Von Würzburg in die Welt
13.04.2021Alumna Livia Schäffler hat an der Universität Würzburg Biologie studiert. Heute erforscht sie, welche Konsequenzen es hat, wenn Biodiversität verloren geht. Leidenschaft und Durchhaltevermögen sind dafür notwendig.
Was arbeiten Absolventinnen und Absolventen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU)? Um Studierenden verschiedene Perspektiven vorzustellen, hat Michaela Thiel, Geschäftsführerin des zentralen Alumni-Netzwerks, ausgewählte Ehemalige befragt. Diesmal ist Alumna Dr. Livia Schäffler an der Reihe.
Livia Schäffler hat Biologie an der JMU studiert und im Rahmen einer International Study and Training Partnership ein akademisches Jahr an der Duke University in North Carolina (USA) verbracht. Für ihre Diplomarbeit und Promotion im Fach „Biologische Diversität und Ökologie“ hat sie am Deutschen Primatenzentrum die Populations- und Gemeinschaftsökologie madagassischer Lemurenarten erforscht.
Nach zwei Postdoc-Stellen in anderen Einrichtungen hat Livia Schäffler eine Festanstellung am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn angenommen, wo sie in ihrer Sektion Conservation Ecology/ Naturschutzökologie mehrere interdisziplinäre Verbundforschungsprojekte zu den Ursachen und Konsequenzen des Biodiversitätsverlustes leitet.
Frau Dr. Schäffler, wie würden Sie Ihre Arbeit einem Laien beschreiben? Mit meiner Forschung möchte ich zum Schutz der biologischen Vielfalt auf nationaler und internationaler Ebene beitragen. Um wirksame Naturschutzmaßnahmen entwickeln zu können, ist ein Verständnis der Ursachen und Auswirkungen von Artenrückgängen von zentraler Bedeutung. Da die Gründe für den Verlust der Biodiversität vielfältig sind, ist die fächerübergreifende Zusammenarbeit ein wichtiger Bestandteil meiner Projekte. Darüber hinaus lege ich großen Wert auf anwendungsorientierte Forschung, also darauf, Lösungsansätze von Anfang an mitzudenken und für deren erfolgreiche Umsetzung auch Akteure aus Politik und Gesellschaft einzubeziehen.
Wie sind Sie zu Ihrem aktuellen Job gekommen? Nach meinem Studium an der Uni Würzburg mit dem Auslandsaufenthalt an der Duke University bin ich für meine Diplom- und Doktorarbeit an das Deutsche Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung – gegangen und habe seither fast ausschließlich in der Leibniz-Gemeinschaft geforscht. Am Museum für Naturkunde Berlin – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung – habe ich den Leibniz‐Verbund Biodiversität in leitender Funktion koordiniert. Daraus hat sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem damaligen Direktor des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere – in Bonn ergeben. Er hat mir eine feste Stelle angeboten, um die Erforschung von Ursachen und Auswirkungen des Biodiversitätsverlustes voranzubringen.
Wie ging es in Bonn weiter? Seither habe ich mehrere interdisziplinäre Verbundforschungsprojekte realisiert und meine eigene Sektion Conservation Ecology gegründet. Damit konnte ich einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau unseres neuen Zentrums für Biodiversitätsmonitoring leisten und die strategische Erweiterung des Museums Koenig zum Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels mit Sitz in Bonn und Hamburg unterstützen.
Was erforschen sie in Ihren aktuellen Projekten? Seit der Veröffentlichung zu den dramatischen Biomasseverlusten bei Fluginsekten in deutschen Schutzgebieten erfährt das Thema „Insektensterben“ weltweit große Aufmerksamkeit. Daran anknüpfend möchten wir beispielsweise im interdisziplinären Verbundforschungsprojekt INPEDIV die Frage klären, wie sich die Situation bei der Diversität von Insekten darstellt, was die Ursachen für den Rückgang sind und welche die Konsequenzen er auf der Ebene ökologischer Gemeinschaften hat.
Wie gehen Sie dabei vor? Um Einflüsse aus der Landwirtschaft auf die Biodiversität zu untersuchen, haben wir Schutzgebiete ausgewählt, die direkt an Ackerland grenzen, und erfassen entlang von Transekten die Vegetation, die Bodenfauna, Fluginsekten und insektenfressende Wirbeltiere. Als mögliche Einflussfaktoren untersuchen wir unter anderem die historische und derzeitige Landnutzung, die Landschaftsstruktur in der Umgebung, den Nährstoffgehalt der Böden sowie die chemische Belastung durch Pestizide.
Was ist das Ziel dieser Forschung? Mit unserer Arbeit möchten wir die Wissensgrundlage schaffen, die beispielsweise für eine verbesserte Schutzgebietsplanung oder Änderungen der Landnutzung notwendig ist. Eine nachhaltigere Nutzung natürlicher Ressourcen betrifft aber nicht nur die landwirtschaftliche Praxis – der mit insektenfreundlichen Produktionsbedingungen verbundene Mehraufwand und die resultierenden höheren Lebensmittelpreise müssen natürlich von der Gesellschaft mitgetragen werden.
Das heißt, Sie konzentrieren sich auf die Situation in Deutschland? Nein, ich beschäftigte mich außerdem nach wie vor mit dem Schutz der Biodiversität in Madagaskar und hoffe, in naher Zukunft auch meine Feldforschung an Lemuren wieder aufnehmen zu können.
Was ist das Problem in Madagaskar? Seit dem Abschluss meiner Doktorarbeit hat sich die Lage der madagassischen Wälder leider erheblich verschlechtert. Die voranschreitende Zerstörung natürlicher Lebensräume in Kombination mit der Entnahme von Wildtieren aus der Natur verstärkt den Kontakt mit Menschen und Nutzvieh. Damit erhöht sich auch das Risiko für Mutationen, die zu einer Übertragung neuartiger Erreger über Artengrenzen hinweg führen können. Insbesondere Primaten und Fledermäuse sind Träger vieler potenziell für den Menschen gefährlicher Zoonosen. Die aktuelle Covid19-Pandemie verdeutlicht auf drastische Weise, wie wichtig der Erhalt von Ökosystemen und Biodiversität insbesondere in den Tropen für die globale Gesundheit ist.
Sehen Sie eine Lösung für dieses Problem? Lösungen hierfür anzubieten ist alles andere als einfach, denn die Zerstörung natürlicher Lebensräume hat vielfältige Ursachen. Soziale Ungleichheit in Entwicklungsländern führt unweigerlich zum Raubbau an der Natur, aber auch mit unserem eigenen oft wenig nachhaltigen Konsumverhalten tragen wir zum Verlust von Biodiversität in anderen Teilen der Welt bei. Um negative „Telecoupling“-Effekte – also den Einfluss unseres Verhaltens auf Ökosysteme anderswo – zu reduzieren, muss die Bevölkerung weiter sensibilisiert werden. Erfreulicherweise zeichnet sich bei der jüngeren Generation mittlerweile ein verbessertes Umweltbewusstsein ab.
Was lieben Sie besonders an Ihrer Arbeit? Die Vielfältigkeit! Von der Projektentwicklung und Antragsstellung über Feldforschung, Laborarbeit und Datenauswertung bis hin zur Veröffentlichung und Kommunikation von Ergebnissen fallen vollkommen unterschiedliche Tätigkeiten an.
Was ist die größte Herausforderung? Das Management größerer Verbundforschungsprojekte ist durchaus anspruchsvoll. Neben der Koordination von Projektpartnern und Mitarbeitern fallen auch viele administrative Aufgaben an. Um vom Erkenntnisgewinn zur erfolgreichen Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen zu kommen, ist außerdem viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit notwendig.
Welche Eigenschaft sollte man in Ihrem Beruf unbedingt mitbringen? Man muss schon eine gehörige Portion Leidenschaft und Durchhaltevermögen mitbringen, um sich angesichts der schwierigen Ausgangslage nicht von der Forschung für den Schutz der Biodiversität abbringen zu lassen. Außerdem Kommunikationsfähigkeit, Freude an der interdisziplinären Zusammenarbeit und eine breite Wissensgrundlage.
Was würden Sie Studierenden empfehlen, die einen ähnlichen Beruf einschlagen möchten wie Sie? Um in der Forschung für den Erhalt der Artenvielfalt Fuß fassen zu können, sollte man aus meiner Sicht möglichst früh vielfältige praktische Erfahrungen sammeln, ob als studentische Hilfskraft an der Uni oder durch ehrenamtlichen Einsatz für den Naturschutz. Auslandsaufenthalte an hochrangigen Einrichtungen sind nicht nur für die fachliche Qualifikation wichtig, sondern erweitern auch den eigenen Horizont.
An welche Begebenheit aus Ihrem Studium erinnern Sie sich besonders gerne? Mit meinen Interessen an organismischer Biologie war ich an der Uni Würzburg bestens aufgehoben. Die Lehrstühle „Verhaltensphysiologie und Soziobiologie“ (Zoologie II) und „Tierökologie und Tropenbiologie“ (Zoologie III) waren mit den Professoren Bert Hölldobler und Karl Eduard Linsenmair hochrangig besetzt und boten mir die besten Studienmöglichkeiten. Besonders gerne erinnere ich mich an die schöne Zeit als studentische Hilfskraft in Arbeitsgruppen der Zoologie II und eine großartige geländefaunistische Exkursion nach Italien mit der Zoologie III. Die beste und wichtigste Erfahrung war aber sicherlich mein akademisches Jahr an der Duke University, das mir die Universität Würzburg ermöglicht hat. Ohne diese wichtige Station in meinem Leben wäre mein Karriereweg vielleicht anders verlaufen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Sie sind selbst noch nicht Mitglied im Netzwerk der Universität? Dann sind Sie herzlich eingeladen, sich über www.alumni.uni-wuerzburg.de zu registrieren! Hier finden Sie auch die bislang veröffentlichten Porträts von Alumni und Alumnae der JMU.
Mehr Informationen zu Livia Schäfflers Forschung gibt es hier.