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Virale Attacke gegen Krebs

22.10.2019

Neue Therapien gegen Krebs: Daran arbeiten Wissenschaftler im neu gegründeten Cancer Therapy Research Centre der Universität Würzburg. Die Hope Realized Medical Foundation unterstützt sie dabei finanziell.

Ein neuer Ansatz gegen Krebs: Vaccinia-Viren (hier grün gefärbt) setzen sich in Tumorzellen fest und bekämpfen sie.
Ein neuer Ansatz gegen Krebs: Vaccinia-Viren (hier grün gefärbt) setzen sich in Tumorzellen fest und bekämpfen sie. (Bild: AG Szalay)

Wenn Menschen an Krebs erkranken, könnte die Therapie in Zukunft so aussehen: Mit einer Spritze injizieren ihnen die behandelnden Ärzte gentechnisch veränderte Viren, kombiniert mit speziellen Stammzellen. Die Stammzellen transportieren die Viren im Körper gezielt zum Tumorgewebe und schleusen sie in die Tumorzellen ein. Anschießend vermehren sich die Viren stark, töten die Krebszellen und aktivieren zusätzlich das körpereigene Immunsystem. Nach kurzer Zeit – und mit nur geringen Nebenwirkungen – sind die Patienten geheilt. Im Labor und im Tierversuch hat sich dieser neuartige Ansatz der sogenannten Virotherapie oder auch Onkolyse bereits als schlagkräftiges Instrument im Kamp gegen den Krebs erwiesen. Und auch erste Studien am Menschen haben zu erstaunlichen Behandlungserfolgen geführt.

Ob diese Therapie in Zukunft die Behandlung von Krebs revolutionieren kann: Daran forschen Wissenschaftlerinnen und  Wissenschaftler im neu gegründeten Cancer Therapy Research Centre (CTRC) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Über einen Zeitraum von fünf Jahren erhalten sie dafür von der Hope Realized Medical Foundation bis zu fünf Millionen Euro. Angesiedelt ist das CTRC am Biozentrum der Universität Würzburg; die Leitung hat Aladár Szalay, ehemaliger Professor am Rudolf-Virchow-Zentrums und nun Gastprofessor am Biozentrum am Lehrstuhl für Biochemie. Professor Utz Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie der JMU, und Garry Nolan, Professor an der Standford University in Kalifornien, sind weitere Mitglieder des Direktoriums.

Erfolgreiche Versuche an austherapierten Patienten

„Klinische Studien haben in jüngster Zeit gezeigt, dass eine Therapie mit Viren erfolgreich sein kann“, sagt Aladár Szalay. Selbst Patienten, bei denen gängige Therapieformen keine Wirkung mehr hatten, seien dadurch erfolgreich behandelt worden, so der Wissenschaftler. So hat beispielsweise das Universitätsklinikum Tübingen vor gut einem Jahr gemeldet, dass bei Patienten, die an Bauchfellkrebs erkrankt waren, Viren die Krebszellen zerstört hatten. Die Viren, die dabei zum Einsatz kamen, stammten aus den Labors von Aladár Szalay. Allerdings glauben die Wissenschaftler vom CTRC, dass sich dieser „Virus-only-Ansatz“ weiter verbessern lässt – durch eine Kombination mit Stammzellen.

„Stammzellen haben eine hohe Affinität zu Entzündungen und damit auch zu Tumoren“, erklärt Szalay. Deshalb bieten sie sich geradezu ideal als Vehikel an, das die Viren zu den Tumorzellen transportiert – wie eine Art „Trojanisches Pferd“, so der Wissenschaftler. Zwar würden die Viren den Weg auch alleine finden, der Transport mittels Stammzellen sei allerdings effektiver. Außerdem lasse sich auf diese Weise verhindern, dass das Immunsystem der Patienten auf die Viren aufmerksam wird und den Kampf gegen sie aufnimmt.

Ein Jahrhunderte lang erprobtes Virus

Bei ihrer Suche nach einer neuen Krebstherapie setzen die Experten vom CTRC auf das Vaccinia-Virus, das schon seit mehr als 200 Jahren als Impfstoff gegen Pocken im Einsatz ist und dabei bewiesen hat, dass es sicher zu verwenden ist. Weitere Eigenschaften machen es für den Einsatz am Patienten interessant: „Es integriert sich nicht in das Genom der Tumorzellen, es ist somit nicht mutagen, es zerstört nur die Zellen“, sagt der Biochemiker Fischer. Außerdem sei die Infektion für die Betroffenen in der Regel gut verträglich. Üblicherweise treten lediglich vorübergehend die für Viren typischen Symptome wie beispielsweise Fieber oder Gliederschmerzen auf.

Mehrere tausend Mäuse, die menschliche Tumore entwickelt hatten, haben Szalay und seine Mitarbeiter mittlerweile mit der von ihnen entwickelten Kombinationstherapie aus Viren und Stammzellen behandelt. Der Erfolg sei durchschlagend gewesen, so der Forscher: „In keinem einzigen Fall ist der Tumor danach zurückgekehrt“. Dennoch seien noch genug Fragen offen, die in den kommenden Jahren am CTRC untersucht werden sollen. Getestet werden soll beispielsweise:

  • wie wirksam unterschiedliche Arten von Stammzellen sind,
     
  • welche Kombination von Viren und Stammzellen ideal ist,
     
  • wie hoch die jeweilige Dosis sein muss,
     
  • worin sich Tumorzellen, Stammzellen und Tumorstammzellen molekularbiologisch unterscheiden.

Offen ist auch noch die Frage, ob ein einziges Behandlungsschema bei jeder Krebserkrankung zur Anwendung kommen kann – unabhängig von der jeweiligen Art des Tumors – oder ob es individuelle Ausprägungen im Rahmen einer personalisierten Krebs-Immunotherapie geben muss. Dies alles müsse in den kommenden Jahren getestet werden, „entscheidend wird am Ende sein, was funktioniert“, sagt Aladár Szalay. Dass dieser Ansatz prinzipiell funktioniert – davon sind die Wissenschaftler überzeugt.

Aktuelle Studien, in denen die Forscher über die Ergebnisse ihrer Forschung berichten, sind:

First-in-human study of TK-positive oncolytic vaccinia virus delivered by adipose stromal vascular fraction cells. Transl Med. 2019 Aug 19;17(1):271. doi: 10.1186/s12967-019-2011-3.

Delivery of oncolytic vaccinia virus by matched allogeneic stem cells overcomes critical innate and adaptive immune barriers. Transl Med. 2019 Mar 27;17(1):100. doi: 10.1186/s12967-019-1829-z.

Kontakt

Prof. Dr. Aladár Szalay, T: +49 931 31 84410, a.szalay_ctrc@uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Utz, Fischer, T: +49 931 31-84029, utz.fischer@biozentrum.uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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