Thomas Grochowiak. Vom 29. Mai bis 14. Juli 2024 in der Kleinen Galerie des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg (Südflügel der Residenz, 2. Stock). Eröffnung am 28. Mai um 17.30 Uhr (Anmeldung erforderlich unter mvw-museum@uni-wuerzburg.de).

Öffnungszeiten: Di–Sa 13.30–17 Uhr und So 10–13.30 Uhr sowie Sonderöffnung bis 19 Uhr vor Konzerten im Kaisersaal (30.05., 06.06., 12.06., 13.06., 14.06., 15.06., 18.06., 22.06.). Eintritt: 3 Euro, Inhaber/innen von Mozartfest-Konzertkarten frei. Katalog (76 Seiten mit 32 farbigen Abbildungen): 7 Euro.

Kunst-Musik-Dialog mit Professor Ulrich Konrad und Professor Damian Dombrowski: 15. Juni, 11 Uhr, im Toscanasaal der Residenz, Eintritt frei.

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Von Pressestelle JMU

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