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Wenn Studierende sich fehl am Platz fühlen

26.11.2024

Studierende aus nicht-akademischen Familien können gerade am Anfang des Studiums vor Hürden stehen. Wie diese aussehen, zeigte der Hauptvortrag zur Eröffnung des „Tags der Lehre“.

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Mit den Herausforderungen des Studienstarts befasste sich der Tag der Lehre. (Bild: Halina Bahrami / Universität Würzburg)

Klassismus: Das ist die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Klassenherkunft oder Klassenzugehörigkeit. Wer sich mit dieser Thematik noch nie beschäftigt hat, steht nicht allein da. Eine Blitzumfrage unter den Teilnehmenden des „Tags der Lehre“ an der Uni Würzburg zeigte, dass sich mehr als 90 Prozent noch gar nicht oder nur wenig mit Klassismus auseinandergesetzt haben.

Dabei spielt Klassismus eine große Rolle in der Gesellschaft, auch an Hochschulen. Hier sind vor allem Studierende aus einkommensarmen oder nicht-akademischen Familien betroffen. Sie stehen gerade am Anfang des Studiums vor besonderen Hürden. Das machte Francis Seeck im Hauptvortrag zur Eröffnung des „Tags der Lehre“ am 20. November 2024 im Toscanasaal der Residenz deutlich.

Seeck ist Professor*in für Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Demokratie- und Menschenrechtsbildung an der Technischen Hochschule Nürnberg.

Hiwi-Jobs gehen eher an Studierende aus höheren sozialen Klassen

Der Vortrag zeigte: Von Klassismus betroffene Studierende verfügen in der Regel über weniger ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital, wodurch viele Hürden entstehen können. Es ist für sie schwieriger, bezahlbaren Wohnraum in Uni-Nähe zu finden. Sie müssen ihr Studium mit Nebenjobs finanzieren. Von der Ausdrucksfähigkeit und vom Auftreten her schneiden sie oft schlechter ab als Studierende aus „besserem Hause“ – was unter anderem dazu führt, dass sie seltener für Hiwi-Jobs ausgewählt werden. Schlechter steht es auch um ihre Kontakte zu Personen, die mit ihren Beziehungen im Lauf des Lebens hilfreich sein können.

Alles in allem kann das den Effekt haben, dass Studierende aus nicht-akademischen Familien sich an der Universität am falschen Platz fühlen. Dass sie massive Selbstzweifel bekommen und sich am Ende selbst diskriminieren – in der Überzeugung, einfach nicht an die Uni zu passen.

Von Klassismus betroffene Studierende unterstützen

Für diese Studierendengruppe können Lehrende und Hochschulen etwas tun. Das zeigte Francis Seeck mit einigen Beispielen auf.

Generell gilt für Lehrende und andere Uni-Beschäftigte: Mit Blick auf Klassismus aufmerksam bleiben, Betroffene zu einem passenden Zeitpunkt in angemessener Weise ansprechen und ihnen niedrigschwellige Unterstützungsmöglichkeiten aufzeigen. Das kann zum Beispiel ein Hinweis auf Bücherstipendien sein, wie es sie auch an der JMU gibt, auf Initiativen wie arbeiterkind.de („Für alle, die als erste in ihrer Familie studieren“) oder auf Beratungs- und Mentoring-Angebote. Von Vorteil ist es, wenn die Hochschule über einen Fonds für Studierende in Finanznot verfügt.

Seecks Bilanz: In einem strukturell an sich ungerechten Bildungssystem, das die meisten Kinder aus niedrigen sozialen Klassen schon nach der Grundschule von höherer Schulbildung fernhält, können auch Lehrende an Hochschulen nur versuchen, einzelnen Betroffenen zu helfen.

Am Studienanfang stehen oft falsche Erwartungen

Der „Tag der Lehre“ stand 2024 unter dem Motto „Great Expectations – Studieneingangsphase zwischen Wunsch und Wirklichkeit“. Veranstaltet vom Zentrum für wissenschaftliche Bildung und Lehre (ZBL), drehte er sich vom 20. bis 22. November um Erwartungen, Schwierigkeiten und Möglichkeiten dieser wichtigen Lebensphase.

Studienanfängerinnen und -anfänger haben heute viele Erwartungen ans Studium, die von diversen Medien geprägt sind, die aber mit dem Alltag im Studium oft wenig zu tun haben. Das sagte Andreas Dörpinghaus, Leiter des ZBL und JMU-Vizepräsident für Studium, Lehre und Qualitätsmanagement, in seiner Eröffnungsansprache: „Unsere Aufgabe an der Universität ist es auch, solche falschen Bilder zu korrigieren.“ Ein weiterer Auftrag der Uni sei es, gerade in der Studieneingangsphase für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen: „Der Zugang zu Bildung sollte keine Frage der sozialen Herkunft sein.“

Preisverleihung und Gallery Walk

Bei der Eröffnung des „Tags der Lehre“ wurde der studentische Preis für herausragende Lehre verliehen. Er ging in diesem Jahr in der Kategorie „Studieneinstieg“ an Dr. Jens Schmitz vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie. Das Zentrum für wissenschaftliche Bildung und Lehre hatte den Preis erstmals dotiert (3.000 Euro).

Nach der Preisverleihung waren alle Teilnehmenden zu einem Gallery Walk eingeladen: An verschiedenen Stationen stellte die Universität ihre Unterstützungsangebote zur Förderung eines erfolgreichen Studienstarts vor. Vertreten waren die Zentrale Studienberatung, das Career Centre, Gesunde Hochschule, Schreibzentrum, WueDIVE und das Kompass-Tutoren- und Mentorenprogramm der Juristischen Fakultät. Die Professional School of Education präsentierte ihre Unterstützungsangebote für Lehramtsstudierende.

Workshops und Tag der offenen Tür

An den Folgetagen gab es an verschiedenen Orten auf dem Campus ein offenes Veranstaltungsprogramm für Studierende und Lehrende. Es sollte dazu anregen, die Studieneingangsphase motivierend und lernförderlich zu gestalten. Das Student Service Center auf dem Campus Nord lud alle Interessierten zu einem Tag der offenen Tür ein: Präsentiert wurden die Unterstützungsangebote für Studierende in allen Phasen des Studiums.

Von Robert Emmerich

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