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Was Heuschrecken fressen

17.05.2022

Über die Nahrungsnetze pflanzenfressender Insekten ist nicht viel bekannt. Ein Team vom Biozentrum forscht nach – in Unterfranken ebenso wie in den Berchtesgadener Alpen.

Drei Heuschrecken-Arten, deren Ernährungsverhalten untersucht wurde (v.l.): der Kiesbankgrashüpfer, die Alpine Gebirgsschrecke, die an einer Labkraut-Art frisst, und der auch in Unterfranken vorkommende Warzenbeißer.
Drei Heuschrecken-Arten, deren Ernährungsverhalten untersucht wurde (v.l.): der Kiesbankgrashüpfer, die Alpine Gebirgsschrecke, die an einer Labkraut-Art frisst, und der auch in Unterfranken vorkommende Warzenbeißer. (Bild: Sebastian König / Universität Würzburg)

Wer an einem lauen Sommerabend an einer Wiese vorbeispaziert, bekommt oft ein imposantes Konzert geboten. Es sind Heuschrecken, die mit ihrem Zirpen für mediterrane Stimmung sorgen. Meistens sind die Gesänge zu hören, mit denen Männchen die Weibchen zur Paarung anlocken wollen. Es kann sich aber auch um Rivalengesänge handeln, wenn zwei Männchen sich zu nahekommen.

Grashüpfer, Grillen, Heupferde: Die Namen dieser Heuschrecken dürften den meisten Menschen geläufig sein. Insgesamt gibt es über 80 Heuschreckenarten in Deutschland.

„Heuschrecken sind für viele Wiesen-Ökosysteme sehr wichtig“, sagt der Zoologe Sebastian König vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg: Die Insekten sind eine bedeutsame Nahrungsquelle für Vögel. Und als Pflanzenfresser entfernen sie bis zu 30 Prozent der Pflanzenbiomasse auf einer Wiese und fördern so das gemeinsame Vorkommen vieler Pflanzenarten.

Klimawandel: Wie reagieren Nahrungsnetze?

Heuschrecken und ihre Ernährungsgewohnheiten sind ein wissenschaftlich spannendes Thema. Denn es gibt generell noch großen Forschungsbedarf zu den Nahrungsnetzen, die Pflanzen und pflanzenfressende Insekten miteinander verbinden.

Warum sich die Wissenschaft dafür interessiert? „Es ist wichtig zu verstehen, wie Nahrungsnetze funktionieren, um ihre Stabilität im Kontext des Klimawandels vorhersagen zu können“, erklärt König, der als Doktorand am JMU-Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie bei Professor Ingolf Steffan-Dewenter und Co-Betreuer Professor Jochen Krauß forscht.

Mehr als 3.000 Heuschrecken beobachtet

Einen ersten Beitrag zum Verständnis der Heuschrecken-Nahrungsnetze haben König und Fachkollegen aus Würzburg, München und Salzburg im Journal Global Change Biology veröffentlicht.

Für die Studie wurden Heuschrecken-Pflanzen-Gemeinschaften in unterschiedlichen Gebieten untersucht – an warmen Standorten bei Karlstadt und Winterhausen in Unterfranken wie auch in den Berchtesgadener Alpen. So konnten die Artengemeinschaften entlang eines klimatischen Gradienten analysiert werden, und zwar in Höhenlagen von 250 bis 2.100 Metern.

Das Team stellte in den Sommern 2019, 2020 und 2021 auf 41 Wiesenflächen fest, welche Heuschrecken-Arten an welchen Pflanzen fressen. Es beobachtete dabei mehr als 3.000 Individuen von 54 Arten. Und es sammelte die Kotpellets der Tiere und analysierte die darin enthaltenen Pflanzenreste mittels DNA-Sequenzierung.

Theorie zur Nahrungsnischenbreite teilweise bestätigt

Die Ökologen wollten die vor einigen Jahren aufgestellte Hypothese prüfen, dass es für Insekten in höheren Lagen von Vorteil sein sollte, unterschiedliche Arten von Pflanzen fressen zu können. Das würde Sinn machen, denn in der hochalpinen Umgebung ist die Auswahl an Nahrungspflanzen nicht sehr groß. Es empfiehlt sich, dort auch wegen der hohen Umgebungsvariabilität nicht allzu wählerisch zu sein.

Königs Studie bestätigt die Hypothese zum Teil. Sie zeigt, dass Heuschrecken in kalten Regionen ein relativ breites Spektrum von Pflanzen fressen. Das gilt aber auch für warme Lebensräume, etwa für die unterfränkischen Kalkmagerrasen. In Gebieten mit gemäßigten Temperaturen, wo die Zahl der Pflanzenarten groß ist, sind die Heuschrecken dagegen stärker auf Pflanzen spezialisiert, die eng miteinander verwandt sind. Aber auch die Ressourcenzusammensetzung spielt eine wichtige Rolle für die Pflanzenfresser. So dominieren beispielsweise Grashüpfer mit einer Vorliebe für Gräser in grasreichen Wiesen.

Das Fazit der Forscher: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Klima und die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften die Nahrungsspezialisierung von Pflanzenfressern beeinflussen. Wenn Pflanzenfresser viele unterschiedliche Arten verspeisen, könnte das eine Anpassung und eine Voraussetzung dafür sein, in klimatisch extremen Lebensräumen überleben zu können.“

Jetzt wird die Darmflora der Heuschrecken analysiert

Die Würzburger Wissenschaftler wollen jetzt noch mehr Fakten über die Nahrungsnischenbreite von pflanzenfressenden Insekten zusammentragen. Als nächstes werden sie die Mikroorganismen analysieren, die im Darm der Heuschrecken leben. Auf diese Weise sollen mögliche Beziehungen zwischen der Ernährungsweise und der Diversität und Zusammensetzung der Darmflora aufgedeckt werden.

Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst hat diese Studie im Rahmen des Programms „Exzellenzverbünde und Universitätskooperationen“ gefördert.

Publikation

Phylogenetic relatedness of food plants reveals highest insect herbivore specialization at intermediate temperatures along a broad climatic gradient. Sebastian König, Jochen Krauss, Alexander Keller, Lukas Bofinger, Ingolf Steffan-Dewenter. Global Change Biology, 16. April 2022, DOI: 10.1111/gcb.16199

Kontakt

Sebastian König, Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie, Biozentrum der Universität Würzburg, sebastian.c.koenig@uni-wuerzburg.de

Von Robert Emmerich

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