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Suizidprävention im Film

29.03.2022

Suizid ist ein seltenes Thema im Fernsehen, denn es besteht die Gefahr von Nachahmungseffekten. Ein neuer Film nimmt sich nun der Thematik an. Daran beteiligt war auch der Würzburger Medienpsychologe Frank Schwab.

Das Thema Suizidprävention ist ein Aspekt des Films "Flügel aus Beton".
Das Thema Suizidprävention ist ein Aspekt des Films "Flügel aus Beton". (Bild: StockSnap/Pixabay.com)

An einer Gesamtschule nimmt sich eine Schülerin das Leben. Das ist der Plot des Films „Flügel aus Beton“, der am 30. März 2022 im Ersten ausgestrahlt wird. Für einen Film ist so ein Thema schwer aufzuarbeiten, die Angst vor Nachahmungseffekten ist groß. Professor Frank Schwab ist Medienpsychologe an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Er arbeitet im Bereich Suizidprävention und stand den Filmemachern beratend zur Seite. Er sagt: Das Thema gehört in die öffentliche Diskussion.

Frage: Worum geht es in „Flügel aus Beton“?

Frank Schwab: „Flügel aus Beton“ ist eine Skizze von jugendlichen Krisen. Aspekte sind die Suizidalität, selbstverletzendes Verhalten, Depressivität und sonstige Lebensprobleme. Es sind sehr viele dunkle Themen. Dafür ist der Film dokumentarisch hell gefilmt, dadurch wird es nicht so düster, wie es die Thematik vermuten lässt.

Welche Funktion hatten Sie dabei?

Ich bin Mitglied der Arbeitsgruppe Suizidprävention und Medien im Nationalen Suizidpräventionsprojekt NaSPro. Über diesen Kontakt wurde ich vom WDR gefragt, ob ich nicht beratend bei der Schlussphase der Drehbuchentwicklung und Umsetzung dabei sein könnte. Ich habe im Vorfeld das gesamte Drehbuch gelesen und geschaut, dass es möglichst suizidpräventiv wirkt und nicht zur Nachahmung einlädt – also bei welchen Stellen man besonders Acht geben muss oder wie man bestimmte Szenen inszeniert. Dabei ging es nicht darum zu zensieren und Tabus zu verhängen, sondern mit Expertenwissen zur Seite zu stehen und zu diskutieren, was man bei schwierigen Szenen tun könnte.

Warum ist es so schwer, das Thema Suizid filmisch aufzuarbeiten?

Das zeigt sich bereits am Einstieg des Films, hier findet ein Suizid statt. Da besteht immer die Gefahr, dass der gezeigte Ort zu einem Hotspot wird. Wenn das zum Beispiel eine Brücke ist, die jeder kennt, dann kann man ein schwerwiegendes Problem durch Nachahmungsphänomene bekommen. Der Film spielt in Berlin, den Ort der Einstiegssequenz gibt es in Berlin aber gar nicht. Und es ist so im Film verarbeitet, dass man wenig Hinweise hat, wo dieser Ort sein könnte. Generell darf man nichts ästhetisieren oder einladend gestalten. Wie inszeniert man zum Beispiel einen Engel, damit er keine positiven Aspekte hat, also nie und nimmer Kultstatus gewinnen kann? Solche Überlegungen sind wir mit dem Filmteam durchgegangen.

Warum ist das Thema Suizid und Suizidprävention so relevant – gerade für jüngere Menschen?

Knapp 10.000 Menschen begehen pro Jahr in Deutschland Suizid. Das ist erschreckend viel! Im Vergleich zu anderen Todesursachen ist das deutlich mehr als durch Drogen oder Autounfälle. Es sind nicht die Jugendlichen, die dabei die Statistiken anführen. Das sind eher die Älteren. Aber wenn man sich die Todesursachen von Jugendlichen anschaut, dann ist der Suizid relativ weit oben. Daher ist das ein wichtiges Thema und man sollte sich als Gesellschaft darum kümmern.

Wird das Thema tabuisiert?

Das Thema taucht durchaus auf, es ist nicht ganz und gar versteckt. Grundsätzlich ist der Tod in Film und Fernsehen aber nicht allgegenwärtig, es sei denn es geht um Mord. Der natürliche Tod, das Sterben und wie man damit umgeht, oder auch der Suizid sind Themen, die eher am Rande auftauchen. Sie werden aber nicht so abgedeckt, wie man sich das wünschen würde, wenn man es suizidpräventiv betrachtet. Es ist ein Thema, über das die meisten Menschen nicht reden wollen, weil sie Angst haben, etwas falsch zu machen oder weil einige die Haltung haben „Da kann man ja eh nichts tun“ oder „Wenn man darüber redet, wird es nur noch schlimmer“. Es gibt definitiv ein Tabu – und das gibt es auch in der Medienwelt. Aber die Tabuisierung ist keine Lösung. Die wird das Thema nur weiter am Köcheln halten.

Was wäre eine mögliche Lösung?

Ich glaube, dass Suizidprävention ein Thema ist, das in die öffentliche Diskussion gehört. Dass man darüber informieren sollte und auch versucht, Mythen wie „Es ist besser, nicht darüber zu sprechen“ aus dem Weg zu räumen. Man kann das Thema nicht ausklammern und die Augen verschließen, sondern muss sich damit auseinandersetzen. Und es wird nicht so sein, dass man sagen kann „Das ist die eine Lösung“, sondern das gehört in den gesellschaftlichen Diskurs und damit in die Medien. In unterschiedlicher Art und Weise, auch fiktional wie in diesem Film.

Welche Rolle hat das Thema Suizidprävention in ihrer Forschung und Lehre?

Seit ich im NaSPro aktiv bin, ist unser Lehrstuhl sehr aktiv in diesem Bereich. Dabei wurden wir auch von unserer Fakultät gefördert. Aktuell planen wir Forschungsprojekte zur Suizidprävention. Wir führen jetzt kleinere Studien durch und planen, dann in größere Forschungsprojekte zu gehen. Das ist aber oft schwierig. Man muss vorsichtig sein. Darum ist es auch aufwändig und langwierig sich damit zu beschäftigen, weil viele verschiedene Aspekte abgewogen werden müssen.

Wir machen auch viele Lehrveranstaltungen, zum Beispiel zum Thema Gesundheitskommunikation. Da ist ein wichtiger Aspekt das Reden über Suizidprävention. Und das ist natürlich auch mit entsprechend Aufwand verbunden: Ist da jemand unter den Studierenden, der suizidale Gedanken haben könnte? Wie geht man damit um? Und hat man alle Adressen, falls es jemandem nicht gut geht? Auch wenn man Abschlussarbeiten zu dem Thema betreut, muss man darauf achten, wie man mit denjenigen umgeht, die das Thema bearbeiten. Als Lehrkraft muss man hier eine besondere Fürsorge walten lassen.

Kontakt

Prof. Dr. Frank Schwab, Lehrstuhl für Medienpsychologie, Universität Würzburg, T +49 931 31-82395, frank.schwab@uni-wuerzburg.de

Hier gibt es Hilfe

Sollten Eltern Hinweise darauf haben, dass ihr Kind Suizid-Gedanken hat, sollte professionelle Hilfe wie ein Therapeut in Anspruch genommen werden. Auch das Jugendtelefon (Telefon: 116 111) und das Elterntelefon (Telefon: 0800 – 111 0550) können als erste Anlaufstelle dienen.

Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.

Für Studierende bietet das Studierenenwerk Würzburg eine psychotherapeutische Beratung an.

Von Kristian Lozina

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