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Wertevermittlung und Sensibilisierung gegen Rassismus

02.07.2024

Rassistische und antisemitische Vorfälle machen auch vor Schulen nicht halt. Eine Podiumsdiskussion an der Uni Würzburg hat sich jetzt mit diesem Thema beschäftigt. Dabei kam auch die Rolle der Universitäten zur Sprache.

Auf dem Podium im Toscanasaal saßen (v.l.) Frederek Musall, Doron Kiesel, Jürgen Gläser, Maria Eisenmann und Winfried Gintschel.
Auf dem Podium im Toscanasaal saßen (v.l.) Frederek Musall, Doron Kiesel, Jürgen Gläser, Maria Eisenmann und Winfried Gintschel. (Bild: Angelika Füting-Lippert)

„Umgang mit Rassismus und Antisemitismus an Schulen“: Unter dieser Überschrift stand eine Podiumsdiskussion, zu der die Professional School of Education (PSE) der Universität Würzburg Mitte Juni in den Toscanasaal eingeladen hatte.

Moderiert von Jürgen Gläser (Bayerischer Rundfunk) diskutierten Maria Eisenmann, Inhaberin des Lehrstuhls für Fachdidaktik - Moderne Fremdsprachen mit Schwerpunkt Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Universität Würzburg, Winfried Gintschel, Rektor der Mittelschule Heuchelhof in Würzburg, Professor Doron Kiesel, wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden, und Frederek Musall, Professor für jüdische Studien an der Uni Würzburg.

Ein komplexes Thema

Die vielfältige Zusammensetzung der Podiumsteilnehmenden spiegelte sich auch in der Diskussion wider. Dabei zeigte sich deutlich, welche Komplexität der Umgang mit beziehungsweise die Verhinderung von Antisemitismus und Rassismus an Universitäten und in Schulen aufweist.

Doron Kiesel und Frederek Musall veranschaulichten, welche Tragweite der Überfall der Hamas und die nachfolgenden Auseinandersetzungen für sie, aber auch für jüdische Studierende bedeutet. Von dem Wahlerfolg der AfD vor allem in Ostdeutschland zeigte sich Frederek Musall nicht überrascht. Er befürchtet jedoch, dass diese Erfolge Ressentiments gegen Migrantinnen und Migranten, Jüdinnen und Juden weiter anheizen.

Doron Kiesel verwies auf die Komplexität des Nahost-Konflikts und die mangelnde Kenntnis auch Studierender darüber. Beide Vertreter und Wissenschaftler des jüdischen Glaubens betonten, dass von der Gesellschaft nicht erwartet werde, das Judentum in Gänze zu durchdringen. Eine gewisse Sensibilität und Toleranz im Umgang mit Juden und Jüdinnen sei dennoch wünschenswert. An diesem Punkt könnten Schule und Universität ansetzen und eventuell auch im Rahmen einer Wertevermittlung diese Thematik angemessen behandeln und damit ein friedliches Miteinander vorbereiten.

An den Haltungen arbeiten

Bestätigt wurde dies von Winfried Gintschel, der eine Schule leitet, an der Kinder und Jugendlich aus 43 Nationen den Unterricht besuchen. Dementsprechend liege der Migrationsanteil in den einzelnen Klassen zwischen 60 und 90 Prozent. Gintschel sprach sich dafür aus, Schülerinnen und Schülern sowie ihren Lehrerinnen und Lehrern keinen Extra-Kurs über die Geschichte des Nahost-Konflikts zu erteilen. Seiner Meinung nach sei es wichtiger, an den Haltungen zu arbeiten. Als Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung nannte er die „gelben Engel“, eine Art Scouts beziehungsweise Streitschlichter, die bei Konflikten stets ansprechbar seien und Hilfe anbieten.

Gintschel zeigte sich überzeugt davon, dass sich die Mittelschule Würzburg-Heuchelhof mit ihrem Wissen über sowohl jüdische als auch andere Kulturen und einen gerechten und sensiblen Umgang mit den verschiedenen Nationalitäten den Herausforderungen einer globalen Gesellschaft stellt. Nicht ohne Grund trage sie die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“.

Seine Antwort auf eine Frage aus dem Publikum, wie die Schule mit traumatisierten Schülerinnen und Schülern beispielsweise aus der Ukraine umgeht, verknüpfte Gintschel mit der Forderung an die Politik, das Netz der Schulpsychologen weiter auszubauen und vor allem personell aufzustocken.

Auch Universitäten stehen in der Pflicht

Anknüpfend an die Wertevermittlung und Sensibilisierung in der Schule stehen auch die Universitäten in der Pflicht, diese fortzusetzen und zu erweitern. Wie das bisher schon gelingt, beschrieb Maria Eisenmann. Sie ging speziell auf den Umgang mit Rassismus im Englischunterricht ein und erläuterte am Beispiel ihres Forschungsprojekts, wie an den Einstellungen und Stereotypen gearbeitet werden kann.

In dem Projekt schlüpfen Studierende in einem virtuellen Umfeld in die Rolle eines Menschen mit anderer Hautfarbe oder anderer Herkunft. Dabei können sie typische länderspezifische Gegenstände zum Mittelpunkt einer interkulturellen Kommunikation werden lassen.

Neben der Englischdidaktik eignen sich nach Eisenmanns Ansicht viele Fächer dafür, das Thema „Rassismus“ aufzugreifen – beispielsweise die Sprachwissenschaft, die Ethik- und Religionslehre, die Literaturwissenschaft oder die Geografie. Schon jetzt gebe es an der Universität Würzburg viele Angebote, die vorwiegend freiwilliger Art sind. Beim weiteren Ausbau könne die PSE als zentrale Einrichtung für die Lehrpersonenbildung eine wichtige Koordinationsaufgabe einnehmen.

Eine fundierte Vorbereitung ist wichtig

Insgesamt war sich die Diskussionsrunde darin einig, dass in der Schule und in der Lehrpersonenbildung dem Thema mehr Raum eingeräumt werden müsse, um Vorbehalte abzubauen und Toleranz und Wissen zu schaffen. Ein lebendiger Austausch über Erfahrungen auf allen Ebenen sowie eine fundierte Vorbereitung angehender Lehrerinnen und Lehrer seien wichtig, um Haltungen zu entwickeln, die gegen Rassismus und Antisemitismus in Schulen und Universitäten einstehen.

Das Interesse an der Podiumsdiskussion war groß: Der Einladung gefolgt waren zahlreiche Studierende, der Ehrensenator der Universität Professor Walter Eykmann, der Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Unterfranken Dr. Robert Christoph und die Schulamtsdirektorin Dr. Ruth Klawitter.

Von Angelika Füting-Lippert / PSE

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