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Symposium "The Biopolitics of America"

26.07.2016

Vom 28. bis 30. Juli kommen Forscher aus Kanada, den USA und Deutschland zum öffentlichen Symposium "The Biopolitics of America: Bodies, Environments, and the Liberal Imagination" in Würzburg zusammen.

Ausschnitt des Posters zum öffentlichen Symposium "The Biopolitics of America: Bodies, Environments, and the Liberal Imagination". (Bild: Lehrstuhl für Amerikanistik)
Ausschnitt des Posters zum öffentlichen Symposium "The Biopolitics of America: Bodies, Environments, and the Liberal Imagination". (Bild: Lehrstuhl für Amerikanistik)

Mit Michel Foucault lässt sich Biopolitik als Konzept verstehen, das die Ausdehnung der staatlichen Kontrolle über die physischen und politischen Körper einer Bevölkerung beschreibt. Anders ausgedrückt, werden unter dem Begriff der Biopolitik moralisch-ethische Gesinnungen (ethos) mit jenen rechtlich verbindlichen Normen (nomos) zusammengedacht, die menschliches und nicht-menschliches Leben (bios) organisieren, regulieren und kontrollieren.

Zwar lässt sich ein politisch-philosophisches Interesse an der Organisation des guten Lebens bis in die griechische Antike zurückverfolgen. Unter dem Einfluss der Naturrechts- und Moralphilosophie des 18. Jahrhunderts rückt das Leben jedoch ins Zentrum von politischen Theorien des guten und effektiven Regierens.

Einen vorläufigen Höhepunkt fand die begriffliche Verknüpfung des Lebens mit der Theorie und Praxis politischen Handelns in der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, in welcher der demokratisch organisierte Staat als Schutzmacht von "Life, Liberty, and the Pursuit of Happiness" definiert wird. Damit wird das politische Projekt einer demokratisch verfassten, amerikanischen Republik im Grunde als biopolitisches Projekt formuliert. Zugleich wird durch die Verknüpfung von life und liberty deutlich gemacht, dass der Schutz des Lebens gleichwertig ist mit der Sicherung liberaler Prinzipien wie Unabhängigkeit und Freiheit.

Zwei wesentliche Zielsetzungen

Die erste Zielsetzung des Symposiums ist die kritisch-diskursive Verknüpfung von Amerikastudien und Environmental Humanities. Einen Gedanken Leerom Medovois (2010) aufgreifend, soll Umwelt (environment) als das kategoriale Pendant zu Bevölkerung (population) verstanden werden, zu jenem Begriff also, der seit Thomas Malthus’ Essay on the Principle of Population (1798) eine zentrale Kategorie biopolitischen Denkens darstellt. Ein wichtiges Element biopolitischer Theorie und Praxis ist die Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich menschliches Leben im kapitalistischen Industriezeitalter und unter den Bedingungen von Bevölkerungsexplosion und zunehmender Urbanisierung politisch organisieren lässt.

Das schließt die Frage nach einem effektiven Umweltmanagement notwendig ein. Das Symposium operiert mit einem doppelten Begriff von "Umwelt": wir verstehen darunter jene sozialen und politischen Dimensionen, die oft unter dem Begriff des Milieus gefasst werden, aber auch das, was Hannah Arendt als die natürlichen Grundlagen des Lebens auf der Erde beschrieben hat. Es soll diskutiert werden, inwiefern Amerika tatsächlich als biopolitisches Projekt gefasst werden kann. Welche Rolle spielt Freiheit (liberty) im biopolitischen Denken? Inwieweit bilden biopolitische Denkfiguren den gemeinsamen Grund sowohl konservativer als auch liberaler Politik in den USA? Welche Perspektiven eröffnen sich, wenn man solche für das amerikanische Selbstverständnis zentralen Phänomene wie z.B. Nationalparks, Waffenrechte, oder Automobilität als biopolitische Arrangements auffasst?

Die zweite Zielsetzung des Symposiums lässt sich an der Schnittstelle von literatur- und kulturwissenschaftlichen mit ökokritischen Fragestellungen verorten. Mit Lionel Trilling soll Literatur als politisch wirksame Praxis mit doppelter Funktion verstanden werden. Trilling beschreibt Literatur als menschliche Tätigkeit "that takes the fullest and most precise account of variousness, possibility, complexity, and difficulty." Die in ihr sich entfaltende liberale Vorstellungswelt (liberal imagination), also jenes poetische und narrative Geflecht von Ideen und Bildern über Schwierigkeiten und Möglichkeiten der freiheitlichen Organisation des (menschlichen) Lebens, sei sowohl Triebkraft als auch Spiegel für die "Lebendigkeit" einer Gesellschaft. Die Literatur spiele daher eine wichtige Rolle in der kritischen Auseinandersetzung mit den instrumentalisierenden und rationalisierenden Tendenzen des modernen Lebens. In Trillings Überlegungen wird der literarische Diskurs zur einer das biopolitische Denken und Handeln in Frage stellenden Macht. Aus eben diesem Grund erscheint es lohnend, die von Trilling ausgehenden kritischen Impulse in der gegenwärtigen Diskussion erneut aufzugreifen.

Dementsprechend wäre zu fragen, wie sich Literatur und Kunst zu jenen Formen biopolitischer Praxis verhalten, wie sie sich in den sozialen, politischen und ökologischen Kontexten der US-amerikanischen Kulturgeschichte herausgebildet haben.

Das Symposium ist Ergebnis der Forschungskooperation zwischen Professorin Catrin Gersdorf, Lehrstuhl für Amerikanistik und Professor Hannes Bergthaller, National Chung-Hsing University, Taichung, Taiwan. Professor Bergthaller war im akademischen Jahr 2014/15 als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung Gastwissenschaftler am Lehrstuhl für Amerikanistik. einBlick berichtete darüber in der Ausgabe vom 18.11.2014. Die Teilnehmer der Konferenz kommen aus Deutschland, den USA und Kanada.

Die Tagung wird unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Bayerischen Amerika-Akademie. Alle Interessierten sind zu den Vorträgen herzlich willkommen!

Text: Catrin Gersdorf

Link zur Webseite der Konferenz. 

Kontakt:

Prof. Dr. Catrin Gersdorf, Amerikanistik / American Studies, T.: +49 931 31-89170
E-Mail: catrin.gersdorf@uni-wuerzburg.de

Von Catrin Gersdorf

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