Biofabrikation: An vorderster Front mit dabei
07.07.2016Sie entwickeln künstliche Gewebe, die in Zukunft die Medizin revolutionieren sollen: Drei Studierende aus Australien. Eingeschrieben in dem internationalen Master „Biofabrikation“ verbringen sie aktuell zwei Semester in Würzburg und forschen dort in den Labors am Röntgenring.
„Wir stehen definitiv an vorderster Front einer spannenden Entwicklung, und es ist aufregend, hier mit führenden Wissenschaftlern auf diesem Gebiet zusammenarbeiten zu dürfen.“ „Auf diesem Gebiet“: Damit gemeint ist ein vergleichsweise junges Forschungsgebiet, das unter den Stichworten „Tissue Engineering“ und „Biofabrikation“ derzeit in den Medien für Schlagzeilen sorgt. Und „wir“: Das sind drei Studierende aus Australien, die in dem neuen Studiengang „Biofabrication“ eingeschrieben sind, den die Universität Würzburg gemeinsam mit Universitäten in Utrecht (Niederlande) sowie Wollongong und Brisbane (Australien) anbietet.
Anfang des Jahres sind die drei nach Würzburg gekommen. Im zweiten und dritten Semester ihres viersemestrigen Masterprogramms arbeiten sie in den Laboren am Röntgenring an ihren Forschungsprojekten. Unter dem großen Dach der regenerativen Medizin verfolgen sie dabei ganz unterschiedliche Ziele.
Künstliche Gewebe aus dem Drucker
„Ich arbeite mit 3-D-Druckern, die in der Lage sind, unterschiedliche Materialien zur gleichen Zeit zu einer neuen Struktur zu kombinieren“, berichtet Naomi Paxton. Die 21-Jährige hat an der Queensland University of Technology (QUT) in Brisbane Physik studiert und sich schon früh für mögliche Einsatzgebiete in der Medizin interessiert. Als sie von dem neuen Master „Biofabrication“ hörte, sei sie gleich Feuer und Flamme gewesen. Die Möglichkeit, mit Hilfe einer neuen Technik die Welt und das Leben der Menschen zu verändern, habe sie besonders daran begeistert.
Jetzt steht sie die Woche über in den Labors der Würzburger Biofabrication-Spezialisten und lässt 3-D-Drucker feinste Gewebe aus einem speziellen Polymer drucken. In diese Strukturen eingelagert sind Hydrogele, die unterschiedlichste Zellen und Proteine enthalten. Paxtons Ziel ist es, künstliche Gewebe zu züchten, die in der Zukunft beim Menschen zum Einsatz kommen – beispielsweise um zerstörten Knorpel im Kniegelenk zu ersetzen. Dabei sind viele Faktoren zu beachten, erklärt die Studentin. Das Hydrogel darf nicht zu fest, aber auch nicht zu flüssig sein. Die Zellen müssen darin wachsen und sich vermehren können. Und natürlich muss die ganze Struktur biokompatibel sein.
Strukturen, die ihre Form verändern
Einen Schritt weiter denkt und arbeitet Sammy Florczak (24). Weil ihm sein Physikstudium etwas zu theorielastig war, habe er für den Master ein Angebot mit direktem Anwendungsbezug gesucht und in dem Biofab-Studiengang gefunden, sagt er. Jetzt forscht er am sogenannten 4-D-Printing. Die vierte Dimension steht in diesem Fall für eine gezielte Variabilität der gedruckten Gewebe. „Man kann beispielsweise Strukturen entwickeln, die ihre Form verändern, wenn man eine geringe Spannung anlegt“, erklärt er. Künstliche Muskeln seien ein potenzielles Einsatzgebiet – das allerdings noch in ferner Zukunft liegt.
Würzburg sei für seine Forschung der ideale Standort: „Hier stehen weltweit einzigartige Drucker“, sagt Sammy Florczak. Verantwortlich für diese Spitzenposition ist unter anderem Professor Paul Dalton, der seit 2014 an der Julius-Maximilians-Universität lehrt und forscht. Dalton zählt zu den führenden Pionieren auf dem Gebiet des Melt Electrospinning Writings – einer Technik, vergleichbar mit einem Tintenstrahldrucker. Anstelle der Tinte wird in diesem Fall allerdings eine Polymerschmelze durch eine Düse in Form eines ultra-feinen Fadens auf einem Träger verteilt und zu Strukturen versponnen, die dem gewünschten Einsatzort angepasst sind. Dalton war maßgeblich an der Einrichtung des Biofab-Masters beteiligt und betreut jetzt den neuen Studiengang und die Studierenden in Würzburg.
Wegweiser für zerstörte Nerven
Selbst feinste Röhren können die Würzburger Wissenschaftler in ihren Labors mithilfe des Melt Electrospinning Writings herstellen. Mit solchen Röhren arbeitet Erin McColl während ihres Forschungssemesters. Die junge Ingenieurin ist Spezialistin auf dem Gebiet der Robotik und hat bereits als Studentin an der QUT 3-D-Drucker gebaut und für Kunden aus der Industrie, für Künstler und für andere Studierende Teile nach deren Wünschen und Vorgaben produziert. Für den Biofab-Master hat sie sich eingeschrieben, weil sie Robotik mit Medizin kombinieren wollte.
Die röhrenförmigen Gitterstrukturen, die Erin McColl herstellt, sollen Nerven als eine Art „Wegweiser“ dienen. „Wenn Nerven bei einem Unfall durchtrennt werden, versuchen die Enden wieder zusammenzuwachsen“, erklärt die Studentin. Allerdings wissen diese in der Regel nicht, wo sie ihr passendes Gegenstück finden können. Maßgeschneiderte Röhren könnten ihnen in Zukunft als mechanisches Gerüst dienen und das Wachstum in die gewünschte Richtung lenken.
Den Wechseln vom australischen Brisbane ins fränkische Würzburg betrachten die drei als große Chance. Auch wenn die Zahl der Wissenschaftler, die weltweit auf dem Gebiet der Biofabrikation forschen, vergleichsweise klein sei, bilden sie doch eine „global community“. Das Studium in Würzburg biete ihnen die Möglichkeit, Teil dieser Gemeinschaft zu werden.
Der Masterstudiengang Biofabrikation
Über vier Semester erstreckt sich der weltweit erste internationale Master-Studiengang „Biofabrikation“, den die vier beteiligten Universitäten aus Deutschland, Australien und den Niederlanden gemeinsam anbieten. Wer sich in Würzburg einschreibt, erhält im ersten Semester mit Kursen aus Chemie und Werkstoffwissenschaft die Grundlagen des Tissue Engineerings vermittelt. Danach steht der Wechsel ins Ausland an: Zwei Semester lang werden die Masterstudierenden an einer der Partner-Universitäten in Australien ein Forschungspraktikum absolvieren, um anschließend – wieder zurück in Würzburg – während des vierten Semesters ihre Master-Thesis zu schreiben.
Bewerber für den Studiengang sollten sich unter anderem mit Chemie, Physik, Biologie, Medizin, Robotik und Informatik auskennen. Dementsprechend können sich Absolventen aus diesen Fächern um einen Studienplatz in dem neuen Studiengang bewerben. Sie erwartet ein Studium, das stark forschungsorientiert ist mit einem hohen Anteil an Laborarbeit.
Kontakt und Information
Das Angebot ist Teil des Programms „EU-Australia Encounter“. Für mehr Informationen, auch über die Zugangsvoraussetzungen, kontaktieren Sie bitte Prof. Dr. Paul Dalton (master.biofabrikation@uni-wuerzburg.de)