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Eremiten in der amerikanischen Kultur

29.04.2016

Einsiedler des 19. Jahrhunderts, die sich in Höhlen zurückzogen – Menschen von heute, die bewusst auf Verzicht setzen: Solche Parallelen zieht die Amerikanistin Ina Bergmann. Für ihre Forschung zu diesem Thema wurde sie mit zwei Stipendien ausgezeichnet.

Robert, der Eremit: Die Titelseite des Pamphlets von 1829. (Quelle: RB 15656, The Huntington Library, San Marino, California)
Robert, der Eremit: Die Titelseite des Pamphlets von 1829. (Quelle: RB 15656, The Huntington Library, San Marino, California)

„Cultures of Solitude“: So heißt das aktuelle Forschungsprojekt von Dr. Ina Bergmann. Die Privatdozentin vom Lehrstuhl für Amerikanistik der Universität Würzburg arbeitet an einem Thema, das sich durch die ganze US-amerikanische Geschichte zieht. Es geht um Einsamkeit und den Rückzug von der Gesellschaft als extremer Ausdruck der amerikanischen Werte Freiheit und Individualismus. Bergmann interessiert sich dabei vor allem für die Darstellung von Einsiedlern und Eremiten in Literatur und Kultur.

Für dieses Projekt hat die Amerikanistin eines der begehrten Stipendien der Andrew W. Mellon Foundation (USA) für 2015/16 erhalten: Als Fellow der Stiftung konnte sie im Frühjahr 2016 an der renommierten Huntington Library in San Marino (Kalifornien) arbeiten.

Robert, der Eremit von Massachusetts

Dort hat sich die Würzburger Wissenschaftlerin mit seltenen Schriften aus dem 18. und 19. Jahrhundert befasst – zum Beispiel mit dieser: „Leben und Abenteuer von Robert, dem Eremiten von Massachusetts, der 14 Jahre in einer Höhle lebte, ohne Kontakt zur Gesellschaft: Ein Bericht über seine Geburt, Herkunft und Leiden; wie er der Ungerechtigkeit und grausamen Knechtschaft seiner jungen Jahre entkam; seine Gründe, Einsiedler zu werden. Mit seinen eigenen Worten erzählt und zu seinem Wohl veröffentlicht.“ (1829)

„Das ist die faszinierende Geschichte von Robert, einem Einsiedler und früheren Sklaven, der um seine Freiheit betrogen und gewaltsam von seiner Familie getrennt wurde“, sagt Bergmann. Aus Not und Verzweiflung wählte Robert die Einsamkeit und wurde zum Eremiten: „Die Erzählung zeigt eindrucksvoll die Auswirkungen der Sklaverei in den USA und die enge Verbindung der Themenkomplexe Einsamkeit und Freiheit.“

Zwei Buchprojekte in Arbeit

Die Arbeit in der kalifornischen Bibliothek wird Bergmann für ein neues Buch verwenden. Sein Arbeitstitel: „A Cultural History of Solitude in the USA“. Es soll sich der Geschichte von Einsamkeitsphänomenen und ihren Begleiterscheinungen widmen. Die Wissenschaftlerin greift darin aber auch aktuelle Aspekte auf, wie etwa Gesellschafts- und Konsumkritik, Freiheitsdrang, Umweltaktivismus und neuere Lifestyle-Trends, die auf Entschleunigung und Einfachheit setzen.

Die Ergebnisse aus Huntington fließen außerdem in einen Sammelband ein, an dem Ina Bergmann mit ihrem Doktoranden Stefan Hippler arbeitet. Der Band enthält alle Vorträge, die auf der Tagung „Cultures of Solitude“ gehalten wurden. Bergmann hatte diese Konferenz im Juli 2015 an der Uni Würzburg ausgerichtet. Die Teilnehmer waren Literatur-, Kultur-, Medien- und Geschichtswissenschaftler aus den USA, Kanada, Irland, Frankreich und Deutschland, die im Bereich der American Studies tätig sind. Zusätzlich enthält der Band viele weitere Beiträge, die extra dafür geschrieben wurden. Er soll noch 2016 erscheinen.

Die Amerikanistin Ina Bergmann

Ina Bergmann lehrt seit 1998 am Lehrstuhl für Amerikanistik der Universität Würzburg. Hier hat sie auch promoviert und sich habilitiert. Weitere Stationen ihrer Lehrtätigkeit waren die State University of New York in Albany, die Universität Wien und die Universität Konstanz.

Die Amerikanistin hat unter anderem über Frauenliteratur, Kurzgeschichten, historische Romane, Kriminalliteratur, Gegenwartsdramen sowie über Musicals, Filme und Fernsehen geforscht. Ihr aktuelles Projekt über die Kulturen der Einsamkeit geht für sie positiv weiter – mit einem Stipendium des Trinity College Dublin, das sie vor kurzem zum „Trinity Long Room Hub Visiting Research Fellow“ für 2016/17 ernannt hat.

Fakten zur Huntington-Bibliothek

Die „Huntington Library, Art Collections, and Botanical Gardens“ ist eine private Forschungs- und Bildungseinrichtung in San Marino, Kalifornien. Sie gilt als eine der besten Forschungsbibliotheken der Welt. Gegründet wurde sie 1919 von Henry E. Huntington und seiner Frau Arabella. Die Eheleute setzten ihr Vermögen dafür ein, den Kernbestand für die Bibliothek zusammenzutragen, eine Kunstsammlung zu begründen und botanische Gärten zu schaffen – alles mit dem Ziel, das Anwesen nach ihrem Tod in eine gemeinnützige Stiftung umzuwandeln.

Kontakt

PD Dr. Ina Bergmann, Lehrstuhl für Amerikanistik der Universität Würzburg,
T (0931) 31-85663

Von Robert Emmerich

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