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Sonnenkompass „on demand“

30.11.2021

Monarchfalter orientieren sich auf ihren Langstreckenflügen mit einem Sonnenkompass. Was jetzt für Überraschung sorgt: Der Kompass entsteht erst beim Fliegen.

Ein Monarchfalter orientiert sich im Flugsimulator an einem Lichtpunkt. Zeitgleich zeichnen Mikroelektroden seine Hirnaktivität auf.
Ein Monarchfalter orientiert sich im Flugsimulator an einem Lichtpunkt. Zeitgleich zeichnen Mikroelektroden seine Hirnaktivität auf. (Bild: Jerome Beetz / Universität Würzburg)

Monarchfalter sind berühmt für ihre jährliche Langstreckenwanderung, die sie über mehrere Tausend Kilometer vom Norden der USA bis zu ihrem Winterquartier nach Zentralmexiko führt. Auf ihrer Wanderung orientieren sich die auffällig orange-schwarz-weiß gezeichneten Schmetterlinge an der Sonne.

Doch wie werden die Sonneninformationen im Gehirn der Falter verarbeitet? Es sind bereits Nervenzellen bekannt, die Informationen über den Stand der Sonne verarbeiten. „Allerdings wusste man bisher nicht, wie das während des Flugs passiert“, sagt Jerome Beetz vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Bislang ging die Forschung davon aus, dass der Sonnenkompass immer funktioniert – egal ob die Insekten sitzen, laufen oder fliegen. Ein Team um die Würzburger Forscher Jerome Beetz und Basil el Jundi zeigt nun im Fachjournal Current Biology, dass dies nicht der Fall ist und sich der Kompass erst beim Fliegen ausbildet: „Erstaunlicherweise ändern die Nervenzellen während des Fluges ihre Verarbeitungsstrategie, sodass das Nervennetzwerk ähnlich wie ein Kompass die Wanderrichtung der Falter relativ zur Sonne anzeigt. Das passiert nur dann, wenn die Tiere ihre Flugrichtung selbst steuern können.“

Schmetterlinge im Flugsimulator

Wie diese Wissenslücke geschlossen wurde? Das Team um Beetz und el Jundi hat erstmals die Nervenaktivität bei fliegenden Monarchfaltern gemessen und verglichen, welchen Einfluss das Orientierungsverhalten der Tiere auf die Verarbeitung der Sonneninformation hat. Solche Messungen waren bislang nur an fixierten Schmetterlingen durchgeführt worden.

Die JMU-Forscher setzten auf einen technischen Kniff: „Wir haben die Schmetterlinge im Zentrum eines Flugsimulators an einem frei drehbaren Draht befestigt, der es den Schmetterlingen ermöglicht, aktiv eine Flugrichtung einzuschlagen. Die Sonne wurde dabei mittels eines grünen Lichtpunkts simuliert. Zeitgleich haben wir die Aktivität der Nervenzellen im Gehirn mit ultrafeinen Mikroelektroden beobachtet.“

Die Experimente beweisen: Die aktive Bewegung der Falter ist nötig, damit ihr Gehirn die Sonneninformation in einem internen Kompass auf der Wanderung verarbeiten kann.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, neuronale Messungen an sich bewegenden Tieren vorzunehmen, um herauszufinden, wie das Gehirn komplexe Orientierungsaufgaben löst“, sagt Beetz, der Erstautor der Publikation in Current Biology ist. Beteiligt waren weitere Forschende vom Biozentrum sowie von den Universitäten Lund (Schweden), Bielefeld und Texas. Gefördert wurde die Arbeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Reiskorngroßes Gehirn mit erstaunlichen Fähigkeiten

Für seine Forschungsobjekte hegt Beetz große Bewunderung: „Unsere Publikation zeigt auf einzigartige Weise, dass selbst ein Gehirn von der Größe eines Reiskorns ein hoch komplexes Organ ist, das es den Insekten ermöglicht, solch erstaunliche Fähigkeiten zu besitzen. Mit seiner Hilfe schaffen es die Monarchfalter, die enorme Wanderung mit einem effizienten inneren Kompass zu bewerkstelligen. Eine solche Leistung ohne moderne Navigationsgeräte ist für uns Menschen schwer nachvollziehbar und ein Grund für meine Faszination für diese Schmetterlinge.“

Als nächstes wollen Jerome Beetz und Basil el Jundi untersuchen, wie der Sonnenkompass der Falter funktioniert, wenn sie statt eines Lichtpunkts den natürlichen Himmel sehen können. Dazu müssen die Messungen der Nervenaktivität an Flugsimulatoren im Freien durchgeführt werden.

Publikation

Flight-induced compass representation in the monarch butterfly heading network. M. Jerome Beetz, Christian Kraus, Myriam Franzke, David Dreyer, Martin F. Strube-Bloss, Wolfgang Rössler, Eric J. Warrant, Christine Merlin, Basil el Jundi. Current Biology, 24. November 2021, https://doi.org/10.1016/j.cub.2021.11.009

Kontakt

Jerome Beetz, Lehrstuhl für Zoologie II (Verhaltensphysiologie und Soziobiologie), Biozentrum Universität Würzburg, T +49 931 31-84528, jerome.beetz@uni-wuerzburg.de

Von Robert Emmerich

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