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Bildungspolitischer Appell an die Politik zu Corona

05.05.2020

Sechs Ökonominnen und Ökonomen haben einen bildungsökonomischen Aufruf an die Bundesregierung initiiert – darunter auch die Würzburger Wirtschaftswissenschaftlerin Christina Felfe de Ormeno. Sie warnen unter anderem vor steigender Bildungsungleichheit.

Christina Felfe de Ormeno ist Initiatorin des bildungsökonomischen Aufrufs. (Bild: Petra Winkelhardt)
Christina Felfe de Ormeno ist Initiatorin des bildungsökonomischen Aufrufs. (Bild: Petra Winkelhardt)

Mit einem Appell unter dem Motto „Bildung ermöglichen!“ wenden sich bislang 93 namhafte deutsche Ökonominnen und Ökonomen aus dem Bereich der Bildungsforschung im Vorfeld des morgigen Bund-Länder-Treffens an die Politik. Sechs Professorinnen und Professoren des DIW Berlin, der FU Berlin, der KU Eichstätt-Ingolstadt, dem Münchner ifo Institut und der LMU München sowie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, fordern als Initiatoren „umfassende Maßnahmen, um frühkindliche und schulische Bildung in Deutschland sofort in angepasstem Format für alle Altersgruppen anzubieten“. Vor dem Hintergrund des auch in den kommenden Wochen allenfalls eingeschränkt möglichen Kita- und Schulbetriebs wird in dem sechsseitigen Papier auch dargelegt, wie konkrete Maßnahmen aussehen könnten – von der Optimierung des Distanzlernens bis zur Überarbeitung von Lehrplänen.

„Geschlossene Schulen und Kitas haben gravierende Folgen: Es wird nicht nur weniger neues Wissen vermittelt. Der Verlust bereits erworbener Fähigkeiten fällt auch umso größer aus, je länger ein normaler Schul- und Kitabetrieb nicht möglich ist. Dies hat langfristig deutliche negative Effekte auf die Gesamtwirtschaft“, sagt Ludger Wößmann, Leiter des Zentrums für Bildungsökonomik am ifo Institut.

Auch die Würzburger Ökonomin Felfe de Ormeno warnt vor den Folgen für „jedes einzelne Kind und auch gesamtwirtschaftlich in Form von zukünftigen Wohlfahrtseinbußen. All dies geschieht in einer Zeit, in der massiv neue Staatsschulden entstehen, die in Zukunft noch lange zurückgezahlt werden müssen. Kinder und Eltern sind kein Nebenschauplatz beim Sichern der wirtschaftlichen Zukunft, um die es in der jetzigen Phase der Krise geht. Sie müssen daher im Zentrum der politischen Diskussion und vor allem des politischen Handelns stehen“, so Felfe de Ormeno.

C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), sagt: „Sozial benachteiligte Kinder und solche mit Lernschwierigkeiten sind von den Schließungen besonders betroffen – ihnen werden Orte der Fürsorge, Förderung und Verpflegung mit ausgewogenen Mahlzeiten entzogen, zudem fallen sie beispielsweise beim Erlernen der deutschen Sprache zurück, wenn zu Hause kein Deutsch gesprochen wird. Auf diese Weise vergrößern Kita- und Schulschließungen die Unterschiede in Lerngruppen und darüber hinaus werden soziale Ungleichheiten in der Gesellschaft verstärkt. Das Humankapital von morgen kann sich nicht optimal entwickeln.“

Maßnahmen erstrecken sich über drei Phasen

Deshalb muss dem Aufruf zufolge schnell gegengesteuert werden. In einem ersten Schritt komme es darauf an, allen Schülerinnen und Schülern das Lernen zu Hause mit entsprechender technischer Ausstattung und fachlicher Unterstützung zu ermöglichen. Gleichzeitig müssten pädagogische Fachkräfte inklusive der LehrerInnen mit Blick auf die Konzeption digitalen Unterrichts und Lernens schnellstmöglich geschult werden. Sollte Distanzlernen in einzelnen Haushalten nicht möglich sein, müssen die Kinder in eine Notbeschulung aufgenommen werden. Auch in Kitas ist es angezeigt, altersgerechtes Fördermaterial zum Vorlesen, Malen und Spielen zur Verfügung zu stellen und über Videoanrufe oder Telefonate regelmäßig Kontakt zwischen Fachkräften sowie Kindern und Eltern herzustellen.

Im zweiten Schritt müsse umgehend der Besuch von Kitas und Schulen allen Kindern und Jugendlichen, also unabhängig etwa von der Altersgruppe oder dem Beruf der Eltern, zumindest zeitweise wieder ermöglicht werden. Kleingruppen, die sich tage- oder wochenweise abwechseln, seien dafür geeignet. Zudem brauche es Konzepte für Zusatzförderungen, die es vor allem leistungsschwächeren Kindern und Jugendlichen erlaubten, Boden gut zu machen. Schließlich sollten im dritten Schritt die Bildungs- und Lehrpläne von Kitas und Schulen für das kommende Jahr angepasst werden, auch auf Basis erster wissenschaftlicher Evaluierungen des Lernens von zu Hause.

In jedem Fall, so die InitiatorInnen des Aufrufs, müsse schnell und umfassend gehandelt und zudem klar zu Strategien und Konzepten kommuniziert werden, um Kindern, Jugendlichen, Eltern und PädagogInnen eine klare Perspektive zu geben und sie nicht länger zu verunsichern.

InitiatorInnen des Aufrufs sind Alexander M. Danzer (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt), Natalia Danzer (Freie Universität Berlin), Christina Felfe de Ormeno (Julius-Maximilians-Universität Würzburg), C. Katharina Spieß (DIW Berlin und FU Berlin), Simon Wiederhold (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) und Ludger Wößmann (ifo und LMU München).

Der Aufruf ist auf der Website des ifo Instituts erhältlich.

Kontakt

Prof. Dr. Christina Felfe de Ormeno, Lehrstuhl für VWL insb. Arbeitsmarktökonomik, Universität Würzburg, T +49 931 – 31 84969, christina.felfe@uni-wuerzburg.de

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