Stolperstein für ein namenloses Opfer
09.04.2019In Würzburg erinnern neue Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus, vor allem an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Für einen dieser Gedenksteine hat die Universität die Patenschaft übernommen.
In der Nachbarschaft des Universitätsgebäudes am Wittelsbacherplatz befand sich vom 1. September 1942 bis zum 16. März 1945 ein sogenanntes Notgefängnis der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Das nationalsozialistische Regime nutzte diesen Ort als Arbeits-, Haft-, Straf- und Durchgangslager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die meisten Gefangenen kamen aus Polen und Osteuropa. Es waren dort aber auch Menschen aus Italien, Belgien und anderen Ländern inhaftiert.
Im Gestapo-Notgefängnis gab es durch Exekutionen, Krankheiten, Mangelernährung und unmenschliche Lebensbedingungen zahlreiche Tote. An einige der Opfer erinnern jetzt 21 neue Stolpersteine. Verlegt wurden sie am 5. April 2019 in der Friesstraße, vor der Franz-Oberthür-Schule. An dieser Stelle befand sich seinerzeit das Gefängnis.
Tote kamen ins Anatomische Institut
Verbunden war die Verlegung der Steine mit einer Gedenkfeier. Eröffnet wurde sie mit einer Rede von Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Auch Uni-Kanzler Uwe Klug hielt eine Ansprache, denn die Universität hat die Patenschaft für einen Stolperstein übernommen.
Der Hintergrund dazu: Einige der im Gestapo-Gefängnis Inhaftierten wurden nach ihrem Tod ins Anatomische Institut der Universität gebracht. „Weil das Leicheneingangsbuch des Instituts erhalten geblieben ist, konnten einige tote Frauen und Männer identifiziert werden, über die ansonsten keine Akten und Dokumente mehr existieren“, sagte Klug.
Spuren eines Lebens ausgelöscht
Andere Opfer bleiben weiterhin namenlos. So auch die unbekannte Person, für deren Stolperstein die Universität die Patenschaft übernommen hat.
Von dieser unbekannten Person gibt es nur einen Eintrag im Leicheneingangsbuch des Anatomischen Instituts und ein Foto in den Akten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Würzburg. Auf dem Foto ist nicht einmal zu erkennen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt. Bis auf das Todesdatum 7. Dezember 1944 wurden alle Spuren dieses Menschen ausgelöscht.
Der Stolperstein solle aus dem anonymen Opfer die Erinnerung an einen ganz realen Menschen und sein individuelles Schicksal sicht- und begreifbar machen, so der Kanzler in seiner Rede. Die Universität habe die Patenschaft übernommen, weil sie es als Ort der Wissenschaft und Forschung auch als ihre gesellschaftliche Aufgabe sehe, einen Beitrag zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen und zum Gedächtnis der Opfer zu leisten.
Biografien der Opfer vorgelesen
Weitere Ansprachen bei der Gedenkfeier hielten Benita Stolz von der Initiative „Würzburger Stolpersteine“ und Andrzej Osiak, Generalkonsul der Republik Polen in München. Die Biografien der Opfer wurden von Schülern des Matthias-Grünewald-Gymnasiums vorgelesen; Schüler der Goethe-Mittelschule zeigten dazu Gedenktafeln für die Toten. Klassen beider Schulen hatten sich im Vorfeld mit der Geschichte des Gestapo-Gefängnisses befasst.