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Vom Schein der Dinge

03.03.2020

Vier Sammlungen der Universität Würzburg präsentieren bis 31. Mai 2020 im Martin von Wagner Museum die Ausstellung „Im Netz des Sichtbaren“.

Die Ausstellung „Im Netz des Sichtbaren“ hinterfragt das eigene Sehen: Beim Tragen der „Umkehrbrille“ erscheint die Welt quasi auf dem Kopf stehend.
Die Ausstellung „Im Netz des Sichtbaren“ hinterfragt das eigene Sehen: Beim Tragen der „Umkehrbrille“ erscheint die Welt quasi auf dem Kopf stehend. (Bild: Esther Gildemann/Uni Würzburg)

Unsere Welt nehmen wir meist zuerst über die Augen wahr – unter den fünf Sinnen sticht das Sehen besonders hervor. „Im Netz des Sichtbaren“ ist eine Ausstellung, in der das eigene Sehen hinterfragt wird. Sie zeigt historische Objekte, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein könnten, hier aber durch intelligente „Blick-Geschichten“ miteinander verbunden werden: Dreidimensionale Wachsbilder von Körperteilen kranker Menschen treffen auf Zeichnungen des Künstlers und Archäologen Martin von Wagner, psychologische Experimente kontrastieren anatomische Studien, detailreiche Schulwandbilder fangen Blicke anders ein als das Sehen mit einer VR-Brille.

Facetten des Sehens

Im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts „INSIGHT. Signaturen des Blicks – Facetten des Sehens“ wurden für die Ausstellung „Blick-Geschichten“ erarbeitet: Wir glauben zu wissen, was und wie wir sehen – doch sehen wir alle gleich? Welcher Blick wurde uns anerzogen? Und was bleibt uns verborgen? „Die Dinge sind oft ganz anders, als sie scheinen“, lautet eine Hauptthese der Ausstellung.

Die Universität Würzburg beherbergt rund 30 Sammlungen, die für Lehre oder Forschung angelegt worden sind; die meisten davon sind für die Öffentlichkeit kaum oder gar nicht sichtbar. INSIGHT widmet sich seit 2017 unter einer gemeinsamen Fragestellung intensiv den Sammlungen des Zentrums für Geschichte der Psychologie, der Forschungsstelle Historische Bildmedien, des Instituts für Geschichte der Medizin und des Martin von Wagner Museums. Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung konnte das Projektteam Tausende Sammlungsobjekte sichern, erschließen, digitalisieren und zum Teil auch restaurieren; darunter beispielsweise 3.300 Zeichnungen von Martin von Wagner.

Alles auf den Kopf gestellt

Die Ergebnisse dieser dreijährigen Arbeiten sind in der gemeinsamen Ausstellung zu sehen. Sie wird dazu genutzt, Bilder und Sehkonventionen im gegenwärtigen Wissenschaftsbetrieb kritisch zu hinterfragen und den Umgang mit Bildern und Medien in allen Lebensbereichen – nicht nur in der Wissenschaft – zu ergründen. Interdisziplinär haben hierfür die Fächer Archäologie, Bildungswissenschaft, Kunstgeschichte, Medizingeschichte und Psychologie zusammengearbeitet. „Das Sehen wird mit der Ausstellung mehrperspektivisch selbst in den Blick genommen und als komplexes Gefüge zur Darstellung gebracht“, sagt Professor Andreas Dörpinghaus, Sprecher des Verbundprojekts INSIGHT.

Die Ausstellung zeigt auch, wie Seherfahrungen erforscht wurden – zum Beispiel anhand der „Umkehrbrille“, die der Besucher ausprobieren darf. Beim Tragen dieser Brille erscheint die Welt quasi auf dem Kopf stehend. Das eigene Verhalten wird durch das Tragen stark eingeschränkt, es ist zunächst unmöglich, beispielsweise Bälle zu fangen oder Fahrrad zu fahren. Jedoch haben Probanden nach einer Tragedauer von ungefähr einer Woche gelernt, sich an diese Sehbedingungen anzupassen. Zwar wird die Welt weiterhin „falschherum“ wahrgenommen, doch das Verhalten ist nun kaum mehr beeinträchtigt. Die Umkehrbrille stellt also alles auf den Kopf und steht exemplarisch für die Frage nach den Sehgewohnheiten und der sozio-kulturellen Einbettung.

Im Netz aus sichtbaren und nicht sichtbaren Dingen

Ästhetik und Wahrnehmung, Ethik des Sehens und Erziehung des Blicks funktionieren nicht getrennt voneinander, so die Ausstellungsmacher. Untersucht werden Strategien, Technologien und Medien der Sichtbarkeit beziehungsweise des Sichtbarmachens, die auf bestimmte Betrachter gerichtet sind. Menschen sind stets in einem Netz aus sichtbaren und nicht sichtbaren Dingen verwoben – dieses Netz wird in der Ausstellung veranschaulicht: In vier Themeninseln werden ästhetische, kuriose und verdrehte Objekte präsentiert, die auf den ersten Blick unterschiedlicher kaum sein könnten.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten: 29. Februar bis 31. Mai 2020, Di-Sa: 10–13:30 Uhr, jeden zweiten Sonntag: 10–13:30 Uhr.

Ort: Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg, Gemäldegalerie, Residenzplatz 2, Tor A, 97070 Würzburg

Eintritt: frei

Kontakt: Carolin Goll M. A., Martin von Wagner Museum, Neuere Abteilung: Tel. + 49 931 31-84987, Mail: insight@uni-wuerzburg.de

Rahmenprogramm mit Workshops, Führungen und Vorträgen:

Website: www.wue-macht-sichtbar.de

Von Annette Popp

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