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Walther auf Tschechisch singen lassen

07.01.2025

Anežka Klimentová promoviert in Brünn in Älterer deutscher Literatur. Sie war zu Gast bei der Germanistik der Universität Würzburg. In ihrem Dissertationsprojekt übersetzt sie Minnelieder verschiedener Autoren ins Tschechische.

Ein Teil des Dissertationsprojekts ist den Minneliedern Walthers von der Vogelweide (siehe Bild) gewidmet..
Ein Teil des Dissertationsprojekts ist den Minneliedern Walthers von der Vogelweide (siehe Bild) gewidmet. (Bild: Jan Forkel / Universität Würzburg)

„Co je to láska, kdo poví mi?” ist Tschechisch für: „Was ist die Liebe, wer kann es mir sagen?“ Eine Frage, in zwei Sprachen gestellt, doch keine ist das Original. Der Vers stammt nämlich aus der Feder Walthers von der Vogelweide: „Saget mir ieman, waz ist minne?“ Als Minnedichter des Mittelalters ist Walther von der Vogelweide einer der berühmtesten Namen deutscher Literatur. In Würzburg steht für ihn nicht nur eine Statue am Frankonia-Brunnen vor der Residenz, sondern eine weitere Besonderheit weist die Stadt auf: Im Lusamgärtchen der Neumünsterkirche befindet sich das Grabmal des Liedermachers – über den vermutet wird, er sei in der Domstadt begraben.

Sein Werk lebt weiter: In unzähligen deutschen Übersetzungen sind seine Minnelieder erhältlich. Aber wie sieht es mit anderssprachigen Versionen aus? Um das Tschechische kümmert sich Anežka Klimentová. In ihrem Dissertationsprojekt übersetzt sie unter anderem mittelhochdeutsche Minnelieder in die tschechische Sprache: „Mit meiner Promotionsarbeit möchte ich Übersetzenden die Tür in die Literatur des Mittelalters öffnen und eine Debatte ins Leben rufen, die mögliche Übersetzungs-Techniken ausloten kann“, so die Promovendin.

Zu Gast in Würzburg

Ihre Promotion schließt sie aktuell am Lehrstuhl für Germanistik, Skandinavistik und Niederlandistik an der Universität Brünn ab. Förderung erhält Klimentová dabei von der Hermann-Niermann-Stiftung. Im Förderprogramm enthalten war ein Forschungsaufenthalt an der Universität Würzburg. Zu Gast war die Promovendin bei Professorin Regina Toepfer vom Lehrstuhl für deutsche Philologie.

„Dass eine Doktorandin in Tschechien den deutschen Minnesang erforscht, ist etwas Besonderes“, betont Toepfer. „In ihrem Oberseminar stellte Frau Klimentová ihr Dissertationsprojekt wiederholt vor. Das Nachdenken darüber, wie man am besten übersetzt, passt sehr gut zu den Würzburger Forschungsschwerpunkten, insbesondere zum DFG-Schwerpunktprogramm 'Übersetzungskulturen der Frühen Neuzeit'. Zu hören, wie es Frau Klimentová gelingt, Rhythmus und Klang der mittelhochdeutschen Minnelieder im Tschechischen nachzubilden, ist eindrucksvoll“, so die Gastgeberin.

Unterschiedliche Frauen-Darstellungen

Bei den Übersetzungen handelt es sich lediglich um einen Teil des Projekts: „Zunächst untersuche ich die Frauenfiguren in den Liedern des frühen Minnesangs und wie diese dargestellt werden“, so Klimentová, „im nächsten Schritt vergleiche ich die Darstellung in diesen frühen, provenzalischen Ausprägungen mit den klassischen Minneliedern.“

Zu den Klassikern zählen Dichter wie Walther von der Vogelweide, Heinrich von Morungen und Reinmar der Alte. Selbst unter ihnen gäbe es verschiedene Frauen-Figuren: „Walther von der Vogelweide unterscheidet nicht zwischen wîp und vrouwe. Für ihn sind diese Begriffe gleichwertig und bezeichnen eine höfische Dame. Bei der ersten Bezeichnung grenzt er noch das unwîp ab, das nur außerhalb des Hof-Kontextes aufzufinden ist“, so die Germanistin. Reinmar der Alte hingegen ziehe diese Grenze der Lebenswelten nicht; er benutze vrouwe als Bezeichnung aller Frauen.

Ein Leitfaden für künftige Übersetzungen

Zudem analysiert Klimentová französische, spanische und englische Übersetzungen derselben Minnelieder und wie die Frauen in diesen Ausgaben dargestellt werden. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen fertigt sie tschechische Versionen der mittelalterlichen Lieder an. An diesem Punkt endet ihre Arbeit jedoch nicht: „Der letzte Schritt ist, über meine eigenen Übersetzungen zu reflektieren, Probleme aufzuschreiben und einen Leitfaden für Übersetzerinnen und Übersetzer ins Tschechische zu erstellen.“ Sie hofft mit ihrem Projekt, einem tschechischem Lesepublikum die Literatur des Mittelalters näherzubringen: „Beginnend mit dem Minnesang öffne sich die Tür für Übersetzungen von Versromanen und die Möglichkeit für zweisprachige Ausgaben – Mittelhochdeutsch auf der einen und Tschechisch auf der anderen Seite“, so Klimentová.

Zur Person

Anežka Klimentová ist 1996 in Prag geboren worden. Dort studierte sie Bohemistik und Germanistik zunächst mit der Intention, als Lehrerin zu arbeiten. Sie entschied sich aber für eine akademische Karriere und schloss 2020 ihr germanistisches Masterstudium an der Universität in Brünn ab. Aktuell promoviert sie dort in Älterer deutscher Literatur am Lehrstuhl für Germanistik, Skandinavistik und Niederlandistik.

Das Dissertationsprojekt läuft unter folgendem Titel:

Ich will dir, selic frouwe, minneclichen singen. Schilderung der Frauenfiguren in den Liedern des frühen deutschen Minnesangs. Die Lieder in der tschechischen Übersetzung“.

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Von Martin Brandstätter

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