English Intern
  • Slider für das Karriereportal

Das größte Tier-Genom der Welt

19.01.2021

Der Australische Lungenfisch löst den Mexikanischen Querzahnmolch Axolotl als Inhaber des Rekords „größtes Tier-Genom der Welt“ ab. Sein Erbgut zeigt die evolutionären Neuerungen, die das Leben auf dem Land ermöglichten.

Die Knochenanordnung in den Flossen des Australischen Lungenfisches ähnelt stark derjenigen in den Gliedmaßen des Menschen.
Die Knochenanordnung in den Flossen des Australischen Lungenfisches ähnelt stark derjenigen in den Gliedmaßen des Menschen. (Bild: Uni Konstanz / Pixabay)

Vor 380 Millionen Jahren begannen die ersten Fische damit, das Land zu erobern. Der Australische Lungenfisch – ein vom Aussterben bedrohter Luftatmer – ist einer der wenigen noch lebenden Verwandten dieser ersten „Landfische“. Er hat sich kaum verändert und wird darum als „lebendes Fossil“ bezeichnet.

Ein internationales Forschungsteam hat jetzt mit neuesten DNA-Sequenziertechnologien erstmals das riesige Genom dieses Fisches entschlüsselt. Die Analyse ist im Journal Nature veröffentlicht. Sie gibt neue Einblicke in die evolutionären Innovationen, die die Besiedlung des Landes durch Fische möglich machten.

Die Studie entstand in einer Zusammenarbeit von Forscherinnen und Forschern aus Hamburg, Konstanz, Wien, Lyon und Würzburg. Maßgeblich beteiligt waren Seniorprofessor Manfred Schartl vom Biozentrum der Uni Würzburg, der Experte für die Biologie und Evolution der Fische ist, sowie sein Postdoc Kang Du und die Bioinformatikerin Susanne Kneitz vom Würzburger Lehrstuhl für Biochemie und Zellbiologie.

Genom ist 14 Mal größer als das des Menschen

Der Studie zufolge handelt es sich beim Genom des Lungenfisches um das größte Tiergenom, das jemals entschlüsselt wurde. Es ist mit 43 Milliarden Basenpaaren 14 Mal größer als das des Menschen. Damit übertrifft es das Genom des Axolotls, des bisherigen Rekordhalters im Tierreich, um beeindruckende 30 Prozent.

Warum das Genom so groß ist? Erstaunlicherweise besitzt der Lungenfisch nicht wesentlich mehr Gene als andere Wirbeltiere. Er hat aber deutlich mehr mobile genetische Elemente, sogenannte Transposons. "Diese Elemente kann man als eine Art Computerviren sehen. Sie vermehren sich von alleine, haben aber keine Funktion. Als Wissenschaftler wundert man sich, dass die 'genetische Festplatte' des Lungenfisches angesichts der hohen Zahl von Transposons nicht längst abgestürzt ist", sagt Manfred Schartl.

Flossen gleichen menschlichen Gliedmaßen

Der Australische Lungenfisch (Neoceratodus forsteri) lebt in langsam fließenden Flüssen und stehenden Gewässern. Wegen seines molchartigen Körperbaus wurde er im 19. Jahrhundert fälschlicherweise den Amphibien zugerechnet. Heute weiß man, dass er als Lungenfisch zu einer archaischen Gruppe von Wasserlebewesen gehört, aus denen sich alle Landwirbeltiere entwickelt haben.

Die „fleischigen“ Flossen der Lungenfische besitzen eine anatomische Knochenanordnung, die schon erkennbar derjenigen in den menschlichen Gliedmaßen gleicht. Damit können sich die Australischen Lungenfische wie Salamander im Wasser und an Land bewegen. Sie besitzen außerdem eine Lunge, mit der sie an der Wasseroberfläche Luft atmen müssen, um nicht zu ertrinken.

Näher bei Amphibien als bei Fischen

Die Genomanalyse zeigt verblüffende Ähnlichkeiten zwischen dem Australischen Lungenfisch und Landwirbeltieren. Zum Beispiel sind die Zahl und das räumliche und zeitliche Expressionsmuster von Genen, die mit der Entwicklung von Lungen, gelenkigen Gliedmaßen und mit der Erkennung von Gerüchen in der Luft in Verbindung gebracht werden, viel ähnlicher zu Amphibien und anderen Landwirbeltieren als zu ihren Fischverwandten.

Bislang hat die Wissenschaft kontrovers darüber diskutiert, ob die Lungenfische oder die ebenfalls archaischen Quastenflosser enger mit den Landwirbeltieren verwandt sind. Die Studie in Nature zeigt nun, dass die Lungenfische den Landtieren und dem Menschen genetisch näherstehen: Sie spalteten sich vor 420 Millionen Jahren von den Quastenflossern ab und bildeten eine Linie, die zu den Landtieren führt.

Förderer

Für die Sequenzierung des Genoms der Lungenfische werden Professor Manfred Schartl, Professor Torsten Burmester (Universität Hamburg) und Professor Axel Meyer (Universität Konstanz) seit 2018 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit über 500.000 Euro gefördert.

Publikation

Axel Meyer, Siegfried Schloissnig, Paolo Franchini, Kang Du, Joost Woltering, Iker Irisarri, Wai Yee Wong, Sergej Nowoshilow, Susanne Kneitz, Akane Kawaguchi, Andrej Fabrizius, Peiwen Xiong, Corentin Dechaud, Herman Spaink, Jean-Nicolas Volff, Oleg Simakov, Thorsten Burmester, Elly Tanaka, Manfred Schartl: “Giant Lungfish genome elucidates the conquest of land by vertebrates”. Nature, 18. Januar 2021. DOI: 10.1038/s41586-021-03198-8

Kontakt

Prof. Dr. Manfred Schartl, T +49 931 31-84149, phch1@biozentrum.uni-wuerzburg.de

(Mit Pressetextmaterial der Universität Konstanz und der TU Wien)

Von Robert Emmerich

Zurück