Weißsein sichtbar machen
27.03.2018Mit einem neuen interdisziplinären Forschungsansatz beschäftigt sich ein Seminar von Melissa Silva. Das Seminar „Critical Whiteness“ steht beispielhaft für das breite Veranstaltungsprogramm des interkulturellen Lehrprogramms „Globale Systeme und Interkulturelle Kompetenz“ der Universität Würzburg.
Mit über hundert Veranstaltungen pro Semester bietet das bundesweit einzigartige Projekt „Globale Systeme und Interkulturelle Kompetenz“ (GSIK) Studierenden der Universität Würzburg ein vielseitiges interdisziplinäres Veranstaltungsprogramm. Die deutsch-amerikanische Pädagogin und GSIK-Mitarbeiterin Melissa Silva brachte nun ein neues Themenfeld in das Programm ein: „Critical Whiteness“.
„Weißsein“ als Norm?
In einem von ihr konzipierten Seminar setzt sich die Dozentin seit dem Wintersemester 2017/18 mit "Critical Whiteness", einem aus den USA kommenden Forschungsansatz, auseinander. Auch im Sommersemester 2018 bietet sie ein Seminar mit dem Titel „Critical Whiteness – Weißsein sichtbar machen“ an, das für Studierende aller Studiengänge und -abschlüsse offen ist.
Die Lehrveranstaltung behandelt den wissenschaftlichen und zugleich politischen Ansatz des „Critical Whiteness“, der hierzulande als „kritische Weißseinsforschung“ bezeichnet wird. Zudem beschäftigen sich die Teilnehmer mit der Frage, inwieweit der Diskurs auf Deutschland übertragen werden kann.
Was es mit dem Forschungsansatz auf sich hat und in welchem Verhältnis er zur Interkulturalität steht, erklärt Melissa Silva im Gespräch.
Woher kommt der Begriff „Critical Whiteness“ und was bedeutet er?
Silva: Der wissenschaftliche und politische Ansatz von „Critical Whiteness“ wirft einen kritischen Blick auf das historisch gewordene, soziale Konstrukt des Weißseins als unhinterfragter „Norm“. Dabei geht es vor allem auch darum, die Verbindung des Weißseins mit der Herstellung gesellschaftlicher Positionen und Privilegien aufzuzeigen. Der interdisziplinäre Ansatz entstand in den USA, womit sich die Frage stellt, in welcher Weise die Auseinandersetzung mit der Thematik auf Deutschland übertragen werden kann. Hier spricht man in diesem Zusammenhang auch von „kritischer Weißseinsforschung“. Des Weiteren wird im Rahmen der Auseinandersetzung mit Weißsein auch Bezug auf die Verschränkungen mit anderen normstiftenden Kategorien, wie etwa Geschlecht, Religion oder Staatsbürgerschaft genommen.
Weshalb bieten Sie dieses Seminar an?
Silva: Ich fand es wichtig, dass dieses Seminar angeboten wird, da es einen Einstieg in die Thematik liefert. Dabei sollen durch kritische Reflexion auf rassistische Strukturen bestimmte Denkmuster sichtbar gemacht werden. Ziel ist es, Weißsein zu markieren und sichtbar zu machen und hierdurch Studierenden einen reflexiven Zugang zur eigenen Position in der Gesellschaft zu eröffnen. Dies halte ich für einen sehr wichtigen Prozess, der gerade auch im universitären Kontext angestoßen werden sollte.
Das Seminar wird im Rahmen des GSIK-Projekts der Universität Würzburg angeboten. Was hat es mit diesem Projekt auf sich?
Silva: GSIK steht für „Globale Systeme und Interkulturelle Kompetenz“. Das Projekt bietet den Studierenden an der Universität Würzburg die Möglichkeit, sich neben ihrem Studium in diesem Feld weiterzubilden. Interkulturelle Kompetenz gilt ja als eine der wichtigsten Schlüsselqualifikationen unserer Zeit. Zudem zeichnet sich GSIK durch Interdisziplinarität aus: Am Projekt beteiligt sind zahlreiche Fakultäten, und die Seminare sind für Studierende aller Fachbereiche geöffnet. Dabei geht es vor allem auch darum, gesellschaftliche Phänomene aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. GSIK hat entsprechend den Anspruch, Studierende für die Verhältnisse in einer pluralen Gesellschaft zu sensibilisieren, wozu eben auch die Auseinandersetzung mit Rassismus gehört. Damit bietet das GSIK-Projekt den Rahmen für eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Aspekt Weißsein als kritischer Analysekategorie.
Welche Reaktionen und Rückmeldungen von Studierenden haben Sie auf das erste Seminar?
Silva: Das Seminar war so angelegt, dass sehr viel Raum für Diskussionen und Selbstreflexion, aber auch Auseinandersetzung mit theoretischen Grundlagen gegeben war. Die Studierenden haben sich durchweg sehr intensiv beteiligt und die Möglichkeit genutzt, frei zu diskutieren. Dabei waren die Rückmeldungen überwiegend positiv und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben den Eindruck vermittelt, sich auch über das Seminar hinaus weiter mit der Thematik und mit sich selbst auseinandersetzen zu wollen. Andererseits erkannten die Studierenden, wie schwierig es sein kann, die eigene Position kritisch zu hinterfragen. Eine besondere Herausforderung ist es dabei, sich die eigenen Privilegien und die eigene Verantwortung für Ungerechtigkeit und gesellschaftliche Machtverhältnisse bewusst zu machen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Kontakt: Melissa Silva, GSIK-Büro, T:+49 931 31-86227, Mail: melissa.silva@uni-wuerzburg.de