Weil jede Sprache wertvoll ist
11.02.2020Mehrsprachigkeit war diesmal bei der Abschlussfeier der Würzburger Lehramtsabsolventen ein zentrales Thema. Außerdem zeichnete Univizepräsidentin Ulrike Holzgrabe die Prüfungsbesten aus dem Staatsexamen aus.
Sie sollen die deutsche Grammatik lernen. Und irgendwann flüssig Deutsch sprechen. Damit das gelingt, wird Kindern aus Migrantenfamilien oft verboten, in der Schule in ihrer Muttersprache zu reden. Das ist nicht gut, betonte Sanna Pohlmann-Rother, Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg bei der Abschlussfeier der Lehramtsabsolventen in der Würzburger Neubaukirche. Mehrsprachigkeit, so Pohlmann-Rother, sei eine wertvolle Ressource.
So gut wie alle Lehrer unterrichten heute Kinder aus fremden Kulturen. Auch jene 313 junge Menschen, die in diesem Wintersemester ihr Lehramtsstudium mit dem Ersten Staatsexamen abgeschlossen haben, werden sehr wahrscheinlich Kinder aus der Türkei, aus Italien, Afghanistan oder Syrien in ihrer Klasse sitzen haben. „Lassen Sie sich auf die sprachliche Vielfalt ein“, appellierte Pohlmann-Rother. Alle Sprachen, so die Pädagogin, hätten „Bildungswert“. Mehrsprachigkeit sollte deshalb in Schulen gefördert werden: „Zum Beispiel, indem man die Sprachen der Kinder in den Unterricht einbindet.“
Vorbild Schweden?
Wer sich in Kinder aus Migrantenfamilien hineindenkt, erkennt unschwer, wie problematisch „Sprachverbote“ in der Schule sind. „Die Kinder erfahren ihre Sprachpraxis als Abweichung von der Norm“, so Pohlmann-Rother. Und zwar selbst dann, wenn sie in der Schule die Mehrheit stellen. Laut der Professorin gibt es keine Studie, die nachweisen könnte, dass das Unterdrücken der Familiensprache für die Kinder förderlich wäre: „In Studien zeigt sich eher, dass die systematische Einbeziehung von Mehrsprachigkeit gut für das Schulklima ist.“
Andere Kulturen erweitern den eigenen Horizont. Das hat Cordula Temme soeben erfahren. Temme war eine von 170 Lehramtsabsolventinnen und Lehramtsabsolventen, die an der von der Professional School of Education (PSE) ausgerichteten Abschlussfeier teilnahmen. Die 26-Jährige, die aus Pforzheim stammt, studierte Gymnasiallehramt mit den Fächern Französisch und Deutsch, außerdem ließ sie sich zur Expertin für Deutsch als Zweitsprache ausbilden. Auch Schwedisch spricht Temme ein bisschen. Weshalb sie soeben ein zweimonatiges Praktikum in Schweden absolvierte. Das dortige Schulsystem, stellte sie fest, ist völlig anders als das deutsche.
Schüler zu irgendetwas zu zwingen, wird in Schweden als inakzeptabel angesehen, sagt Temme: „Ruft man dort einen Schüler auf und bittet ihn, etwas vorzulesen, kann es sein, dass er ‚Nein!‘ sagt.“ Und dieses Recht hat er. Freiheit wird, wie Temme erfuhr, in Schweden riesengroß geschrieben. Schüler entscheiden, ob und was sie lernen. Lehrerinnen und Lehrer sind frei in dem, wie sie ihren Unterricht gestalten: „Ich konnte zum Beispiel ohne Weiteres ein Projekt zum Mauerfall machen.“ Das fand Temme gut.
Viele „Aha-Erlebnisse“
Fünf Studierende glänzten im Examen mit durchweg guten Leistungen. Als Prüfungsbeste wurden sie während der Abschlussfeier von Uni-Vizepräsidentin Ulrike Holzgrabe und PSE-Geschäftsführer Matthias Erhardt besonders geehrt. Beste von 64 Absolventen des Grundschullehrsamts war Lorena Hock. Sebastian Zechel legte das beste Staatsexamen von 38 angehenden Mittelschullehrern ab. Nina Schmolinsky war Beste unter 89 Studierenden der Sonderpädagogik. Julia Holleber schloss ihr Studium auf Realschullehramt als Beste unter 25 Absolventen ab. Und Nicolas Braune war Bester unter 97 angehenden Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrern.
Sie habe sich fast jeden anderen Job vorstellen können: „Nur Lehrerin wollte ich nicht werden“, schmunzelte Nina Schmolinsky. Dann ergab es sich, dass sie in Würzburg einen Studienplatz in der Sonderpädagogik erhielt, so die 24-Jährige aus dem Unterallgäu. Sie ließ sich darauf ein. Und fing Feuer. Selbst die Vorbereitung aufs Examen, so hart diese Zeit auch war, habe ihr Spaß gemacht: „Es gab viele Aha-Erlebnisse bei dem, was ich gelesen habe.“ Womöglich sei es diesem Enthusiasmus zu verdanken gewesen, dass sie Prüfungsbeste wurde, meinte die junge Frau, die derzeit als Aushilfslehrerin an einer Förderschule in Marktheidenfeld tätig ist.
Sebastian Zechel sieht als Mittelschullehrer eine Chance, all das, was ihn interessiert und bewegt, beruflich einbringen zu können. Ursprünglich hatte er Gymnasiallehrer werden wollen. Doch dann entschied sich der 25-Jährige aus Rehau im Landkreis Hof um. Dass man sich als Student für das Lehramt an Mittelschulen in vier Fächern fit machen kann, hat ihn gereizt. Als leidenschaftlicher Schwimmer belegte Zechel Sport, außerdem Musik, seine zweite Leidenschaft, sowie Biologie und Mathematik. Die Schüler für sich zu gewinnen, bereitete dem kontaktfreudigen jungen Mann in den bisherigen Praktika keine Probleme. Die verbreiteten Vorurteile gegen Mittelschüler kann er bei seinen Praxiseinsätzen definitiv nicht bestätigen.