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Therapie gegen Schlaflosigkeit gesucht

19.05.2020

Viele Menschen leiden unter Schlafproblemen. Die Folgen für sie und für die Gesellschaft werden als schwerwiegend eingeschätzt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Würzburg arbeiten an einer neuen Therapie.

Wer schlecht schläft, hat ein erhöhtes Risiko für zahlreiche Krankheiten. Schlafprobleme können auch Auslöser von Depressionen sein.
Wer schlecht schläft, hat ein erhöhtes Risiko für zahlreiche Krankheiten. Schlafprobleme können auch Auslöser von Depressionen sein. (Bild: amenic181 /iStockphoto.com)

Viele Menschen in Deutschland sind von chronischen Schlafproblemen betroffen. Über Wochen, Monate oder sogar Jahre hinweg schlafen sie schlecht ein, wachen häufig auf oder liegen in der Nacht lange wach. Sie empfinden nicht nur das Wachliegen an sich als quälend, sondern leiden auch darunter, dass sie am Tag müde sind, sich schlecht konzentrieren können und am Arbeitsplatz nicht die gewünschte Leistung bringen. Dazu kommt: Wer schlecht schläft, hat ein erhöhtes Risiko für verschiedene Krankheiten, wie etwa Herz-Kreislauferkrankungen. Neuere Forschung zeigt sogar, dass Schlafprobleme Auslöser psychischer Störungen – beispielsweise von Depressionen – sein können.

Existierende Programme kommen nicht zum Einsatz

So verwundert es nicht, dass in psychosomatischen Rehakliniken knapp 85 Prozent der Patientinnen und Patienten von Schlafbeschwerden berichten. Dabei gibt es durchaus schon jetzt verhaltenstherapeutische Ansätze zur Behandlung von Schlafstörungen, deren Wirksamkeit nachgewiesen wurde. Derzeit mangelt es allerdings noch an systematischen Anwendungen dieser schlaftherapeutischen Ansätze in der klinischen Praxis. „Dabei ist gerade das stationäre Setting für die Behandlung nicht-organischer Schlafstörungen prädestiniert“, erklärt Dr. Clemens Speth. Dieses Potential soll nun besser genutzt werden. Schließlich zeigen hochrangige empirische Studien, dass der Behandlungserfolg psychosomatischer Störungsbilder maßgeblich von einer begleitenden effektiven Behandlung solcher Schlafstörungen abhängt.

Dr. Clemens Speth und Dr. Jana Speth arbeiten am Lehrstuhl für Psychologie I – im Arbeitsbereich Interventionspsychologie von Professor Andrea Kübler an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Sie haben ein Therapieprogramm für Patientinnen und Patienten mit Schlafstörungen entwickelt, welches derzeit in psychosomatischen Rehakliniken im Schwarzwald zum Einsatz kommt und wissenschaftlich evaluiert wird. Die Deutsche Rentenversicherung Bund finanziert das Projekt mit rund 400.000 Euro. 

In wenigen Wochen zu besserem Schlaf

„Zentraler Bestandteil des Therapieprogramms sind kognitiv-verhaltenstherapeutische Strategien, ergänzt um einige Elemente aus der Acceptance Commitment Therapy“, erklärt Dr. Jana Speth. Patientinnen und Patienten lernen dabei ihre körperlichen, kognitiven und psychischen Anzeichen für Erschöpfung und Müdigkeit besser kennen – und welche davon lediglich ein Ruhebedürfnis oder tatsächliche Einschlafbereitschaft signalisieren. Damit können sie ihr Schlafbedürfnis insgesamt besser einschätzen und ihre Zubettgehzeiten daran anpassen.

So lassen sich beispielsweise mit einer alltagstauglichen Abend- und Morgengestaltung die Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf verbessern. „Menschen, die wissen, dass sie am nächsten Morgen um vier Uhr den Wecker unbedingt hören müssen, weil sie sonst den Flug auf die Malediven verpassen, schlafen in der Regel schlechter und wachen in der Nacht häufiger auf“, erklärt Jana Speth. Auf den Alltag übertragen, bedeutet dies: Wer seinen Morgen so straff plant, dass er schon zu spät zur Arbeit käme, wenn das Zähneputzen eine Minute länger dauerte, tut dies womöglich auf Kosten seines Nachtschlafs. „Weiß ich hingegen, dass der nächste Morgen entspannt zu schaffen ist, schlafe ich effizienter und spare damit sogar Zeit – die ich beispielsweise für ein entspanntes Frühstück nutzen kann“, so die Psychologin.  

Auch der Umgang mit nächtlichen Sorgen wird im Rahmen des Therapieprogramms erlernt: Der Teufelskreis aus Sorgen um Erschöpfung und reduzierter Leistungsfähigkeit am nächsten Tag, angespanntem Wachliegen und darauffolgender Tagesmüdigkeit soll durchbrochen werden.

Schlechte Versorgungslage und enorme wirtschaftliche Auswirkungen

Die Dringlichkeit einer solchen Therapie liegt auf der Hand: Die Versorgungslage für Menschen mit Schlafstörungen, bei denen keine unmittelbare körperliche Ursache (mehr) zu erkennen ist, gilt als äußerst schlecht. Bislang mangelt es an ambulanten und stationären Angeboten. So erhalten nur etwa sieben Prozent aller Menschen, die unter Schlafstörungen leiden, eine Form von Psychotherapie – und hierbei handelt es sich offenbar nicht einmal notwendigerweise um eine auch auf Schlafstörungen ausgerichtete Psychotherapie.

Für eine mangelhafte Versorgungslage spricht auch die Tatsache, dass viele Menschen mit massiven Schlafproblemen Schlafmittel einnehmen– und dies teilweise über mehrere Jahre hinweg. Jeder vierte Erwerbstätige unter 40 Jahren nutzt außerdem eine App oder ein Gerät zur Schlafkontrolle. Diese haben allerdings oft keinen großen Nutzen und können im schlimmsten Fall zur Behandlung von Schlafstörungen sogar kontraproduktiv sein.  

Der mangelhaften Versorgungslage steht die Tatsache gegenüber, dass unbehandelte Schlafstörungen enorme wirtschaftliche Auswirkungen haben: Für den US-amerikanischen Raum wird berechnet, dass Menschen mit Schlafstörungen in einem Zeitraum von sechs Monaten etwa 1250 Dollar mehr an direkten und indirekten Kosten, beispielsweise durch Arbeitsausfall, verursachen als solche ohne Schlafstörungen. Für Frankreich gehen Untersuchungen von durchschnittlich 3,4 zusätzlichen Fehltagen durch Schlafstörungen aus. Hieraus ergeben sich, allein durch Arbeitsausfall und Produktivitätsabfall, Kosten von 1472 Euro pro Angestelltem pro Jahr durch Schlafstörungen. Und auch für Deutschland wird von beträchtlichen gesundheitsökonomischen und volkswirtschaftlichen Folgekosten ausgegangen.

Kontakt

Dr. Clemens Speth, clemens.speth@uni-wuerzburg.de

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