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Was Menschen im Raum Würzburg bewegt

04.02.2025

Mobilität, Wohnen, Klima und Umwelt: Diese Themen brennen den Menschen in Würzburg unter den Nägeln, wie eine Studie der Universität Würzburg zeigt. Das könnte auch Einfluss auf die anstehenden Wahlen haben.

2024 hat ein Forschungsteam der Uni Würzburg die Bevölkerung in der Stadt und im Landkreis befragt. Die Studie gibt Auskunft über Sorgen, aber auch Zufriedenheit der Menschen in der Region.
2024 hat ein Forschungsteam der Uni Würzburg die Bevölkerung in der Stadt und im Landkreis befragt. Die Studie gibt Auskunft über Sorgen, aber auch Zufriedenheit der Menschen in der Region. (Bild: Lehrstuhl für Fernerkundung / Universität Würzburg)

In den kommenden Monaten dürfen die Einwohner Würzburgs gleich zwei Mal ihre Stimme abgeben: bei der Wahl zum Bundestag am 23. Februar und bei der Wahl einer neuen Oberbürgermeisterin oder eines neuen Oberbürgermeisters am 4. Mai 2025. Für den Bundestag läuft der Wahlkampf bereits, für die OB-Wahl dürfte er spätestens im März starten. Und womit heute schon fest gerechnet werden darf: Es wird vermutlich keinen Kandidaten und keine Kandidatin geben, die nicht mantraartig betonen werden, die „Sorgen der Bevölkerung“ ernst zu nehmen.

Welche Sorgen die Bevölkerung in der Stadt und im Landkreis Würzburg umtreiben: Darüber gibt eine Studie Auskunft, die ein Forschungsteam der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) im vergangenen Jahr durchgeführt hat. Rund 2.400 Personen haben dafür einen zwölf Seiten starken Fragebogen ausgefüllt und damit Auskunft darüber gegeben, wie sie ihre Lebenssituation bewerten und welche Herausforderungen für sie von Bedeutung sind. Es handelt sich um die aktuell größte Sozialerhebung in Stadt und Landkreis Würzburg. Verantwortlich dafür war Ulrike Zeigermann, Juniorprofessorin für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung an der JMU.

Mobilität steht mit großem Abstand an der Spitze

„Befragt nach den ihrer Ansicht nach größten Probleme und Herausforderungen in Stadt und Landkreis Würzburg, nennen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vier Bereiche am häufigsten: Mobilität, Wohnen, Klima und Umwelt sowie Migration", stellt Ulrike Zeigermann das zentrale Ergebnis der Studie vor. Das Thema „Mobilität“ steht dabei mit 1.490 Nennungen mit großem Abstand an der Spitze, gefolgt von der Sorge um günstigen Wohnraum mit 592 Stimmen. Der Bereich „Klima und Umwelt“ liegt mit 493 Nennungen knapp vor den 462 Stimmen zum Themenkomplex „Migration“.

Das Thema „Mobilität“ in den Mittelpunkt des Wahlkampfes zu stellen, könnte demnach eine erfolgversprechende Strategie sein. Wobei ein genauer Blick in die Auswertung der Studie zeigt: Ganz so einfach ist es nicht. „Während sich ein Teil der Befragten über zu viele Staus und Baustellen sowie zu wenige Parkplätze beklagt, bemängeln andere eine unzureichende Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Radfahrerinnen und Radfahrer monieren hingegen Qualität, Umfang und Sicherheit der Radwege“, erklärt Zeigermann.

Gleiches gilt für den Bereich Migration; auch hier gehen die Antworten in unterschiedliche Richtungen: „Während ein Teil der Befragten Zuwanderung nach Deutschland an sich als Herausforderung ansieht, problematisieren andere die mangelnde Integration und Inklusion ausländischer Personen in die lokale Gesellschaft“, so die Politikwissenschaftlerin.

Einigkeit in den Bereichen Wohnen und Umwelt

Einigkeit herrscht hingegen bei den anderen Themenkomplexen: Beim Stichwort „Wohnen“ geht es allen Befragten in erster Linie um die grundsätzliche Verfügbarkeit von Wohnraum und um dessen Bezahlbarkeit. Und der Klimawandel lässt viele Menschen in der Region mit Sorge auf Herausforderungen wie die zunehmende Trockenheit, Hitze, Extremwetter und Wasserknappheit blicken. Dementsprechend sehen sie Herausforderungen für die Stadt und den Landkreis vor allem in Bereichen wie der zunehmenden Flächenversiegelung, dem Trinkwasserschutz, dem Ausstoß von Treibhausgasen und dem Verlust an Biodiversität.

Allerdings zeigt die Studie auch deutliche Unterschiede in diesen Urteilen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. So nehmen beispielsweise Frauen Krisen und Herausforderungen deutlich stärker wahr als Männer. Während sich etwa 47,7 Prozent der Männer von Kriegen und Terrorismus stark bis sehr stark bedroht fühlen, sind es unter den Frauen 61,2 Prozent. Sorgen um die Versorgungssicherheit machen sich 41 Prozent der Frauen; unter den Männern bewegt dieses Thema nur 31,8 Prozent stärker.

Ähnlich die Kluft zwischen Alt und Jung: „Jüngere Personen als Hauptbetroffene von langfristigen Klimaveränderungen und Umweltzerstörungen zeigen sich bei der Wahrnehmung des Klimawandels und von Umweltkrisen deutlich besorgter als ältere Befragte“, sagt Ulrike Zeigermann. Umgekehrt fühlen sich jüngere Personen im Vergleich zu älteren Personengruppen deutlich geringer durch die Digitalisierung und künstliche Intelligenz bedroht.

Großes Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien

Auch einen Hinweis darauf, über welche Kanäle Wahlkämpfer am besten ihr Publikum erreichen, gibt die Studie der Uni Würzburg. Sie zeigt, dass die Menschen in der Region mit durchschnittlich 8,8 Stunden pro Woche die Angebote öffentlich-rechtlicher TV-Sender und Radiokanäle sehen beziehungsweise hören. Online-Angebote stehen mit 5,2 Stunden pro Woche auf Platz 2, gefolgt von überregionalen privaten TV-Sendern und Radiokanälen mit 4,3 Stunden. 2,5 Stunden pro Woche entfallen auf lokale private TV-Sender und Radiokanäle.

„Um die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, ist jedoch nicht nur ihr Nutzungsverhalten, sondern auch ihr Vertrauen in die unterschiedlichen Informationsquellen relevant“, sagt Zeigermann. Auch darüber gibt die Studie Auskunft: Demnach vertrauen in der Region Würzburg 64,4 Prozent der Befragten öffentlich-rechtlichen TV-Sendern und Radiokanälen eher oder voll und ganz. Etwa gleichauf befinden sich die lokalen (56,6 Prozent) und die überregionalen (55,0 Prozent) Tages- und Wochenzeitungen. Privaten Angeboten, egal ob lokal oder überregional, wird eher misstraut. Dafür werden Informationen aus kommunalen Quellen von 75,5 Prozent als vertrauenswürdig eingeschätzt.

Was bedeutet das jetzt für Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer in und um Würzburg? „Unsere Studie gibt sehr detailliert Auskunft darüber, welche Themen die Menschen im Raum Würzburg bewegen. Sie zeigt Politikerinnen und Politiker sehr gut, wo die Betroffenen Handlungsbedarf sehen. Welche Schritte konkret daraus folgen, wird je nach Parteizugehörigkeit variieren“, sagt Ulrike Zeigermann.

Die Studie

Ulrike Zeigermanns Studie stand unter der Überschrift „Wir in Würzburg – Befragung zum Zusammenhalt in Stadt und Landkreis Würzburg“. Durchgeführt wurde sie in Kooperation mit der Smarten Region Würzburg – einem gemeinsamen Projekt von Stadt und Landkreis Würzburg. Ziel dieses Projekts ist es, „mit innovativen Lösungen die Bedürfnisse der Gemeinschaft zu erfüllen und die Lebensqualität in der Region zu verbessern“, wie es auf der Homepage heißt. Dafür sollen sowohl analoge als auch digitale Angebote entwickelt und miteinander kombiniert werden. Das Leitmotiv dafür lautet: „Soziale Resilienz – Menschlich aus der Krise“.

Dementsprechend war es nicht Ziel von Ulrike Zeigermanns Studie, Informationen für den Wahlkampf zu liefern. Zweck der Befragung war es vielmehr, den Status quo der sozialen Resilienz in Stadt und Landkreis Würzburg zu messen und Handlungsfelder der Smarten Region Strategie zu bewerten. „In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Krisen wie beispielsweise der Klimawandel oder die Corona-Pandemie, kombiniert mit einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, unter anderem durch die Digitalisierung, sowohl die globalen als auch die lokalen Strukturen stark verändert“, sagt die Wissenschaftlerin. In diesem Kontext werde die Verbesserung der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit von Gesellschaften zu einer zunehmend relevanten gesellschaftspolitischen Herausforderung.

Mit dieser Studie legen die Smarte Region Würzburg und die JMU den Grundstein für die Betrachtung langfristiger Entwicklungen. Eine weitere Bürgerbefragung ist für 2026 geplant, um den gesellschaftlichen Wandel und die Auswirkungen getroffener Maßnahmen zu analysieren.

Mehr Informationen

Das Forschungsprojekt „Wir in Würzburg – Befragung zum Zusammenhalt in Stadt und Landkreis“

Ulrike Zeigermanns Homepage

Smarte Region Würzburg

Kontakt

Prof. Dr. Ulrike Zeigermann, Juniorprofessur für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung der JMU, T: +49 931 31-83142,

ulrike.zeigermann@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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