Zum Tod von Jost Lemmerich
22.05.2018Am 21. März 2018 ist Jost Lemmerich, Ehrenbürger der Universität Würzburg, im 89. Lebensjahr verstorben. An der Universität hat er unter anderem die vielbeachtete Ausstellung „100 Jahre Röntgenstrahlen“ gestaltet.
Im Jahr 1995 feierte die Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) das 100. Jubiläum der Entdeckung „einer neuen Art von Strahlen“ durch Wilhelm Conrad Röntgen. Zum Programm gehörte auch eine große Ausstellung. Präsident Theodor Berchem und Kanzler Bruno Forster gelang es damals, den Wissenschaftshistoriker und renommierten Ausstellungsgestalter Dr. Jost Lemmerich dafür zu gewinnen.
Dass dies eine weise Entscheidung war, zeigte der Erfolg der Röntgen-Ausstellung. Lemmerich hatte schon seit den 1970er-Jahren Ausstellungen über Albert Einstein, Lise Meitner, Otto Hahn und Max von Laue entworfen. Er zeichnete aber auch verantwortlich für themenorientierte Ausstellungen, etwa über „Mikroskopie und Zellbiologie in drei Jahrhunderten“ oder „Der Mensch und die Automation – historische Aspekte“.
Wissenschaftler als Menschen gezeigt
In seinen Ausstellungen präsentierte Lemmerich nicht nur die Wissenschaft. Ihm ging es immer auch um die Menschen, um die Zeit und vor allem um die Verantwortung der Wissenschaft. Das alles machte seine Ausstellungen lebendig, eindringlich und des Nachdenkens wert. Manche waren so erfolgreich, dass sie sogar im Science Museum in London und in der Halle des Volkes in Peking gezeigt wurden.
Lemmerichs großes Interesse an den Wissenschaftlern als Menschen spiegelte sich unter anderem in seiner Tätigkeit als Fellow des Churchill College der Universität Cambridge wider – dort erschloss er in akribischer Arbeit den Nachlass von Lise Meitner. Er gab auch den Briefwechsel zwischen Lise Meitner und Max von Laue während der Zeit des „Dritten Reichs“ heraus.
Vom Europäischen Patentamt nach Würzburg
Als die Anfrage aus Würzburg zur Gestaltung der Röntgenausstellung kam, war Lemmerich hauptberuflich beim Europäischen Patentamt in Berlin tätig. Er entschloss sich, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen und für einige Zeit nach Würzburg zu ziehen.
„Hundert Jahre Röntgenstrahlen“, sagte er, „muss man etwas länger vorbereiten.“ Durch seine zahlreichen Kontakte und vor allem durch das große Vertrauen, das er sich in aller Welt erworben hatte, gelang es ihm, wertvollste Leihgaben nach Würzburg zu holen. Belohnt wurde er mit dem großen Erfolg der Ausstellung, zu der sogar der damalige Bundespräsident Roman Herzog kam, und mit der Ehrenbürgerwürde der Universität Würzburg.
Nobelpreisträger prägnant dargestellt
Ein zweites Mal wurde Lemmerich 2006 nach Würzburg gebeten, um gemeinsam mit Dr. Armin Stock eine Ausstellung über die Würzburger Nobelpreisträger im Rahmen des Projekts „Wissenschaftsmeile Röntgenring“ zu gestalten. Insgesamt 13 Nobelpreisträger galt es prägnant darzustellen, was keine leichte Aufgabe war.
Die Eröffnung dieser Ausstellung im Dezember 2006 im Beisein des Nobelpreisträgers Hartmut Michel und des per Telefonkonferenz aus Hawaii zugeschalteten Nobelpreisträgers Klaus von Klitzing war bereits ein besonderes Ereignis. Auch diese Ausstellung, die an verschiedenen Standorten gezeigt wurde, hatte rund 40.000 Besucher. Darunter waren zahlreiche Schulklassen, die einen lebendigen Einblick in die naturwissenschaftliche Forschung erhielten.
Dem Adolf-Würth-Zentrum eng verbunden
In seinem letzten Lebensjahrzehnt war Lemmerich insbesondere dem Zentrum für Geschichte der Psychologie eng verbunden. Immer wieder kam er von Berlin nach Würzburg – und sei es nur, um für einen Nachmittag intensiv über eine neue Ausstellung des Zentrums zu beraten, bevor er spät abends, häufig nach Mitternacht, wieder nach Berlin zurückkehrte. Sein Wissen lebt zu einem guten Teil am Adolf-Würth-Zentrum weiter.
Zum Stiftungsfest 2017 war Jost Lemmerich das letzte Mal in Würzburg. Hier beriet er noch einmal die Stadt und die Röntgengedächtnisstätte für deren Vorbereitungen zum 125. Jubiläum der Entdeckung der Röntgenstrahlen. Bereits bei diesem Besuch war zu erahnen, dass sich ein großes und ausgefülltes Leben langsam dem Ende zuneigte.
Zur Eröffnung der ihm gewidmeten Ausstellung am Adolf-Würth-Zentrum zum Thema Psychotechnik am 8. Dezember 2017 hatte Jost Lemmerich nicht mehr die Kraft zu kommen. Dennoch blieb er bis zuletzt in stetigem Kontakt mit der Universität. Am 21. März 2018 fand der unermüdliche, unendlich fleißige, mit zahlreichen Auszeichnungen dekorierte, aber dennoch immer sehr bescheiden gebliebene Jost Lemmerich seine letzte Ruhe. Die Universität wird ihm in großer Dankbarkeit verbunden bleiben.