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Wann Recht zwingend ist – und wann nicht

26.10.2021

Timoleon Kosmides ist Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Thessaloniki. Als Humboldt-Stipendiat ist er jetzt Gast an der Uni Würzburg. Er untersucht, in welchen Fällen Abweichungen von Rechtsnormen möglich sind.

Er hat in Griechenland studiert, in München promoviert und ist jetzt als Humboldt-Stipendiat für einen Forschungsaufenthalt an der Uni Würzburg: Timoleon Kosmides, Assistant Professor an der Aristoteles-Universität Thessaloniki.
Er hat in Griechenland studiert, in München promoviert und ist jetzt als Humboldt-Stipendiat für einen Forschungsaufenthalt an der Uni Würzburg: Timoleon Kosmides, Assistant Professor an der Aristoteles-Universität Thessaloniki. (Bild: Gunnar Bartsch / Universität Würzburg)

Eigentlich scheint der Fall ganz klar: Herr Meyer verkauft seinen alten Opel, der schon rund 150.000 Kilometer auf dem Tacho hat, und vereinbart mit dem Käufer, dass der Anspruch auf Schadenersatz nach einem Jahr verjährt. In dem schriftlichen Kaufvertrag wird dies so festgehalten. Als der Wagen nach 14 Monaten mit einem kapitalen Getriebeschaden liegen bleibt, erinnert sich der Käufer daran, dass die gesetzliche Regelung eine Verjährung erst nach zwei Jahren vorsieht, und ficht nun den Kaufvertrag an.

Wird er damit durchkommen? Im Prinzip diese Frage untersucht Professor Timoleon Kosmides in den kommenden Monaten an der Universität Würzburg. Kosmides ist Assistant Professor an der Aristoteles-Universität Thessaloniki. Mit einem Forschungsstipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ausgezeichnet, arbeitet er an der JMU an seinem Forschungsprojekt „Zwingendes und dispositives Vertragsrecht – Eine Studie des griechischen Rechts im Lichte der europäischen Vertragsrechtsvereinheitlichung“. Sein Gastgeber ist Professor Florian Bien, Inhaber des Lehrstuhls für globales Wirtschaftsrecht, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht.

Manche Rechtsnormen sind nicht zwingend

„Im Privat- und im Vertragsrecht ist eine zentrale Frage, ob die Vertragspartner von einer gesetzlichen Regelung abweichen dürfen oder nicht“, erklärt Timoleon Kosmides. Im konkreten Fall heißt das also: Gilt im Fall des Autoverkaufs die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren? Oder durften die Vertragsparteien davon abweichen – womit der Käufer kein Anrecht auf Schadenersatz hätte?

Wer nun denkt, „Gesetz ist Gesetz. Davon abweichen ist nicht möglich“, liegt falsch. „Man unterscheidet in der Rechtswissenschaft, ob eine Rechtsnorm zwingenden oder dispositiven Charakter hat“, erklärt Kosmides. Zwingendes Recht ist klar: Damit sind Rechtsnormen gemeint, die allgemeine Geltung haben und deshalb durch vertragliche Vereinbarungen weder geändert noch aufgehoben werden können. Anders sieht es im Fall der dispositiven Normen aus: „Dabei handelt es sich um gesetzliche Vorschriften, von denen die Vertragspartner abweichen dürfen“, erklärt Kosmides.

Konzentration auf das griechische Rechtssystem

Leider sei nicht immer eindeutig geregelt, ob ein Gesetz zwingenden oder dispositiven Charakter hat. Dann sind die Expertinnen und Experten mit ihren Auslegungen gefragt. Für ihn als Rechtswissenschaftler sei auch interessant zu untersuchen, wie der Gesetzgeber vorgehen soll, wenn er neue Regelungen erlassen will: wann er sie als zwingend ausgestaltet, wann nicht, und wann er dies – vielleicht bewusst – offen lässt.

In seiner Forschung konzentriert sich Kosmides dabei auf das griechische Recht. „Für das deutsche Recht ist diese Frage hinreichend geklärt“, sagt er. Dazu gebe es bereits zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen. Anders im Fall Griechenlands. Hier sei das Zivilgesetzbuch aus dem Jahr 1946 zwar stark vom deutschen Recht beeinflusst, insbesondere vom Bürgerlichen Gesetzbuch BGB. Dennoch gebe es zahlreiche Abweichungen. Diese will der Rechtswissenschaftler in den kommenden Monaten erforschen und im Rahmen einer Monographie veröffentlichen.

In Griechenland studiert, in München promoviert

Timoleon Kosmides (38) hat sein Jurastudium in Griechenland mit der Bestnote abgeschlossen. Im Anschluss daran hat er an der Juristischen Fakultät der LMU München den LL.M. im Europäischen und internationalen Wirtschaftsrecht erworben und dort auch mit Auszeichnung (summa cum laude) promoviert. Als Postdoc war er unter anderem am Münchner Max-Planck-Institut für Immaterialgüter und Wettbewerbsrecht tätig; Gastprofessuren führten ihn mehrfach ins europäische und außereuropäische Ausland – unter anderem nach Peking und Mexiko-Stadt.

Wieso er sich für sein aktuelles Forschungsprojekt die Universität Würzburg ausgesucht hat? „Zwischen den Juristischen Fakultäten der Universitäten in Thessaloniki und Würzburg gibt es schon seit vielen Jahren eine Kooperationsvereinbarung“, sagt er. Bei einem Gastvortrag habe er vor Längerem Professor Bien kennen gelernt und den Kontakt gehalten. „Professor Bien ist ein sehr dynamischer Jurist, der nicht nur in Deutschland, sondern auch international einen sehr guten Ruf hat“, sagt er. Bien zählt seinen Worten nach sogar „zu den besten Privatrechtlern der neuen Generation“, weshalb er sehr gerne zum Forschen an Biens Lehrstuhl gekommen sei.

Ursprünglich hatte Timoleon Kosmides geplant, deutlich früher nach Würzburg zu kommen. Dann hat ihm die Coronapandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Inzwischen sind Reisen von und nach Griechenland wieder problemlos möglich. Viel Pendeln wird der Rechtswissenschaftler trotzdem nicht. Nachdem er an seiner Heimatuniversität „forschungsfrei“ hat, will er sich hier ganz auf sein Projekt konzentrieren. Wenn es gut läuft, können die Ergebnisse dazu beitragen, dass er in Thessaloniki eine weitere Stufe der akademischen Leiter erklimmen kann.

Kontakt

Prof. Dr. Timoleon Kosmides, Faculty of Law, Aristotle University of Thessaloniki, tkosmides@law.auth.gr

Von Gunnar Bartsch

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