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  • Blick auf das Gebäude der Neuen Universität am Sanderring im Schnee.

UNI-Schule für bessere Lehrerbildung

19.02.2019

Studierende der Uni Würzburg organisieren seit 2015 die UNI-Schule, in der sie vor allem Deutsch, aber auch Mathematik und Englisch unterrichten. Diese Initiative trägt zu einer zukunftsfähigen Lehrerbildung bei.

Hier wird vor allem Deutsch gelernt: Einblick in die Würzburger UNI-Schule.
Hier wird vor allem Deutsch gelernt: Einblick in die Würzburger UNI-Schule. (Bild: Thea Kroepelin / Universität Würzburg)

In der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an Universitäten kommt immer wieder das „Theorie-Praxis-Problem“ zur Sprache: Forderungen nach einer theoriegeleiteten Bildung treffen auf Klagen über fehlenden Praxisbezug. Glaubt man Gerüchten, so werden Hochschulabsolventen beim Eintritt ins Referendariat oft mit der Aufforderung empfangen: „Jetzt vergessen sie mal alles, was sie im Studium gelernt haben und lassen sie sich auf die Praxis ein!“

Klassische Lehrerbildung sollte auch heute ihre theoretischen Bestände nicht in Frage stellen. Sie sollte aber auch nicht anwendungsorientiert ausbilden, sondern vielmehr ihrem Charakter als praktische Wissenschaft gerecht werden. Als praktische Wissenschaft, die durch Interventionspraxis professionalisiert wird.

Während ein Mediziner seinen Studierenden im Universitätsklinikum ganz selbstverständlich Operationen am Patienten zeigt und mit Studierenden Visite hält, also gemeinsam mit ihnen an „echten Fällen“ Interventionspraxis übt, verstricken sich mancherorts die Protagonisten der Lehrerbildung zwischen Praktikumsordnungen und hochgeistigen Vorlesungen in einer unfruchtbaren Theorie-Praxis-Diskussion. Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass die Professionalisierung des Lehrerberufs daran krankt, dass Universitätsschulen nicht zum Standard der Lehrerbildung zählen. An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) hat sich eine solche Schule etabliert; genannt wird sie UNI-Schule.

Vom Projekt zur Institution: UNI-Schule Würzburg

Seit Sommer 2015 geben Studierende und Lehrende der Humanwissenschaftlichen Fakultät der JMU von Montag bis Freitag zwischen 8:30 und 12 Uhr und nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr Deutsch-, bei Bedarf auch Mathe- und Englischunterricht. Zu ihren bisher insgesamt 320 Schülerinnen und Schülern gehörten Jugendliche und Erwachsene im Alter zwischen 16 und 65 Jahren aus insgesamt 18 Nationen, darunter Syrien, Eritrea, Afghanistan und Äthiopien, aber auch USA, Thailand, Griechenland und Mexiko.

Aktuell werden durchschnittlich 50 Schülerinnen und Schüler von ebenso vielen Studierenden und einigen Lehrenden der Universität betreut. Während der vorlesungsfreien Zeit muss mitunter ein Sparprogramm gefahren werden. Da die Schülerschaft gleichermaßen aus Analphabeten und Akademikern besteht, findet der Vormittagsunterricht in bis zu fünf Kleingruppen auf unterschiedlichen Lernniveaus statt. Eine Kleingruppe wird von drei bis 15 Schülern besucht und von einer oder zwei Lehrkräften betreut. Im Unterricht werden deutsche Grammatik gelernt, Wortschatz erweitert, Texte gelesen und aktuelle Themen diskutiert.

Die Nachmittagsbetreuung wurde nötig, nachdem im Herbst 2016 erstmals der Großteil eines Jahrgangs die Aufnahmeprüfung für so genannte Berufsintegrationsklassen (BiK) an Berufsschulen bestanden hatte. Einige dieser Schülerinnen und Schüler benötigten jedoch weiterhin Unterstützung – zunehmend auch in Fächern wie Mathematik und Englisch. Sie kommen mit Hausaufgaben und anderen Fragen in die UNI-Schule oder wollen Themen vertieft diskutieren. Sie lernen das selbständige Lernen, finden aber zugleich immer Ansprechpersonen, die bei Fragen weiterhelfen.

„Ein Projekt, das in mehr als eine Richtung wirkt“

2017 wurde die UNI-Schule mit dem „Weitergeben Engagementpreis“ der Studienstiftung des Deutschen Volkes ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hieß es: „Die Leistung der Initiatoren ist enorm, sie haben in kürzester Zeit ein Projekt auf die Beine gestellt, das sehr konkret Hilfe leistet und in mehr als eine Richtung wirkt.“

Finanziert wurde der Unterricht vor der Verleihung des Preises aus universitären Lehrstuhlmitteln und privat eingeworbenen Spenden. Seit Sommer 2016 stellt das Institut für Sonderpädagogik aus Studienzuschüssen studentische Hilfskraftmittel für das Organisationsteam der UNI-Schule zur Verfügung. Zudem wurde inzwischen mit „StudiProjekte e.V.“ ein gemeinnütziger Trägerverein gegründet.

Zu den im Projekt engagierten Studierenden gehören Kandidaten für das Lehramt an Gymnasien, an Grund- und Mittelschulen sowie an Sonderschulen, außerdem Bachelorstudierende unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Fremdsprachen oder Political and Social Studies. Ein Absolvent des Lehramtsstudiums für Gymnasien (Latein und Englisch) antwortete auf das Lob für sein ehrenamtliches Engagement wörtlich: „Ich habe in meinem gesamten Studium nicht so viel gelernt wie während des letzten halben Jahres in der UNI-Schule.“

Universität bietet Begleitseminar an

Der Deutschunterricht begann in einem Seminarraum im Universitätsgebäude am Wittelsbacherplatz. Nach einem kontinuierlichen Expansionsprozess findet er mittlerweile im Internatstrakt des benachbarten Matthias-Grünewald-Gymnasiums statt. Jedes Semester schreiben sich die Studierenden für das universitäre Begleitseminar ein und werden über die dazugehörige Lernplattform informiert und mit Materialien versorgt. Die Lerngruppen-Teams sprechen sich darüber hinaus über WhatsApp-Gruppen und Facebook ab. Im Begleitseminar werden insbesondere praktische Probleme beim eigenen Unterrichten und Fragestellungen rund um die Rolle und Aufgaben von Pädagoginnen und Pädagogen besprochen.

Als herausfordernd und den Alltag bestimmend stellt sich nicht nur die Zusammenarbeit innerhalb der UNI-Schule dar, sondern auch die Absprachen mit den kooperierenden Institutionen wie Schulen, Kirche, Wohnstätten und Verwaltungsstellen. An der Gestaltung der Seminarsitzungen wirken Beschäftigte des Instituts für Sonderpädagogik, Lehrkräfte des gastgebenden Gymnasiums und Lehrende aus der universitären Deutsch-Didaktik mit. Zudem werden Referenten zu speziellen Themen wie Afghanistan, Asylrecht oder medizinische Versorgung bei ungeklärtem Aufenthaltsstatus eingeladen.

Studierende bekommen ECTS-Punkte

Die vorgesehenen ECTS-Punkte bekommen diejenigen Studierenden verbucht, die sich für ein Semester verbindlich in den Unterrichtsplan eingetragen und den Unterricht regelmäßig gestaltet haben. Seit vier der fünf Lehrstühle am Institut für Sonderpädagogik sowie ein Didaktik-Lehrstuhl die in der UNI-Schule geleisteten Praktika anerkennen, liegen neben den Beiträgen in den Begleitseminaren auch schriftliche Reflexionen zu den Erfahrungen in der UNI-Schule vor.

Von Prof. Dr. Stephan Ellinger

(Der Autor hat den Lehrstuhl für Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen an der Universität Würzburg inne.)

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