Was der Gesellschaft nutzt
05.03.2019Christina Felfe de Ormeño hat seit Oktober 2018 den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Uni Würzburg inne. Als Expertin für Arbeitsmarktökonomie forscht sie an Themen, die zumeist heiß diskutiert sind.
Sie geht der Frage nach, welche Faktoren die Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt hemmen. Sie untersucht, welche Maßnahmen der Politik die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund unterstützen. Sie erforscht, wie ein Betreuungssystem ausgestaltet sein sollte, sodass Kinder aller Bildungsschichten davon profitieren. Man könnte auch sagen, Christina Felfe de Ormeño arbeitet an den Brennpunkten der gesellschaftlichen Diskussion. Seit dem Wintersemester 2018/19 hat die Professorin den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsmarktökonomie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) inne. Oberstes Ziel ihrer Forschung sei es, Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragen zu erarbeiten, sagt sie.
Besser integriert dank des Geburtsortsprinzips
Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund ist ein gutes Beispiel für solch eine „gesellschaftlich relevante Frage“, mit der sich momentan viele Menschen beschäftigen. Ein Ansatz zu einer besseren Integration könnte es sein, Kindern, die in Deutschland geboren werden, automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft zu verleihen – unabhängig von der Nationalität ihrer Eltern. Dieses sogenannte „Geburtsortsprinzip“ gilt in Deutschland bedingt seit dem 1. Januar 2000. Was es für die Integration bringt, hat die Volkswirtin vor Kurzem untersucht.
„Unsere Studie zeigt, dass Kinder mit Migrationshintergrund, die nach der Einführung des Geburtsortsprinzips geboren wurden, häufiger den Kindergarten besuchen, häufiger aufs Gymnasium wechseln und sich auch sozial besser integrieren“, erklärt Felfe de Ormeño. Die Entscheidung der Politik, die noch nicht einmal mit Kosten verbunden war, habe also einen deutlich messbaren Erfolg nach sich gezogen.
Determinanten eines zukünftigen Erfolgs identifizieren: Das sei ein wesentliches Ziel der Forschung von Arbeitsmarktökonomen, sagt die Professorin. Dazu gehören dann auch Fragen, wie etwa: Welche Maßnahmen der Politik beeinflussen diese Determinanten? In welchen Bereichen besteht Nachholbedarf? Und natürlich: Wie ist das Verhältnis von Aufwand und Ertrag der jeweiligen Maßnahmen; wie groß ist der jeweilige Nutzen? Dabei steht für die Volkswirtin allerdings nicht der individuelle Nutzen im Vordergrund. „Wir betrachten nicht Individuen, sondern immer die Gesellschaft, und untersuchen, wie der Staat dafür Sorge tragen kann, dass es der Gesellschaft als Ganzes möglichst gut geht.“
Aus Würzburg in die Welt und zurück
Christina Felfe de Ormeño ist in Würzburg geboren und aufgewachsen. Bei dem obligatorischen Besuch im Berufsinformationszentrum während der Gymnasialzeit hatte ihr die Beraterin in quasi prophetischer Voraussicht nahegelegt, Volkswirtschaftslehre mit einem Schwerpunkt in Soziologie zu studieren. Diesem Rat war Felfe de Ormeño zunächst allerdings nicht gefolgt. Stattdessen schrieb sie sich für das Studium der Kulturwirtschaft an der Universität Passau ein – einer Kombination aus Wirtschaftswissenschaften, Sprachen, Kultur, Geographie und Soziologie. Weil ihr dabei recht bald Mathematik und Statistik fehlten, immatrikulierte sie sich zusätzlich für das Diplomstudium der Wirtschaftswissenschaften.
Es folgten Stationen in Granada, ein Praktikum in einer Bank, Studium und Hiwi-Tätigkeiten an der Humboldt-Universität in Berlin, durch die sich nach und nach herauskristallisierte, dass Wissenschaft und die Beschäftigung mit sozioökonomischen Themen für sie den richtigen Weg bedeuten würden. Natürlich: „Eine wissenschaftliche Karriere ist hart. Es geht nur darum, wie viel man publiziert und wie viel an Drittmitteln man eingeworben hat“, sagt Felfe de Ormeño. Wer dann auch noch – so wie sie – in dieser Zeit drei Kinder bekommt, muss über eine hohe intrinsische Motivation verfügen und für sein Thema brennen, um die Belastung, die damit über einen langen Zeitraum einhergeht, zu verkraften.
Die Gesellschaft steht in der Pflicht
Woher kommt es, dass Frauen mit Kindern im Durchschnitt weniger verdienen als Frauen ohne Kinder? Werden Frauen in unserer Gesellschaft systematisch diskriminiert? Auch diese Fragen sind Gegenstand der Forschung von Christina Felfe de Ormeño. Da liegt es nahe, sie zu fragen, ob sie selbst im Laufe ihrer akademischen Karriere Benachteiligungen erfahren hat – als Frau und Mutter von drei Kindern. Klare Antwort: „Nein, ich habe mich nie benachteiligt gefühlt“. Dass eine Schwangerschaft eine enorme Belastung für jede Frau darstellt, sei zwangsläufig. Kinder müssten es allerdings nicht sein. An diesem Punkt sieht die Professorin die Gesellschaft in Verantwortung: „Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass geeignete Institutionen der Frau den Rücken frei halten, wenn sie arbeiten geht“, sagt sie. Spezielle Erwartungen gegenüber Müttern und deren Umgang mit ihren Kindern seien hingegen fehl am Platze.
Einen Plan B für den Fall, dass es mit der wissenschaftlichen Karriere nichts werden würde, hatte Christina Felfe de Ormeño natürlich auch: Politikberatung. Auf diesem Gebiet war sie immer wieder tätig – auch dort beschäftigte sie sich mit Fragen der Gleichstellung, Integration oder Betreuung von Kindern. Was ihr daran nicht gefiel, war die Abhängigkeit vom Auftraggeber, der sich in der Regel eine wissenschaftlich fundierte Bestätigung seiner Ideen und Konzepte erwartet habe. Diesen Weg wollte die Professorin nicht gehen. Ihr ist es wichtig, „empirisch belastbare Evidenzen“ für konkrete Maßnahmen aufzuzeigen – ohne eine spezielle Maßnahme schon im Vorhinein zu bevorzugen. Essentiell ist die Eingriffe des Staates erfüllen ihren Zweck und dies möglichst effizient – wenn es etwa darum geht, Chancengleichheit herzustellen oder die Gesellschaft voranzubringen.
Kontakt
Prof. Dr. Christina Felfe de Ormeño, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsmarktökonomik, T: +49 931 31-84969, christina.felfe@uni-wuerzburg.de