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„Was Schönheit ist, weiß ich nicht“

18.06.2019

Würzburgs früherer Bischof Dr. Friedhelm Hofmann und Professor Heinz Mack trafen sich an der Uni Würzburg zum Künstlergespräch. Der Pressedienst des Ordinariats Würzburg hat darüber berichtet:

Über das Thema "Theologie und Kunstgeschichte" diskutierten (von links) Moderator Professor Martin Stuflesser, Heinz Mack, freier Maler und Bildhauer, und Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann.
Über das Thema "Theologie und Kunstgeschichte" diskutierten (von links) Moderator Professor Martin Stuflesser, Heinz Mack, freier Maler und Bildhauer, und Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann. (Bild: Kerstin Schmeiser-Weiß / POW)

Bei einem ebenso tiefgründigen wie kurzweiligen Künstlergespräch haben sich der promovierte Kunsthistoriker Bischof em. Dr. Friedhelm Hofmann und Professor Heinz Mack, freier Maler und Bildhauer, am Mittwochabend, 5. Juni, über das Thema „Theologie und Kunstgeschichte“ ausgetauscht. Vor rund 70 Interessierten diskutierten sie in der Neuen Universität in Würzburg über den Beginn ihrer Zusammenarbeit, die Definition von Schönheit oder die Gemeinsamkeiten von Kunst und Theologie.

Beide verteidigten entschieden die Freiheit der Kunst. „Ich achte sehr darauf, dass ich ein freier Mann bleibe, dass ich mir selbst treu bleibe“, erklärte Mack. „Die Kirche ist gut beraten, die Eigenständigkeit der Kunst wahrzunehmen, keine Schranken zu errichten, sondern das Geheimnis, das in der bildenden Kunst sichtbar wird, anzunehmen“, sagte Bischof Hofmann. „Wir werden die Reihe sicher fortsetzen“, versprach Moderator Professor Martin Stuflesser, Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft, nach dem langanhaltenden Schlussapplaus.

Eine Lichtgestalt in der zeitgenössischen Kunst

In seinem Einführungsvortrag „Heinz Mack – eine Lichtgestalt in der zeitgenössischen Kunst“ beschrieb Bischof Hofmann den Beginn der Zusammenarbeit mit Mack. In den 1980er-Jahren – damals war er Domkapitular und Künstlerseelsorger des Erzbistums Köln – habe er nach einem zeitgenössischen Künstler gesucht, um die Kapelle im Erzbischöflichen Collegium Marianum in Neuss neu zu gestalten. Einen „heruntergekommenen, 1908 neobarock errichteten, langweiligen Kapellenraum“, beschrieb Bischof Hofmann, der selbst Schüler am Collegium Marianum gewesen war. „Belanglos gestaltete Kirchen gab es genug. Hier sollte aber ein Kirchenraum entstehen, der von besonderer künstlerischer Qualität die Öffnung der Kirche zur zeitgenössischen Kunst spiegelte.“ Mack sei sowohl als Mitbegründer der „ZERO“-Gruppe wie als philosophisch hoch gebildeter Künstler bekannt gewesen, der sich intensiv mit der Lichtthematik des Philosophen Plotin (205 bis 270 nach Christus) auseinandergesetzt habe.

Licht ist der Schlüssel für die Gestaltung

Licht sei auch „das Schlüsselwort für die Gestaltung des ganzen Raumes“, erklärte der Bischof die Umgestaltung der Kapelle. Macks Absicht sei es nach eigenen Worten, „Gegenstände zu machen, deren Erscheinungsweise immateriell ist. Hierzu dienen mir vor allem anderen das Licht und die Bewegung.“ Die neue Eingangstür habe er wie ein „M“ für „Maria“ gestaltet. Mit den von ihm geschaffenen Fenstern entwickle er eine „sich zum Altarraum steigernde Lichtfülle“ – von der Erschaffung des Lichts bis zur Erschaffung des Menschen. Demgegenüber stünden Engelsdarstellungen aus weißem Stukkaturputz. „Geistwesen, die schon in ihrer Gestaltung vibrierende Kraftfelder entfesseln“, beschrieb Bischof Hofmann. Eine Schranke aus Plexiglaszylindern ziehe sich „wie ein Lichtschleier“ zwischen Altarraum und Kirchenschiff und zwinge „zum bewussten Sehen, zum Hindurchschauen bis in die eigentliche Tiefe“. Alles werde überstrahlt von dem aus weißem Estremoz-Marmor geschnittenen Lichtkreuz.

Es habe sich um keine Auftragsarbeit gehandelt, betonte Bischof Hofmann auf eine Frage aus dem Publikum: Der Künstler sei absolut frei von Vorgaben gewesen. Mack selbst beschrieb die Arbeit an der Kapelle als eine Gratwanderung zwischen Gewissheit und Zweifel: „Ich habe mich einem Abenteuer gestellt.“ Umso mehr freue es ihn, dass die Kapelle außerordentlich beliebt sei. Sie sei auch für junge Menschen ein Magnet, bestätigte Bischof Hofmann. Und die Arbeit sei „noch nicht ganz abgeschlossen“, wie Mack erklärte. So wurde die Ausstattung Jahr 2017 um zwei Altarleuchter und in diesem Jahr um ein dreidimensionales Vortragskreuz ergänzt. Ob sich die Liturgie in einem Kunstwerk anders feiere, wollte Stuflesser wissen. „Es hat schon eine Wirkung auf den, der dort zelebriert“, bestätigte der Bischof: „Es ist nicht einfach nur ein Abspulen des Ritus, sondern man kommt in die Geschichte dahinter.“

Den Blick auf das Schöne ins Bild bringen

Mack habe durch seine Kunst den Begriff der Schönheit auf eine neue Weise ins Gespräch gebracht, war Bischof Hofmann überzeugt. „Wir können nicht nur von Katastrophen und den schrecklichen Dingen reden. Gerade auch von der Theologie her müssen wir eigentlich den Blick auf Gott, auf das Schöne ins Bild bringen.“ Er sei der Kunst und den Künstlern dankbar für die Möglichkeit, den Menschen dabei zu helfen, das Schöne auch im Schwierigen zu erkennen. „Was Schönheit ist, weiß ich nicht“, konterte Mack und erklärte mit leichter Selbstironie, dass die härteste Kritik sei: „Es ist ja viel zu schön was der Mack macht.“ Für Plotin sei das Schöne identisch gewesen mit Gott. Mack vertrat die These, dass wirklich große Künstler „irgendwie religiös“ seien. Matisse beispielsweise habe auf die Frage, ob er religiös sei, geantwortet: „Wenn ich male, ja. Aber wenn ich den Pinsel wieder hingelegt habe, dann nicht mehr.“ Für Bischof Hofmann war klar, dass das Faszinosum der Kunst eben darin bestehe, dass sie mehr sei als das, was der Künstler selbst hineinlegen könne.

Antworten auf die Fragen nach dem Sinn

Künstler und Theologen beschäftigten sich mit den gleichen Fragen, war Mack überzeugt: „Wo komme ich her? Wo gehe ich hin?“ Diese Sinnfragen gingen alle Menschen an. „Der Künstler muss genauso versuchen, auf diese Fragen eine Antwort zu finden. Aber Kirche hat meines Erachtens als Allererste die Aufgabe, diese Sinnfragen zu beantworten.“ Bischof Hofmann wiederum plädierte für einen engen Dialog zwischen der Kunst und den Theologen, den Gläubigen. „Wir haben über die Kunst Zugänge zum Glauben, die wir ohne sie nicht haben.“

In der lebhaften Diskussion wurde Mack auch nach künftigen Projekten gefragt. „Mein größter Wunsch in dieser Welt, in der alles rational erklärt wird, wäre es, ein Werk zu hinterlassen, das keine Erklärung mehr erlaubt, das ein Rätsel bleibt.“

Zur Person: Heinz Mack

Heinz Mack, Jahrgang 1931, studierte von 1950 bis 1953 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf sowie bis 1956 Philosophie an der Universität Köln und schloss beides mit dem Staatsexamen ab. Gemeinsam mit Otto Piene gründete er 1957 die Gruppe „ZERO“ in Düsseldorf. Er nahm an der Documenta II (1959) und der Documenta III (1964) teil und vertrat die Bundesrepublik Deutschland 1970 auf der XXXV. Biennale in Venedig. Im selben Jahr erhielt er eine Professur für einen Lehrauftrag in Osaka (Japan) und wurde ordentliches Mitglied der Akademie der Künste (Berlin), der er bis 1992 angehörte. Mack wurde unter anderem mit dem Kunstpreis der Stadt Krefeld (1958), dem Premio Marzotto (1963), dem 1. Prix arts plastiques der 4. Biennale de Paris (1965), dem 1. Preis des internationalen Wettbewerbs Licht 79 der Niederlande (1979), dem Großen Kulturpreis des Rheinischen Sparkassenverbandes (1992) und dem Preis der Kulturstiftung Dortmund (2012) ausgezeichnet. 2011 erhielt er das „Große Verdienstkreuz mit Stern“ der Bundesrepublik Deutschland. 2015 wurde er einstimmig zum Ehrenmitglied der Kunstakademie Düsseldorf gewählt. Die Stadt Düsseldorf verlieh Mack 2016 den Jan-Wellem-Ring, 2017 erhielt er die Moses Mendelssohn Medaille. Sein zentrales künstlerisches Thema ist das Licht, seine gegenstandslosen Skulpturen und Bilder sind Medien hierzu.

Von sti (POW)

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