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Unterricht am Puls der Zeit

19.10.2021

Die Wissenschaftlerin Jeanine Steinbock hat Lehrkräfte nach ihren Wünschen in Bezug auf EduApps befragt. Diese digitalen Unterrichtstools werden vor allem dann eingesetzt, wenn sie für zeitliche Entlastung sorgen.

Doktorandin Jeanine Steinbock erforscht das digitale Lehren und Lernen im Englischunterricht an Gymnasien.
Doktorandin Jeanine Steinbock erforscht das digitale Lehren und Lernen im Englischunterricht an Gymnasien. (Bild: Fred Schwab)

Dass Schulen einen Online-Auftritt haben, ist seit langem üblich. Der Unterricht selbst läuft allerdings noch immer kaum digital ab. „Schulen sind hier sehr vorsichtig“, sagt Doktorandin Jeanine Steinbock, die am Lehrstuhl für Fachdidaktik der modernen Fremdsprachen der Universität Würzburg von Professorin Maria Eisenmann betreut wird.

In ihrer Dissertation untersucht sie bayernweit, wie Education-Apps – das sind digitale Tools für den Schulunterricht – beschaffen sein müssen, damit sie im Englischunterricht an Gymnasien eingesetzt werden. Ein Kernergebnis: Lehrkräfte akzeptieren solche EduApps vor allem dann, wenn sie dadurch zeitlich entlastet werden.

Eigentlich kann man gar nicht mehr prinzipiell „Nein“ sagen zu digitalen Tools im Unterricht. Denn das würde bedeuten, die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler zu ignorieren. Klar sei allerdings auch, so Jeanine Steinbock, dass Technik alleine noch lange keinen guten Unterricht ausmacht: „Es geht darum, Technik gewinnbringend einzusetzen.“

Zwei Befragungen von Lehrkräften durchgeführt

Wie viel Unsicherheit bei Lehrkräften in Bezug auf den sinnvollen Einsatz von digitalen Tools besteht, fand die Didaktikerin bei zwei Befragungen heraus. Die erste fand 2017 mit rund 35 Lehrkräften statt. Eine zweite, an der 157 Lehrerinnen und Lehrer an bayerischen Gymnasien teilnahmen, bildete 2019 kurz vor dem Ausbruch der Corona-Krise den Auftakt ihres Dissertationsprojekts.

Lehrkräfte, die das Ohr am Puls der Zeit haben, setzten schon vor der Pandemie Apps und digitale Tools ein. Sie haben früh erkannt, dass Medienkompetenz für junge Menschen heute essentiell ist.

Egal, welchen Beruf Schülerinnen und Schüler später einmal ergreifen: Mit größter Wahrscheinlichkeit werden sie in ihrem Job digitale Anwendungen nutzen müssen. Auch die Freizeit ist kaum ohne Digitales denkbar. „Viele Jugendliche haben zum Beispiel Lust, selbst Inhalte zu erstellen“, so Jeanine Steinbock. Der Englischunterricht eignet sich nach ihren Worten ideal, um dazu passende Kompetenzen im Umgang mit digitalen Tools zu vermitteln – schließlich läuft die Kommunikation im weltweiten Netz vorwiegend in englischer Sprache ab.

EduApps sollten Inhalte aus dem Lehrplan bieten

Das Interesse an EduApps ist groß: „Etwa 75 Prozent der Lehrkräfte, die ich 2019 befragt habe, würden Apps einsetzen, wenn sie dadurch im Unterricht sowie bei der Unterrichtsvorbereitung Zeit sparen“, erläutert die JMU-Doktorandin. EduApps seien außerdem dann interessant, wenn sie bereits mit Inhalten aus dem Lehrplan gefüllt sind: „Für die von mir befragten Lehrkräfte ist es weniger erstrebenswert, selbst kreativ werden zu können.“

Die gewonnene Zeit würden Englischlehrerinnen und -lehrer zum Beispiel verwenden, um schwächere Schüler intensiver als bisher zu unterstützen. Auch das kam bei der Befragung heraus.

Jüngere Lehrkräfte beteiligten sich nicht so rege

Bei Jeanine Steinbocks auf freiwilliger Basis erfolgter Umfrage machten keineswegs nur besonders junge Menschen mit: „Das Gros war zwischen 36 und 45 Jahre alt.“ Vergleichsweise stark vertreten waren außerdem die 46- bis 55-Jährigen. Im Gegensatz dazu beteiligten sich die ganz jungen Lehrkräfte zu einem deutlich geringeren Teil an der Befragung.

Skepsis war über alle Altersgruppen hinweg festzustellen, was Leistungskontrollen durch Apps betrifft: Die Bewertung der Schülerinnen und Schüler sollte Sache der Lehrenden bleiben.

Von den pädagogischen Möglichkeiten der Apps hingegen sind viele begeistert. Nehmen wir an, im Englischunterricht wird als Lektüre „Hamlet“ von Shakespeare durchgenommen. „Klassischerweise bekommen dann 30 Schülerinnen und Schüler ein Buch mit demselben Text in die Hand gedrückt“, sagt Jeanine Steinbock. Die einen tun sich damit leicht. Die anderen, deren Leseniveau nicht so hoch ist, haben eher zu knabbern am Lesestoff.

Hier seien Apps hilfreich, bei denen man das Leseniveau einstellen kann: Eigenverantwortlich regeln die Schülerinnen und Schüler, ob der Text im Original erscheint oder erst einmal in einer „Lightversion“ mit vereinfachtem Vokabular.

YouTube als beliebte Videoplattform

Aktuell ist YouTube sehr angesagt bei Englischlehrkräften, die bereit sind, Digitales in ihren Unterricht einzubinden. Auch das fand Jeanine Steinbock bei ihrer Befragung heraus.

Verwunderlich sei das nicht: „YouTube ist sehr niederschwellig zugänglich und störungsfrei einsetzbar.“ Außerdem steht Lehrkräften dort eine immense Datenbasis zur Verfügung. Die Videos selbst sind oft kurz und griffig, ihr Einsatz kostet nicht viel Zeit. Kritisch sieht es die JMU-Promovendin, dass YouTube im Klassenzimmer fast ausschließlich zum Ansehen von Filmen genutzt wird. Die Schülerinnen und Schüler würden kaum dazu animiert, selbst ein Video zu produzieren.

Oft Bedenken in Bezug auf den Datenschutz

Zu den Kernthemen der Digitalisierung zählt die Datensicherheit. Das gilt laut Jeanine Steinbock für Schulen ganz besonders. „Schulen sind hier sehr vorsichtig“, sagt die Doktorandin.

In Bezug auf den Datenschutz lösen EduApps mitunter Bedenken aus. Es sei auch problematisch, dass die meisten EduApps für den Englischunterricht von amerikanischen Firmen entwickelt wurden. Hier bestehe in der deutschen Bildungslandschaft Nachholbedarf: „Wünschenswert wären mehr deutsche Apps, die auch auf deutschen Servern liegen.“

Internet-Verfügbarkeit höher als erwartet

Nachdem sich die Lage im Bildungssektor durch die Corona-Krise mit einem Schlag verändert hat, gewinnt Jeanine Steinbocks Dissertationsprojekt besonders an Relevanz. Am Einsatz von digitalen Tools in Schulen führt heute schlicht kein Weg mehr vorbei.

Aber natürlich können solche Werkzeuge nur dann eingesetzt werden, wenn es in den Klassenzimmern LAN oder WLAN gibt. Diesbezüglich schaut es der Würzburger Wissenschaftlerin zufolge gar nicht so schlecht aus: „Bei meiner Befragung gab die Hälfte der Lehrkräfte an, dass sie im Klassenzimmer Internet hat.“ Das habe sie und das Team am Lehrstuhl überrascht: „Wir hätten mit einer viel geringeren Quote gerechnet.“

Kontakt

Jeanine Steinbock, Lehrstuhl für Fachdidaktik – Moderne Fremdsprachen mit Schwerpunkt Didaktik der englischen Sprache und Literatur, Universität Würzburg, T +49 31-82783, jeanine.steinbock@uni-wuerzburg.de

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