Intern
  • none
  • none

Topologische Nanoelektronik

29.10.2019

Physikern der Universität Würzburg ist eine Weltpremiere gelungen: Sie haben ein grundlegendes nanoelektronisches Bauelement realisiert, das auf der in Würzburg entdeckten Materialklasse der topologischen Isolatoren beruht.

Ein Quantentrog verengt sich in der Mitte zu einem Quantenpunktkontakt. Würzburger Physiker haben diese filigrane Anordnung mit neuen Methoden der Nanostrukturierung hergestellt.
Ein Quantentrog verengt sich in der Mitte zu einem Quantenpunktkontakt. Würzburger Physiker haben diese filigrane Anordnung mit neuen Methoden der Nanostrukturierung hergestellt. (Bild: Christoph Fleckenstein / Universität Würzburg)

Topologische Isolatoren sind Materialien mit erstaunlichen Eigenschaften: Elektrischer Strom fließt nur entlang ihrer Oberflächen oder Ränder, wohingegen sich das Materialinnere isolierend verhält. Solche topologischen Zustände hat Professor Laurens Molenkamp von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg im Jahr 2007 erstmals experimentell nachgewiesen. Das gelang seinem Team mit Quantentrögen aus Quecksilber und Tellur (HgTe). Seitdem sind diese neuartigen Materialien Hoffnungsträger auf dem Weg hin zu einer fundamental neuen Generation von Bauteilen, die zum Beispiel Innovationen für die Informationstechnologie versprechen.

Physikern der JMU ist es nun erstmals gelungen, ein essentielles Element für solche Bauteile zu konstruieren – einen Quantenpunktkontakt (englisch: Quantum Point Contact, QPC). In einer aktuellen Publikation im Journal Nature Physics stellen sie das Element vor.

Engstelle für topologische Zustände

Quantenpunktkontakte sind quasi-eindimensionale Verengungen in ansonsten zweidimensionalen Strukturen, die nur wenige Atomlagen dünn sind. In topologischen HgTe-Quantentrögen, in denen sich die leitenden Zustände ausschließlich an den Rändern befinden, werden diese Zustände am Quantenpunktkontakt räumlich zusammengeführt. Diese Nähe macht es möglich, potentielle Wechselwirkungen zwischen den Randzuständen zu untersuchen.

„Dieses Experiment konnte nur durch einen Durchbruch in unseren lithographischen Methoden gelingen. Das hat es uns ermöglicht, unheimlich kleine Strukturen herzustellen, ohne das topologische Material zu beschädigen. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch diese Technologie in naher Zukunft beeindruckende, neuartige Effekte in topologischen Nanostrukturen finden werden“, so Molenkamp.

Anomales Leitwertverhalten durch Wechselwirkung

Die JMU-Physiker haben es mit einem ausgefeilten Herstellungsprozess geschafft, die Engstelle besonders präzise und materialschonend zu strukturieren. Dieser technologische Fortschritt erlaubte es ihnen, die topologischen Eigenschaften des Systems experimentell zu detektieren.

In diesem Kontext konnte das Team um die Professoren Laurens Molenkamp und Björn Trauzettel erstmals überhaupt wechselwirkende Effekte zwischen den verschiedenen topologischen Zuständen eines Systems anhand anomaler Leitwertsignaturen nachweisen. Die Würzburger Forscher schreiben dieses besondere Verhalten der analysierten topologischen QPCs den speziellen physikalischen Gesetzen eindimensionaler elektronischer Systeme zu.

Wechselwirkende Elektronen in einer Dimension

Untersucht man elektronische Wechselwirkungen in einer räumlichen Dimension, stellt man fest, dass – anders als in zwei oder drei Dimensionen – Elektronen sich wohlgeordnet bewegen, weil es keinerlei Möglichkeit gibt, das vorlaufende Elektron zu überholen. Bildlich gesprochen verhalten sich die Elektronen in diesem Fall wie Perlen auf einer Kette.

Diese besondere Eigenschaft eindimensionaler Systeme führt zu interessanten physikalischen Phänomenen. Trauzettel sagt dazu: „Das Zusammenspiel von starker Coulomb-Wechselwirkung und Spin-Bahn-Kopplung kommt in der Natur selten vor. Daher erwarte ich von diesem System fundamentale Erkenntnisgewinne in den kommenden Jahren.“

Ausblick auf die zukünftige Forschung

Topologische QPCs sind ein elementares Bauteil für viele Anwendungen, die in den vergangenen Jahren in der Theorie vorhergesagt wurden.

Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist die mögliche Realisierung von Majorana-Fermionen, die der italienische Physiker Ettore Majorana schon 1937 vorhergesagt hat. Diesen Anregungen wird ein hohes Anwendungspotential im Zusammenhang mit topologischen Quantencomputern zugeschrieben. Hierfür ist es von großer Bedeutung, Majorana-Fermionen nicht nur nachzuweisen, sondern sie gleichzeitig auch kontrollieren und manipulieren zu können. Der an der JMU Würzburg erstmals realisierte topologische QPC bietet diesbezüglich eine vielversprechende Perspektive.

Publikation

Interacting topological edge channels, Nature Physics, 28. Oktober 2019, DOI: 10.1038/s41567-019-0692-4

Kontakt

Prof. Dr. Laurens Molenkamp, Institut für topologische Isolatoren, Universität Würzburg, T +49 931 31-84925, molenkamp@physik.uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Björn Trauzettel, Lehrstuhl für Theoretische Physik IV, Universität Würzburg, T +49 931 31-83638, trauzettel@physik.uni-wuerzburg.de

Von Robert Emmerich

Zurück