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Tragik und Großmut: Restitutionsfall im Uni-Museum

12.04.2022

Ein Tragaltärchen wurde in der NS-Zeit einer jüdischen Familie entrissen, die Erben zeigen jedoch eine Geste der Versöhnung. Eine Schrifttafel erinnert nun an das Schicksal des Werkes in der Gemäldegalerie des Universitätsmuseums.

Das um 1600 im süddeutschen Raum entstandene Flügelaltärchen befindet sich seit 1939 im Universitätsmuseum.
Das um 1600 im süddeutschen Raum entstandene Flügelaltärchen befindet sich seit 1939 im Universitätsmuseum. (Bild: Martin von Wagner Museum)

Wie in vielen anderen Museen in Deutschland wird auch in den Sammlungen des Martin von Wagner Museums der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg nach Hinweisen auf widerrechtlich angeeigneten Kunstbesitz geforscht. Vor über zwei Jahren ist Nora Halfbrodt, Mitarbeiterin der Professur für Museologie, bei einem eher unscheinbaren Objekt in der Gemäldegalerie fündig geworden.

Das um 1600 im süddeutschen Raum entstandene Flügelaltärchen befindet sich seit 1939 im Universitätsmuseum. Inzwischen besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der damaligen Neuerwerbung um einen Fall unrechtmäßigen Entzugs jüdischen Eigentums handelte: Es gehörte der Würzburger Familie Seligsberger, die größtenteils zu Opfern der Shoah wurde.

Schrifttafel zur Aufklärung einer Tragödie

2020 gelang es, die rechtmäßigen Erben zu ermitteln; sie leben verstreut in Kanada, den USA und Israel. Die JMU war zu einer Restitution bereit und hat ihnen drei verschiedene Vorschläge gemacht, wie mit dem Altärchen umzugehen sei: es zurückzugeben, es abzukaufen oder es als Leihgabe im Museum zu belassen. Schließlich entschlossen sich die 16 lebenden Seligsberger-Nachfahren, dass das Werk als Dauerleihgabe an seinem jetzigen Ort bleiben darf.

„Mit dem Vertragsabschluss im Januar 2022 ist der kleinformatige Altar nicht mehr in unserem Besitz“, erläutert Professor Damian Dombrowski, Direktor der Neueren Abteilung des Martin von Wagner Museums, „doch die Eigentümer sind uns mit einer Großzügigkeit begegnet, die wir so nicht erwarten konnten. Dafür darf ihnen die ganze Universität sehr dankbar sein.“

Teil der Leihvereinbarung ist eine Schrifttafel, die im Museum seit kurzem über die Tragödie hinter dem Kunstwerk aufklärt. Dadurch erinnert das Altärchen an die Seligsbergers, die als Inhaber einer der größten Kunst- und Antiquitätenhandlungen in Deutschland stolze und engagierte Bürger Würzburgs waren.

Erlittenes Unrecht

1937 mussten die Geschwister Ernestine und Sigmund Seligsberger auf Anweisung der Reichskammer der Bildenden Künste ihr Geschäft aufgeben. Sigmund emigrierte in die Niederlande und wurde, wie seine Frau und sein Sohn, 1942 deportiert und umgebracht. Ein vormaliger Mitarbeiter hatte das Geschäft übernommen und das Altärchen an das Martin von Wagner Museum verkauft.

„Das erlittene Unrecht und die grausamen Verbrechen, die an ihnen verübt wurden, prägen die Erinnerungen ihrer Nachkommen bis heute“, schreibt Steve Wolff aus Toronto, der Sprecher der Erben: „Die schmerzvollen Erinnerungen waren wie schreckliche Schatten immer präsent.“ Der Text der Tafel wurde daher in enger Abstimmung mit den Vertragspartnern entworfen.

Weitere Nachforschungen geplant

Museologie und Museum fühlen sich von dieser Erfahrung – kurz vor dem Internationalen Tag der Provenienzforschung am 13. April – angespornt, die Bestände des Universitätsmuseums weiter auf Restitutionsfälle zu überprüfen. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg hat Ende 2021 die Fortführung des seit 2018 laufenden Forschungsprojekts bewilligt. Geleitet wird es von Professor Guido Fackler, mit den neuen Recherchen ist seine Mitarbeiterin Inga Benedix betraut. „Mit dem Fall Seligsberger haben wir nicht zuletzt auch die Wichtigkeit unseres Master-Studiengangs ,Sammlung – Provenienz – Kulturelles Erbe‘ unter Beweis gestellt“, sagt Fackler über den Forschungserfolg.

Derzeit wird die Darstellung eines Alchimisten überprüft, der möglicherweise der Würzburger Freimaurerloge entwendet wurde. Sie war unter den Nazis enteignet worden. Aber nicht nur Erwerbungen aus der Nazizeit können über eine heikle Herkunft verfügen; Inga Benedix wird im Anschluss die zwischen 1945 und 1998 erworbenen Gemälde auf ihre Provenienz überprüfen.

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