Studiert inmitten von Trümmern
13.11.2018Anfang November hat das internationale Alumni-Netzwerk der Universität Würzburg sein zehnjähriges Bestehen gefeiert. Dabei wurden unter anderem ehemalige Studierende 50, 25 und 15 Jahre nach ihrem Abschluss geehrt.
Am 26. April 1956 begann für Werner Lühmann das Abenteuer Studium. An die ersten Eindrücke kann sich der heute 82 Jahre alte Alumnus der Würzburger Universität noch gut erinnern: „Würzburg lag in Schutt und Asche.“ Latein, Griechisch und Deutsch begann der junge Mann aus Bremen zu studieren. Vor genau 50 Jahren schloss er, nach mehreren Umwegen, sein Studium mit einer Promotion ab. Dafür wurde er beim Alumni-Geburtstag in der Neubaukirche geehrt.
Ein dichtes Netzwerk über Ländergrenzen hinweg
Alumnus – ein merkwürdiger Begriff. Nicht viele kannten ihn, als Michaela Thiel vor zehn Jahren das Alumni-Netzwerk der Würzburger Hochschule aufbaute. Heute haben viele Menschen eine Vorstellung, was damit gemeint ist. Es geht darum, über Ländergrenzen hinweg ein dichtes Netz an Beziehungen zu knüpfen. „Wir haben die Absicht, alle Alumni miteinander und mit unserer Alma Mater zu verbinden“, erklärte Theodor Berchem, ehemaliger Präsident der Uni Würzburg und Vorsitzender des Alumni-Vereins, zum Auftakt der Feier. Insgesamt 90 Alumni, die vor 50, 25 und 15 Jahren von der Uni Würzburg abgegangen sind, wurden bei der erstmals veranstalteten Jubilarfeier geehrt.
Rückkehr nach der Pensionierung
Werner Lühmann gehört zu jenen Absolventen, die es immer als große Chance angesehen haben, Kontakt zu ihrer Hochschule zu halten. Seine Beziehungen waren besonders intensiv: Nach seiner Pensionierung absolvierte der sprachbegabte Senior, der heute in Mölln lebt, noch einmal ein komplettes Sinologie-Studium in Würzburg beim damaligen Lehrstuhlinhaber Dieter Kuhn. Hiervon angeregt, publizierte der Alumnus im Jahr 2003 ein Buch über Konfuzius.
Seine Studentenzeit Ende der 1950er-Jahren bleibt für Lühmann unvergessen. Er hatte eine kleine Studentenbude direkt an der Stadtmauer von Heidingsfeld. Orthopädische Schuhmacher waren seine Vermieter. „Ich hab mir das jetzt wieder angeschaut und festgestellt, dass nun Leute dort wohnen, die zufällig Schuster heißen“, schmunzelt der pensionierte Bibliothekar, der nach seiner Promotion über den Heiligen Urban von der Uni Würzburg abging und derzeit an einem Buch über Augustinus arbeitet.
Unter den 50-jährigen Jubilaren war auch Peter Bacherl, heute 73 Jahre alt und einst als Zahnarzt in Arnstein (Main-Spessart) tätig. Bacherl erinnert sich ebenfalls noch gut an seine Studentenbude: „Die war in der Juliuspromenade.“ Das Studium selbst hat er als sehr anstrengend in Erinnerung. Klasse sei die Studentengruppe gewesen, die sich gemeinsam auf die Prüfung vorbereitete: „Wir hatten einen sehr guten Zusammenhalt.“
42.000 Ehemalige sind mit dabei
Um die 42.000 Menschen aus 90 Ländern, die einst an der Uni studiert oder gelehrt haben, gehören dem Alumni-Netzwerk inzwischen an. Durch die Geburtstagsaktion konnten viele bisher unentdeckte Alumni gewonnen werden. Andreas Pfannes zum Beispiel. Er begann 1986 in Würzburg Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren. Vor 25 Jahren machte er seinen Abschluss. „In den ersten eineinhalb Studienjahren bin ich von Kitzingen, wo ich damals wohnte, nach Würzburg gependelt“, erzählt der Redakteur beim „Schwarzwälder Boten“. Schon damals war es Pfannes zufolge schwierig, ein Zimmer zu bekommen. Schließlich fand er eine Bleibe: „Für nur 120 Mark im Monat.“
Auch Stefan Meyer-Ahlen, der vor 15 Jahren die Uni Würzburg verließ, ist ein ganz junger Alumnus. „In der Zeitung las ich, dass Jubilare gesucht werden, da habe ich mich gemeldet“, erzählt er. Meyer-Ahlen wollte sich in Würzburg auf den Beruf des Deutsch- und Religionslehrers vorbereiten. Doch Stephan Ernst, Professor für Theologische Ethik, fragte ihn nach dem ersten Staatsexamen, ob er nicht promovieren möchte. Meyer-Ahlen willigte ein und forschte über die Frage, wie Menschen Ethisches lernen. Seinen Wunsch, Gymnasiallehrer zu werden, gab er auf: Heute ist der 41-Jährige in der Erwachsenenbildung tätig.
Gäste aus Venezuela
Wirtschaftswissenschaftler Norbert Müller, der vor 25 Jahren von der Uni Würzburg abging, hatte an der Alma Mater nicht nur Weisheit eingesogen. „Ich lernte im Studium meine Frau kennen“, berichtete der junge Jubilar. Unvergessen bleibt ihm der 2015 verstorbene Sigurd Klatt, bei dem Müller in die Geheimnisse der Volkswirtschaft eindrang: „Er verband absolute Kompetenz mit tiefer Menschlichkeit.“
An der Geburtstagsfeier nahmen auch internationale Gäste teil. Zum Beispiel der Neurowissenschaftler Horacio Vanegas und seine Gattin Alicia Ponte-Sucre, die sich als Pharmakologin mit tropischen Krankheiten befasst. Beide lehren und forschen in Venezuela, sind aber regelmäßig in Würzburg zu Gast.
Festrede von Helmut Schwarz
Die Festrede vor der Jubilarehrung hielt der Chemiker Helmut Schwarz, der bis Dezember 2017 als Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung fungierte. Schwarz ging mit der Ökonomisierung der Hochschulen hart ins Gericht. Grundlagenforschung müsse ein öffentliches Gut bleiben, forderte er. Die „Sprunghaftigkeit im Förderverhalten“ kritisierte der Wissenschaftler als „extrem schädlich“. Grundalgenforscher bräuchten Freiräume und Vertrauen: „Denn wirkliche Durchbrüche in der Forschung lassen sich nicht planen.“