Was dran ist an der Weihnachtsgeschichte
22.12.2020Maria und Josef mit dem Jesuskind in der Krippe. Über dem Stall leuchtet der Stern von Bethlehem, davor stehen drei Könige mit Geschenken. Kann es so gewesen sein? Das hinterfragt ein Historiker der Uni Würzburg.
Ist die Weihnachtsgeschichte ein Mythos? Eine sinnstiftende Geschichte von der Geburt des Erlösers und der Rettung der Welt? Oder war es tatsächlich so, wie es an Weihnachten landauf, landab in Gottesdiensten und Familien erzählt und vorgelesen wird?
Wer wissen will, was historisch dran ist an der Weihnachtsgeschichte, sollte das neueste Video auf dem YouTube-Kanal Mythistory ansehen. Dort beschäftigt sich Dr. Dr. Benjamin Hasselhorn von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg mit Geschichtsmythen. Er will die Mechanismen und Bedingungen ergründen, unter denen sich Mythen bilden. Um dieses Thema dreht sich auch sein Habilitationsprojekt am Institut für Geschichte.
Der zweifach promovierte JMU-Wissenschaftler (Geschichte und evangelische Theologie) hat sich auf YouTube zuletzt mit dem Althistoriker Michael Sommer von der Uni Oldenburg über die Netflix-Serie „Barbaren“ und die Arminiusschlacht im Teutoburger Wald unterhalten. Ein anderes Gesprächsvideo befasst sich mit der neuen Staffel von „The Crown“ und dem Mythos um die britische Prinzessin Diana.
Zwei Quellen zur Weihnachtsgeschichte
Nun also steht die Weihnachtsgeschichte im Mittelpunkt. Wobei schon diese Formulierung nicht stimmt: Es gibt zwei Weihnachtsgeschichten. „Wir kennen zwei Quellen: das Evangelium nach Matthäus und das Evangelium nach Lukas. Sie erzählen zwei verschiedene Geschichten“, erklärt Hasselhorn.
Diese beiden Geschichten klopft er in seinem Video von allen Seiten ab – ein typisch geschichtswissenschaftliches Vorgehen: Historikerinnen und Historiker versuchen, die Fakten zu ermitteln, indem sie kritisch die Quellen prüfen: Welche Quellen gibt es? Was sagen sie? Und wie zuverlässig sind sie?
Die Weihnachtsgeschichte von Lukas
Lukas berichtet von einer Volkszählung, die der römische Kaiser Augustus veranlasst. Josef aus Nazareth muss sich daraufhin nach Bethlehem aufmachen, um sich zählen zu lassen, denn er stammt aus dieser Stadt. Josefs Frau Maria ist schwanger und begleitet ihn. In Bethlehem kommt ihr Kind zur Welt, in einem Stall in einer Futterkrippe, weil es nirgends sonst Platz gibt.
Lukas berichtet dann noch von Hirten, die in der Nacht der Geburt in der Nähe auf einem Feld wachen. Ihnen erscheint ein Engel und verkündet die Geburt des Heilands, des Retters der Welt. Die Hirten machen sich auf zu dem Stall, finden das Kind und die Mutter und erzählen ihr alles.
Die Weihnachtsgeschichte von Matthäus
Auch Matthäus berichtet, dass Jesus in Bethlehem geboren wird. Der Rest der Geschichte geht aber anders: Weise aus dem Morgenland kommen nach Jerusalem zu König Herodes, denn sie haben einen Stern aufgehen sehen, der einen neugeborenen König der Juden ankündigt.
Herodes freut sich aber nicht, sondern fürchtet einen Konkurrenten. Er lässt seine Theologen in den Heiligen Schriften nachforschen, wo genau dieser Messias zur Welt kommen soll. Sie finden eine Prophezeiung des Propheten Micha, der Bethlehem nennt. Herodes schickt die Weisen also nach Bethlehem. Als sie sich aufmachen, ist der Stern wieder da und führt sie bis zu Maria und dem Kind. Sie fallen vor dem Kind auf die Knie, beten es an und schenken ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Weil sie in einem Traum gewarnt werden, verraten sie Herodes nichts und ziehen stattdessen zurück in ihre Heimat.
Fakten und Deutung sind miteinander verwoben
Wie zuverlässig sind diese beiden Quellen? Wer das im Detail erfahren will, sollte sich Hasselhorns Video ansehen:
Die Weihnachtsgeschichte - ein Mythos?
Am Ende kommt der JMU-Wissenschaftler zum Fazit, dass es sich bei beiden Weihnachtsgeschichten um Geschichte handelt, die vom christlichen Glauben her gedeutet wurde. Fakten und Deutung sind von Anfang an ineinander verwoben – typisch für einen Mythos.
Dazu Hasselhorn: „Lukas und Matthäus haben eine sinnstiftende Geschichte geschrieben und damit einen Mythos begründet. Eine Geschichte, die von der Geburt des Retters handelt, der der Welt endlich Frieden bringen wird. Und ganz egal, ob wir diese Geschichte für historisch zuverlässig halten oder nicht: Gebrauchen können wir sie ziemlich gut, diese Friedensbotschaft."
Kontakt
Dr. Dr. Benjamin Hasselhorn, Lehrstuhl für Neueste Geschichte, Universität Würzburg, T +49 931 31-80922, benjamin.hasselhorn@uni-wuerzburg.de