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Deutliche Zunahme von Pilzinfektionen mit Candida auris in Deutschland

02.05.2024

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 77 Fälle von Candida auris-Nachweisen erfasst – sechs Mal mehr als in den Vorjahren. Das zeigt die aktuelle Auswertung des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen.

Für gesunde Menschen ist der Pilz in der Regel ungefährlich, bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder Patienten auf Intensivstationen ist die Gefahr größer: der Hefepilz Candida auris, hier in der Petrischale gezüchtet, breitet sich in Deutschland aus.
Für gesunde Menschen ist der Pilz in der Regel ungefährlich, bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder Patienten auf Intensivstationen ist die Gefahr größer: der Hefepilz Candida auris, hier in der Petrischale gezüchtet, breitet sich in Deutschland aus. (Bild: Franziska Pietsch / Universität Würzburg)

Für gesunde Menschen ist eine Besiedlung mit dem Pilz Candida auris in der Regel ungefährlich – die meisten merken nicht einmal etwas davon. Bei anderen Gruppen – beispielsweise Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder Patienten auf Intensivstationen – ist die Gefahr größer. Gelangt Candida auris in ihren Blutkreislauf, droht eine Blutvergiftung, die in gut der Hälfte aller Fälle tödlich endet. Vor allem für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Seniorenheime stellt der Pilz deshalb eine Bedrohung dar.

Starker Anstieg im Jahr 2023

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) haben jetzt einen deutlichen Anstieg der Candida auris-Fallzahlen in Deutschland registriert. Wurden in den Vorjahren jeweils zwölf Fälle an das Referenzzentrum gemeldet, waren es im vergangenen Jahr 77.

Diese Zahlen hat das Forschungsteam jetzt im Epidemiologischen Bulletin veröffentlicht. Verantwortlich für die Studie waren Dr. Alexander M. Aldejohann vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des NRZMyk und des Robert Koch-Instituts. Ebenfalls daran beteiligt war Professor Oliver Kurzai, Vorstand des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der JMU und Leiter des NRZMyk.

In ihrer Studie werfen die Autorinnen und Autoren nicht nur einen Blick auf die Gesamtzahlen. Sie gehen auch detailliert auf deren Entwicklung und die einzelnen Übertragungsereignisse ein. Dabei unterscheiden sie zwischen einer reinen Besiedlung – fachsprachlich Kolonisation genannt – und einer invasiven Infektion.

Zahlreiche Fälle in Krankenhäusern

Demnach lag in 58 der 77 beschriebenen Fälle eine Kolonisation der Patientinnen und Patienten vor, in 13 Fällen kam es zu einer Infektion. In sechs Fällen blieb der Status unklar. Von den Patientinnen und Patienten mit initialer Kolonisation oder unklarem Infektionsstatus entwickelten im Verlauf fünf eine invasive Infektion.

Neben einem relevanten Anstieg einzelner Infektionen ohne nachgewiesene direkte Ansteckungen weiterer Personen konnten auch vier unabhängige Ausbruchsgeschehen aufgedeckt werden. Die Mehrheit der nachgewiesenen Fälle konnte nachträglich einem spezifischen Ausbruch zugeordnet werden. Aufgrund der aktuellen Meldepflicht fehlte bei diesen Fällen zunächst die infektiologische Relevanz, so dass der Ausbruch zunächst unentdeckt blieb und die Übertragungsereignisse letztlich nicht frühzeitig unterbunden werden konnten.

„Der enorme Anstieg 2023 hat uns überrascht. Ausschlaggebend sind hier vor allem auch Ausbruchsgeschehen in Krankenhäusern. Wenn diese nicht frühzeitig erkannt und adäquat bekämpft werden, sind sie später sehr schwer in den Griff zu bekommen“, bewertet Dr. Alexander M. Aldejohann diese Zahlen.

Allgemeine gesetzliche Meldepflicht wird angeregt

Zu diskutieren wäre nach Ansicht der Beteiligten die erst 2023 eingeführte gesetzliche Meldepflicht. Diese erfasse nur einen kleinen Teil der Fälle. Ursache dafür sei in erster Linie ein hoher Anteil klinisch nicht relevanter Nachweise, die gemäß des aktuellen Infektionsschutzgesetzes keiner Meldepflicht unterliegen. Gegenwärtig müssen Kolonisationen nur dann gemeldet werden, wenn sie eine Folge von Übertragung in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen sind.

Die Autorinnen und Autoren regen deshalb an, über eine generelle Meldepflicht für alle Candida auris-Fälle nachzudenken. Mit frühzeitig und konsequent durchgeführten Screening- und Hygienemaßnahmen bei allen Nachweisen, unabhängig von deren klinischer Relevanz, könnte ihrer Meinung nach einer weiteren Ausbreitung von Candida auris wirkungsvoll entgegengetreten werden.

„Wir müssen davon ausgehen, dass die Candida auris-Fälle in Deutschland – so wie in anderen Ländern auch – weiter zunehmen“, befürchtet Oliver Kurzai. Weil Infektionen durch diesen Pilz oft schwer zu behandeln sind, gelte: „Je länger wir das verzögern können, umso besser. Eine allgemeine gesetzliche Meldepflicht für jeden Labornachweis von Candida auris könnte hier helfen – und zwar insbesondere in der jetzigen Phase, wo die Fallzahlen noch sehr niedrig sind“, so der Leiter des NRZMyk.

Candida auris

Seit der erstmaligen Beschreibung des Hefepilzes Candida auris in Japan im Jahr 2009 wird global ein kontinuierlicher Anstieg der Fallzahlen beobachtet. Mittlerweile ist der Pilz weltweit verbreitet und in einigen Regionen wie Indien und Südafrika und regional auch in Spanien und Italien endemisch.

Anders als bei anderen Candida-Arten kommt es bei dieser Hefepilzart insbesondere in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen regelmäßig über direkten und indirekten Kontakt zu schwer eindämmbaren Ausbruchsgeschehen.

Die Behandlung von Candida auris-Infektionen wird durch das Potenzial des Erregers, Resistenzen gegen alle verfügbaren Antimykotika-Klassen zu entwickeln, erheblich erschwert. Diese Eigenschaften führten unter anderem zum Einschluss des Pilzes in die höchste Priorisierungskategorie des amerikanischen Centers for Disease Prevention and Control (CDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

In Deutschland unterliegen seit Juli 2023 sowohl der Nachweis von Candida auris aus Blut und primär sterilen Materialen als auch Ausbruchsgeschehen des Erregers der Meldepflicht gemäß Paragraf 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes.

Das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen

Das vom Robert-Koch-Institut und dem Bundesministerium für Gesundheit berufene Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) ist Ansprechpartner für Ärzte und Mikrobiologen bei Fragen zur Diagnostik invasiver Pilzinfektionen. Es berät zu allen Aspekten invasiver Pilzinfektionen, führt spezielle diagnostische Verfahren zum Nachweis von Pilzerkrankungen durch und kooperiert dabei mit anderen Referenzlabors weltweit.

Das NRZMyk ist seit Januar 2014 am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) in Jena angesiedelt. Darüber hinaus arbeitet es in enger Kooperation mit assoziierten Partnern – dem Institut für medizinische Mikrobiologie und den Laboratorien der Klinik für Hautkrankheiten des Universitätsklinikums Jena sowie den Molekularbiologischen Laboratorien der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Würzburg.

Originalpublikation

Zunahme von Candida auris in Deutschland im Jahr 2023. Aldejohann, Alexander M.; Hecht, Jane; Martin, Ronny; Walther, Grit; Kurzai, Oliver. Epidemiologisches Bulletin 2024; 02. Mai 2024; DOI: 10.25646/12004

Kontakt

Prof. Dr. Oliver Kurzai, Lehrstuhl für Medizinische Mikrobiologie und Mykologie, Universität Würzburg, T: +49 931 31-46160, oliver.kurzai@uni-wuerzburg.de

Von Franziska Pietsch / Gunnar Bartsch

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