Von China lernen?!
12.07.2022Podiumsdiskussionen, Gastvorträge und ein buntes Programm: Anfang Juli hat der Lehrstuhl „China Business and Economics“ sein zehnjähriges Jubiläum mit internationalen Gästen und vielen Ehemaligen gefeiert.
Vor zehn Jahren war vieles ganz anders: Doris Fischer war neu an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und noch nicht Mitglied der Universitätsleitung. Der Lehrstuhl, auf den sie berufen wurde, trug den Namen „Chinese and Commerce“ und nicht „China Business and Economics“. Und das Studienangebot in der Sinologie beschränkte sich auf den Bachelor-Studiengang „Modern China“ und den Master „Chinese Studies“. Die beiden Masterstudiengänge „China Business and Economics“ sowie „China Language and Economy“ waren erst in der Vorbereitung.
Ein Festakt in Zeiten von Corona
Auch weltpolitisch war die Situation eine andere: Xi Jinping war noch nicht Staatspräsident der Volksrepublik China, die Freiheitsrechte in Hongkong waren noch nicht so stark beschnitten wie heute, der Handelskrieg zwischen China und den USA hatte noch sechs Jahre Zeit bis zum Ausbruch. Und natürlich: SARS-CoV-2 beschränkte sich darauf, eine kleine Population von Fledermäusen zu besiedeln. Dass das Virus wenige Jahre später weltweit Wirtschaft, Handel, Kultur und das gesellschaftliche Leben zum zeitweiligen Stillstand bringen würde, hatte wohl nur eine kleine Gruppe von Expertinnen und Experten für möglich gehalten.
Corona war auch dafür verantwortlich, dass der Lehrstuhl „China Business and Economics“ sein zehnjähriges Jubiläum am ersten Juli-Wochenende nur unter erschwerten Bedingungen feiern konnte. „Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Alumni aus China haben uns geschrieben, dass sie gerne gekommen wären“, sagt Professorin Doris Fischer. Nachdem allerdings unklar sei, wie lange sie nach ihrer Rückkehr in Quarantäne müssen, hätten viele die Reise nach Würzburg gar nicht erst angetreten. Andere Alumni mussten ihre Teilnahme kurzfristig absagen, da sie sich in der fünften Welle infiziert hatten. Wenigstens hatten sie alle die Möglichkeit, einige Veranstaltungen live im Internet zu verfolgen und sich auf diesem Weg an den Diskussionen zu beteiligen.
Eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte
Als eine „Erfolgsgeschichte“ bezeichnete Unipräsident Paul Pauli in seinem Grußwort zur Eröffnung des Jubiläumsprogramms die zehnjährige Geschichte des Lehrstuhls. Mit seiner doppelten Angliederung an die Sinologie in der Philosophischen Fakultät und an die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät sei dieser nach wie vor einmalig in Deutschland, und im internationalen Vergleich zumindest außergewöhnlich. Auch die beiden Masterstudiengänge seien einzigartig, so Pauli.
Ihr Erfolg lässt sich in Zahlen bemessen: Fast 250 Absolventinnen und Absolventen haben inzwischen die verschiedenen Studiengänge erfolgreich absolviert; fünf Doktorandinnen und Doktoranden haben am Lehrstuhl für China Business and Economics ihre Promotionen abgeschlossen. Von den derzeit neun laufenden Dissertationsprojekten werden fünf von Absolventinnen und Absolventen der beiden Masterstudiengänge „China Business and Economics“ sowie „China Language and Economy“ bearbeitet. Und die erste Doktorandin, Sabrina Weithmann, ist heute Professorin an der Technischen Hochschule Aschaffenburg.
Nicht nur deutsche Studierende haben sich für einen der Studiengänge der Würzburger Sinologie eingeschrieben. Viele von ihnen kommen aus dem europäischen Ausland, aus Amerika, Lateinamerika, Asien und Afrika. „Am Lehrstuhl für China Business and Economics wird die Interdisziplinarität gelebt, die wir anstreben“, so der Unipräsident. Allen, die vor mehr als zehn Jahren an der Gründung des Lehrstuhls und der Einrichtung des neuen Studienangebots beteiligt waren, dankte Pauli für ihr Engagement. Doris Fischer wünschte er alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft.
Gastvortrag und Podiumsdiskussion
Podiumsdiskussionen und Gastvorträge, gesellschaftliche Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten: Mit einem bunten Mix feierte der Lehrstuhl zusammen mit Alumni, Gästen und Wegbegleitern sein Jubiläum. Wissenschaft und Forschung standen am ersten Tag im Mittelpunkt. So hielt zur Eröffnung im Toscanasaal in der Residenz Sabrina Habich-Sobiegalla den Vortrag „What's in a Number? Big Data and Quantified Communication in China's Poverty Alleviation Campaign”. Habich-Sobiegalla ist Professorin am Institut für Chinastudien der Freien Universität Berlin und in ihrer Funktion als Sprecherin des Arbeitskreises Sozialwissenschaftliche Chinaforschung (ASC) Nachfolgerin von Doris Fischer.
Die anschließende Podiumsdiskussion stand unter der Überschrift „Industrial Policy Lessons from China – Powerful Tool or Precarious Precipice?“ Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob die deutsche Regierung sich stärker auf dem Gebiet der Industriepolitik engagieren solle, oder ob ein freier Markt nicht doch die besseren Ergebnisse erziele – beispielsweise, wenn es um den Umbau der Energieversorgung geht, den Ausbau einer Lade-Infrastruktur für E-Fahrzeuge oder das Verbot von Verbrennungsmotoren.
Moderiert von Hannes Gohli, Doktorand am Lehrstuhl für China Business and Economics, diskutierten Doris Fischer, Sarah Eaton, Professorin für Transregional China Studies an der Humboldt-Universität Berlin, und Dr. Daniel Fuchs, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der HU Berlin.
Was Deutschland von China lernen kann
Und wenn schon Expertinnen und Experten für Chinas Wirtschaftspolitik zusammensitzen, liegt natürlich eine Frage nahe: Kann Deutschland möglicherweise von China lernen, wenn es um den staatlich gelenkte Förderprogramme geht? Und, wenn ja, was – wollte jedenfalls Moderator Hannes Gohli wissen.
Dabei zeigte sich in einem Punkt ein hohes Maß an Übereinstimmung auf dem Podium: Alle betonten, dass Deutschland und die EU schon seit Langem intensiv Industriepolitik betreiben, sei es beispielsweise beim Ausstieg aus der Kohle, sei es durch die Einspeisevergütung für Strom aus regenerativen Quellen.
Ob der Westen sich Peking als Vorbild nehmen solle: Da zögerten die Expertinnen und der Experte mit einer Antwort. Allein Doris Fischer hatte einen konkreten Vorschlag: „Bei der Suche nach geeigneten Maßnahmen, mit denen sich ein spezielles Ziel erreichen lässt, führt China häufig eine Vielzahl von lokalen Experimenten durch und hofft, auf diese Weise das beste Modell zu finden“, sagte sie. In diesem Punkt könne Deutschland, könne Europa ihrer Meinung nach tatsächlich von Peking lernen.
Links
Homepage des Lehrstuhls für China Business and Economics
Informationen zur Geschichte der Sinologie an der JMU
Pressemitteilung zur Berufung von Doris Fischer
Kontakt
Prof. Dr. Doris Fischer, Lehrstuhl für China Business and Economics, T: +49 931 31-89101 doris.fischer@uni-wuerzburg.de