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Wörterbuch der meroitischen Sprache

26.04.2022

Das Meroitische ist eine der ältesten Schriftsprachen der Welt. Erschlossen wird sie nun durch ein siebenbändiges Wörterbuch, das Forscher der Universität Würzburg erarbeitet haben.

Teil eines meroitischen Textes. Die Bedeutung der drei Schlangen lässt sich nicht genau einordnen.
Teil eines meroitischen Textes. Die Bedeutung der drei Schlangen lässt sich nicht genau einordnen. (Bild: Jochen Hallof / Universität Würzburg)

Das Meroitische ist die älteste überlieferte Schriftsprache, die aus dem südlich von Ägypten gelegenen Teil Afrikas, heute auch als Schwarzafrika bezeichnet, bekannt ist. Ihre Zeugnisse stammen aus der Zeit vom dritten Jahrhundert vor Christus bis zum vierten Jahrhundert nach Christus.

Meroitisch wurde südlich des ersten Nilkatarakts gesprochen und geschrieben. Viele Texte wurden entlang der früheren ägyptischen Grenzfestungen südlich von Assuan gefunden, wo der Sand der Sahara sie konserviert hatte. Dort wurde reger Handel getrieben, dort wurde aber auch Krieg geführt. Denn während Ägypten um die Zeitenwende Teil des Römischen Reiches war, gehörte der Bereich südlich von Assuan nicht dazu.

Römische Quellen berichten von Kriegshandlungen in diesem Gebiet, aus denen die Meroiten zum Teil als Sieger hervorgingen. Der Friedensvertrag von Samos aus dem Jahr 21/20 vor Christus zwischen Rom und Meroe läutete eine lange Friedens- und Blütezeit des Reiches von Meroe ein. Kunst und Kultur erlebten einen 300 Jahre währenden Aufschwung. Mit ihm ging ein vielseitiger Gebrauch der meroitischen Schrift einher.

Textbasis durch Grabungen deutlich erweitert

Bis zum Jahr 2000 kannte die Wissenschaft etwa 1.000 meroitische Texte. Es handelte sich fast ausschließlich um Grabinschriften, sogenannte funeräre Texte, die in der Regel stereotyp formuliert sind und nur ein sehr begrenztes Wortinventar aufweisen.

In den vergangenen 15 Jahren konnte der meroitische Textbestand aber deutlich erweitert werden. Bei Grabungen im Rahmen der UNESCO-Kampagne zur Rettung der nubischen Altertümer wurden in der Grenzfestung Qasr Ibrim, am Berg Gebel Adda und im Batn el-Hagar umfangreiche Textsammlungen geborgen. Die UNESCO-Kampagne erhöhte den Anteil der nicht-funerären Texte auf 75 Prozent und erweiterte den Wortbestand des Meroitischen ganz enorm.

„Diese Quellenlage bot die Voraussetzung, den Reichtum dieser Schriftsprache in einem Wörterbuch zusammenzufassen“, sagt Professor Horst Beinlich vom Institut für Altertumswissenschaften der Universität Würzburg. „Ein derartiges Wörterbuch gab es bis dahin nicht. Und es ist unwahrscheinlich, dass zusätzliche Texte in größerem Umfang noch bekannt werden, weil das Siedlungsgebiet der Meroiten durch das Aufstauen des Nils im 20. Jahrhundert weitestgehend überschwemmt wurde.“

Fördermittel von der DFG

An der Erschließung des Meroitischen arbeitet zurzeit etwa eine Handvoll Wissenschaftler. Für die Erarbeitung des Wörterbuchs durch Dr. Jochen Hallof beantragte Horst Beinlich erfolgreich Fördermittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von mehr als 400.000 Euro.

Nach viereinhalb Jahren Arbeit ist das Werk nun vollendet. Das siebenbändige „Analytische Wörterbuch des Meroitischen“ umfasst 23.000 Einträge. Der zweite Band ist soeben beim Verlag J.H. Röll in Dettelbach erschienen, die weiteren fünf Bände werden bis zum Sommer 2022 folgen.

Für das Wörterbuch wurden insgesamt etwa 2.300 Texte ausgewertet. Seine Basis bilden alle durch Worttrenner definierten Wörter sowie die unvollständig überlieferten Wörter, wenn letztere mindestens drei Zeichen lang sind. Detaillierte Angaben der Verwendungsmöglichkeiten der Wörter (keyword in context) bilden das zweite Kernstück des Wörterbuchs. Es wird zweisprachig (deutsch und englisch) publiziert und ist etwa 1.800 Seiten stark.

Wörterbuch als Basis für weitere Forschungen

Horst Beinlichs Bilanz: „Dr. Hallof hat ein Corpus aller meroitischen Texte vorgelegt, verbunden mit einer umfassenden Analyse des grammatischen Baus der in ihnen vorkommenden Wörter, wobei alle Elemente der Sprache mit einem eigens dafür erstellten EDV-Programm zusammengestellt und untersucht wurden. Er hat vor wenigen Jahren auch das System der meroitischen Zahlzeichen entdeckt. Textabschriften in früheren Publikationen wurden anhand von Fotos oder an den Originalen überprüft und neu ediert. All dieses sind Arbeiten, ohne die ein zweiter Schritt, der zu einem vollständigen Verständnis der Sprache dieser Kultur führt, nicht getan werden kann. Ein DFG-Gutachter sprach von einem ‚Quantensprung‘ in der Meroitistik, der durch das Wörterbuch erfolgen wird. Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen.“

Kontakt

Prof. Dr. Horst Beinlich, Philosophische Fakultät, horst.beinlich@uni-wuerzburg.de

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