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Antibiotika-Resistenzen: Die stille Pandemie

17.11.2023

Weil herkömmliche Antibiotika immer häufiger versagen, suchen Forschende am Helmholtz-Institut Würzburg nach neuen Lösungen.

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Jörg Vogel (HIRI) und Linda Popella (JMU) forschen an einer neuen Klasse von Antibiotika: Wachstumsversuche in Mikrotiterplatten helfen bei der Suche nach geeigneten Wirkstoffkandidaten. (Bild: HIRI / Luisa Macharowsky)

Sie heißen „Klebsiella“, „Escherichia coli“ und „Staphylokokken“, besiedeln Haut und Schleimhäute, den Darm oder die Lunge – in den meisten Fällen sind diese sogenannten „Krankenhauskeime“ ungefährlich, doch treffen sie etwa auf Immunerkrankte, kann es schnell kritisch werden. Und es gibt ein zusätzliches Problem: Durch den zu häufigen und oftmals falschen Gebrauch herkömmlicher Antibiotika haben Klebsiella & Co. mittlerweile vielfältige Abwehrstrategien entwickelt, sodass die Wirkstoffe immer öfter versagen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass jedes Jahr weltweit mehr als eine Mil­lion Menschen an den Folgen einer Infektion durch multiresistente Erreger stirbt. Im Jahr 2050 könnten es sogar schon zehn Millio­nen Tote sein, so die Prognose, wenn es nicht gelingt, neuartige antimikrobielle Arzneien zu entwickeln.

Programmierbare Antibiotika machen Hoffnung

Im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen, zur Entwicklung zielgenau wirkender Therapeutika sowie zur Eindämmung tumorfördernder Bakterien suchen Forschende am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg nach neuen Waffen gegen diverse Keime. Ein vielversprechender Ansatz sind programmierbare Antibiotika, sogenannte Antisense-Oligonukleotide (ASOs), die HIRI-Direktor Prof. Jörg Vogel im Labor erforscht.

ASOs machen es sich zunutze, dass Bakterien Boten-Ribonukleinsäuren (mRNA) benötigen, um neue Proteine zu bilden und sich so zu vermehren. Als spiegelbildliche Struktur einer bakteriellen mRNA können sich eigens programmierte ASOs an die mRNA binden und diese so gewissermaßen deaktivieren. „Wir schleusen kurze Ketten von Basen in Bakterien ein, die so konstruiert sind, dass sie exakt zu bestimmten mRNAs passen“, erklärt Vogel. „Lagern sich die Abschnitte an die mRNA des jeweiligen Gens an, unterbinden sie dessen Proteinproduktion – im Idealfall stirbt das Bakterium anschließend ab.“

Eine Herausforderung sei es jedoch, so der Professor, die relativ großen Antisense-RNA-Moleküle durch die komplexe Bakterienzellwand ins Cytoplasma zu bekommen. „In meinem Labor untersuchen wir, wie kurz wir die Basenketten gestalten können, ohne dass sie ihre Spezifität verlieren“, sagt Vogel. Damit ist die Fähigkeit gemeint, wirklich nur das jeweils vorgesehene Gen zu blockieren. Zudem werde die programmierte Antisense-RNA an einen Peptid- oder einen Kohlenhydrat-Liganden gebunden, damit Rezeptoren auf der Bakterienzellwand den Molekülkomplex erkennen und ins Zellinnere vordringen lassen.

Erste Medikamente, die nach diesem Prinzip funktionieren, sind bereits auf dem Markt – beispielsweise gegen die Folgen spinaler Muskelatrophie oder gegen eine Hepatitis-C-Infektion. mRNA-Antibiotika existieren bislang jedoch nur im Labor. Dabei gäbe es vielfältige Anwendungsmöglichkeiten: Von Krankenhauskeimen über Fusobakterien, die mit Darm- und Brustkrebserkrankungen in Verbindung stehen, bis hin zu Schweiß zersetzenden Mikroben – sie alle ließen sich zielgenau angreifen oder sogar komplett eliminieren. Und das ganz ohne unerwünschte Dysbiose, also ohne zugleich die „guten“ Bakterien der Mikrobiota zu schädigen, wie es bei herkömmlichen Antibiotika der Fall ist. Hemmschuh der bisherigen Forschung und Wirkstoffentwicklung sind die zu geringen Umsätze, die die Pharmaindustrie mit einem neu entwickelten Antibiotikum – bei zugleich hohen Kosten – generieren kann.

Weltantibiotikawoche im November

Mit der Weltantibiotikawoche (WAAW) vom 18. bis 24. November macht die Weltgesundheitsorganisation gemeinsam mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) alljährlich auf die Bedeutung antimikrobieller Wirkstoffe und das Problem von Resistenzen aufmerksam. Das Motto in diesem Jahr lautet: „Gemeinsam antimikrobielle Resistenzen verhindern“.

Über das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung

Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus.

Kontakt

Prof. Dr. Jörg Vogel, Direktor Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung, Tel.: +49 931-31 82575, joerg.vogel@uni-wuerzburg.de

Von Britta Grigull

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