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Demokratiedämmerung? Sonja Grimm analysiert politische Transformationen

26.03.2024

Sonja Grimm leitet seit dem Wintersemester 2023/24 den Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Europaforschung der Universität Würzburg. Der Konflikt zwischen Demokratie und Autokratie ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte.

Sonja Grimm ist Politikwissenschaftlerin. Sie erforscht unter anderem, wie sich autoritäre System in EU-Nachbarstaaten einer Demokratisierung entgegensetzen.
Sonja Grimm ist Politikwissenschaftlerin. Sie erforscht unter anderem, wie sich autoritäre System in EU-Nachbarstaaten einer Demokratisierung entgegensetzen. (Bild: Benjamin Westhoff (Porträt) / Daniel Peter (Hintergrund))

An dem Tag, an dem das Interview mit Sonja Grimm stattfindet, titeln viele deutsche Medien mit der Schlagzeile „In immer mehr Schwellenländern erodiert die Demokratie“, weshalb der SPIEGEL fragt: „Stirbt die Demokratie?“. Eine Frage, die man gerne an die Politikwissenschaftlerin weiterreicht. Ihre Antwort ist weder ein klares Ja noch ein klares Nein.

Sonja Grimm ist Expertin für Internationale Beziehungen und Europaforschung; seit dem 1. Oktober 2023 leitet sie den gleichnamigen Lehrstuhl an der Universität Würzburg. Der Stand der Demokratisierung in Postkonflikt-, Entwicklungs- und Schwellenländern bildet einen ihrer Forschungsschwerpunkte. Darüber hinaus geht sie der Frage nach, welche Wirkung Programme der EU haben, die in benachbarten Ländern die Demokratie stärken sollen, und – wenn sie dies nicht tun – warum das so ist.

Es sieht nicht gut aus für die Demokratie

Als Wissenschaftlerin müsse sie die „plakative Frage“ des SPIEGEL-Reporters differenziert beantworten, sagt Sonja Grimm. Auf der einen Seite sei tatsächlich seit ein paar Jahren der klare Trend zu beobachten, dass weltweit Demokratien sowohl quantitativ als auch qualitativ zurückgehen. Mittlerweile lebe die Mehrheit der Menschheit in autokratisch regierten Staaten. Auf der anderen Seite gebe es aber auch Verbesserungen, wie beispielsweise in Polen, wo vor wenigen Monaten Donald Tusk zum neuen Ministerpräsidenten vereidigt wurde.

Trotzdem sieht es nicht gut aus für die Demokratie: „Wir müssen feststellen, dass immer häufiger sogar in Ländern, die sich traditionell darum bemühen, demokratische Entwicklungen in anderen Staaten zu unterstützen, die Demokratie in der Kritik steht“, sagt die Politikwissenschaftlerin. Bestes Beispiel dafür seien die USA, wo Donald Trump daran arbeitet, demokratische Strukturen von innen zu untergraben.

Demokratiestudien in 23 Nachbarstaaten der EU

Beispiele für die schwierige Lage der Demokratie finden sich allerdings auch in Europa. Sonja Grimm ist wissenschaftliche Leiterin und Co-Koordinatorin des internationalen Forschungskonsortiums EMBRACE, das von der Europäischen Kommission finanziert wird. Die beteiligten 14 Forschungsgruppen untersuchen in insgesamt 23 Nachbarstaaten der EU, unter welchem Druck demokratische Institutionen dort stehen und wie sich deren autoritäre System einer Demokratisierung entgegensetzen. Ihr Blick reicht dabei von der Ukraine über die Westbalkanländer bis nach Tunesien und Algerien.

Gleichzeitig gehen die Teams der Frage nach, welchen Effekt EU-Programme zur Demokratieförderung in diesen Ländern haben. „Politik der EU ist es, in benachbarten Ländern stabile demokratische Systeme zu etablieren“, sagt Grimm. Häufig werden deshalb finanzielle Hilfen im Austausch gegen Reformen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung versprochen. Der Erfolg hält sich bisweilen in Grenzen: „Autokratien sind häufig sehr resilient“. Ziel des Forschungsprojekts sei es deshalb zu erklären, warum diese „autokratische Resilienz“ so stark ist, und aufzuzeigen, wie die EU diesen Widerstand überwinden kann.

Ähnlichen Fragen geht das Forschungsnetzwerk External Democracy Promotion nach, zu dessen Gründungsmitgliedern Sonja Grimm zählt. Das Netzwerk bringt Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Europa zusammen und erforscht die Politiken und Ergebnisse internationaler Demokratieförderung.

Zur Person

Sonja Grimm hat an der Universität Heidelberg Politikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Anschließend ist sie nach Berlin gewechselt, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) forschte. Ihre Promotion erfolgte 2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Es folgten Stationen als Gastforscherin und Gastdozentin an den Universitäten Oxford, Belgrad, Göteborg, Prag, Luzern und Neukaledonien sowie Vertretungsprofessuren an den Universitäten Basel, Göttingen, Mannheim, Konstanz und Würzburg. Zuletzt war Grimm Privatdozentin am Fachbereich Politik und Verwaltung der Universität Konstanz, wo sie 2018 ihre Habilitation abschloss.

Die Uni Würzburg: ein verstecktes Juwel

Die Universität Würzburg, ihr neuer Arbeitgeber, sei ein „verstecktes Juwel“, sagt Sonja Grimm. Vielen Menschen, sowohl innerhalb als auch außerhalb, sei gar nicht bewusst, was für eine „tolle Uni“ sie hier haben. Besonders beeindruckt habe sie die hohe Zahl an ERC Grants, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JMU in den vergangenen Jahren eingeworben haben.

Den einzigen Wermutstropfen dabei stellt für sie die Tatsache, dass die überwiegende Zahl dieser Grants in den Natur- und Lebenswissenschaften angesiedelt ist. „Als Sozialwissenschaftlerin motiviert mich das allerdings, die Sozialwissenschaften auch dorthin zu bringen“, sagt sie. In der Lehre sei der Fachbereich an der JMU bereits stark: Gut 30 Prozent des gesamten Lehrangebots stellt die Fakultät für Humanwissenschaft. Jetzt müsse nur noch die Forschung das gleiche Gewicht erreichen, dann sei die JMU in allen Bereichen gut aufgestellt.

Kontakt

Prof. Dr. Sonja Grimm, Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Europaforschung, T: +49 931 31-81659, sonja.grimm@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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