Verreisen in der Klimakiste
14.05.2024Zwei Handschriften aus der Universitätsbibliothek Würzburg bereichern die Bayerische Landesausstellung in Freising. Die kostbaren Stücke sind Teil der Würzburger Dombibliothek. In Freising sind sie jeweils drei Monate zu sehen.
Seit der Säkularisation im Jahr 1803 beherbergt die Universitätsbibliothek Würzburg das kulturelle und literarische Erbe der damals aufgelösten Kloster- und Stiftsbibliotheken Mainfrankens. Unter diesen einzigartigen Schätzen befindet sich auch die Würzburger Dombibliothek, die zu einem der bedeutendsten Handschriftenensembles Mitteleuropas zählt. Zwei sehr kostbare Handschriften aus dieser Sammlung sind aktuell in der Bayerischen Landesausstellung in Freising zu sehen, die vom 7. Mai bis 3. November 2024 im Diözesanmuseum in Freising gezeigt wird.
Im April trat die erste der beiden Pergamenthandschriften (M.p.th.f.29) aus der ehemaligen Würzburger Dombibliothek ihre Reise nach Freising an. Ihr Ziel ist die Bayerische Landesausstellung „Tassilo, Korbinian und der Bär“, wo der Codex bis Anfang August zu sehen sein wird. Die Handschrift aus dem 9. Jahrhundert mit Texten des römischen Gelehrten Cassiodor, des Kirchenvaters Augustinus und des Missionars Bonifatius beeindruckt mit einer kolorierten Federzeichnung des Klosters Vivarium und einem sehr besonderen Figurengedicht.
Aus konservatorischen Gründen wird der Codex nach drei Monaten ausgetauscht, so dass ab August 2024 die zweite wertvolle Handschrift aus der Dombibliothek in Freising zu sehen sein wird (M.p.th.f.69). Diese berührt den Betrachter mit ihrer berühmten Kreuzigungsdarstellung, die seltsam anmutet und dadurch viele Deutungsversuche zulässt. Vermutliche haben fränkische Schreiber versucht, Elemente aus irischen, angelsächsischen und merowingischen Vorlagen zu kombinieren, die sie teilweise aber falsch interpretierten: So wurde aus dem Faltenwurf des Gewandes Christi eine Art Schuppenpanzer, Engel auf dem Querbalken des Kreuzes wurden zu Vögeln. Von Longinus Lanze blieb nur noch die Lanzenspitze, die wie ein Messer im Gürtel des Gekreuzigten steckt, von Stephatons essiggetränktem Schwamm ein Dreieck auf der Brust Christi. Völlig untypisch ist die Bootsszene wie auf dem See Genezareth, rätselhaft die Seelenvögel an den kleinen Schächerkreuzen.
UB Würzburg als Leihgeber für nationale und internationale Ausstellungen
Aufgrund ihres bedeutenden Bestandes an kostbaren Handschriften, wunderschön illustrierten Inkunabeln und Frühdrucken, besonderen historischen Karten des ehemaligen Hochstifts Würzburg und einer bedeutenden Grafischen Sammlung erreichen die UB Würzburg Leihanfragen aus dem In- und Ausland.
So wurden im Herbst 2023 in der Ausstellung „The Image of the Golden Age. Images in the Times of the Last Jagiellons“ im Royal Castle auf dem Wawel in Krakau zwei Stadtansichten aus dem Reisealbum des Pfalzgrafen Ottheinrich gezeigt, Krakau und Będzin. Das Reisealbum, das im Winter 1536/37 auf der Reise Ottheinrichs von Neuburg an der Donau nach Krakau zum polnischen Königshof entstanden ist und von einem unbekannten Künstler geschaffen wurde, umfasst 50 spektakuläre Aquarelle, die die Stationen der Reise dokumentieren und oft die ältesten bekannten Ansichten vieler Städte im östlichen Deutschland, Tschechien und Polen sind.
Aus der Grafischen Sammlung der Universitätsbibliothek waren vom 2. November 2023 bis 18. Februar 2024 zwei Zeichnungen von Hans Burgkmair d. Ä. im Frankfurter Städel zu sehen. Die von der FAZ als „Sensationsschau“ gelobte Ausstellung „Holbein und die Renaissance im Norden“ bewies auf spannende Weise die enge Verbindung und den künstlerischen Wettstreit zwischen den berühmten Augsburger Künstlern Hans Holbein d. Ä. und Hans Burgkmair d. Ä. Die beiden Würzburger Blätter „Die Bekehrung und Taufe des Paulus“ sowie „Das Begräbnis des Paulus“ sind frühe und einzigartige Zeugnisse für Burgkmairs Auseinandersetzung mit der Kunst seines älteren Kollegen und Konkurrenten Holbein.
Für 2025 wird bereits die nächste Leihgabe vorbereitet. Für die Sonderausstellung „Marc Aurel. Kaiser, Feldherr, Philosoph“ am Rheinischen Landesmuseum Trier, die von Juni bis November 2025 gezeigt wird, wird eines der ältesten Schriftstücke der Universitätsbibliothek Würzburg an die Mosel reisen: ein Papyrus aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., der ein Dankesschreiben der römischen Kaiser Marc Aurel und Lucius Verus an die ägyptische Stadt Antinoopolis enthält und damit einen faszinierenden Einblick in die Regierungsgeschäfte dieser beiden Kaiser zu Beginn ihrer gemeinsamen Herrschaftszeit bietet.
Besondere Sicherheits- und Schutzvorkehrungen
Da jede Ausstellung, selbst unter optimalen Bedingungen, große Strapazen für die wertvollen Stücke darstellt, dürfen sie nicht zu oft verreisen: ein zeitlicher Abstand von mindestens drei bis fünf Jahren zwischen zwei Ausstellungen ist obligatorisch. Aber auch viele andere Kriterien wie Klimawerte, Beleuchtung, Sicherheitsaspekte, Versicherungswerte, Transportvorgaben (Kunstspedition, Klimakiste), Präsentation in der Ausstellung müssen vorab von den Leihnehmern in einem sogenannten Facility Report beschrieben und detailliert in einem Leihvertrag festgehalten werden. Erst wenn alle Voraussetzungen für einen sicheren Hin- und Rücktransport erfüllt sind, kann das Objekt auf Reisen gehen. Schließlich muss gewährleistet sein, dass diese so kostbaren, besonderen und einzigartigen Objekte wieder unbeschadet zurückkehren.
Schätze der UB Würzburg digital
Alle Leihgaben sind in digitaler Form auf dem „Sammlungsportal Franconica“ der Universitätsbibliothek Würzburg bzw. dem „Deutschen Papyrus-Portal“ zu finden:
Die Pergamenthandschriften der ehemaligen Würzburger Dombibliothek:
Die Aquarelle von Krakau und Będzin aus dem Reisealbum Ottheinrichs
Die Zeichnungen von Hans Burgkmair d.Ä. „Bekehrung und Taufe des Paulus“ und „Begräbnis des Paulus“
Der Papyrus aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., Eingabe eines Antinoiten zwecks Befreiung von einer Liturgie: