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Erfolg für drei riskante Ideen

30.03.2019

Eine Forscherin und zwei Forscher waren mit ihren Anträgen an die VolkswagenStiftung erfolgreich. Sie erhalten damit die Möglichkeit, radikal neue und riskante Forschungsideen auf deren Tragfähigkeit auszutesten.

Ein Wissenschaftler balanciert auf einem Seil
Gewagte Forschungsideen, die etabliertes Wissen grundlegend herausfordern, unterstützt die VolkswagenStiftung mit ihrer Förderinitiative „Experiment!“. An der JMU können nun drei Projekte die Arbeit aufnehmen. (Bild: Nicolás Aznárez / VolkswagenStiftung)

„Experiment!“: So heißt ein Förderprogramm der VolkswagenStiftung, das sich an Forscherinnen und Forscher aus den Natur-, Ingenieur-, und Lebenswissenschaften richtet, die eine radikal neue und riskante Forschungsidee austesten möchten. In der insgesamt sechsten Antragsrunde dieses Förderangebots wurden jetzt 37 von insgesamt 645 eingegangenen Projektanträgen bewilligt. Darunter sind gleich drei Projekte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Neuronale Kontrollstrategien

Jeder Mensch tut es hunderte Male am Tag: ein Objekt sehen und danach greifen. Was bei diesen und vergleichbaren Prozessen auf der Ebene des Nervensystems passiert, will Dr. Anna Stöckl, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zoologie II, in ihrem Projekt Look and touch: establishing the first insect model for visually guided reaching untersuchen. Das Wissen um die neuronalen Grundlagen dieser Fähigkeit ist unter anderem für die Entwicklung der Prothetik und einer Vielzahl anderer technischer Anwendungen von entscheidender Bedeutung. Zur Klärung noch offener Details will Stöckl ein alternatives Modellsystem entwickeln, in dem sich die Beiträge einzelner Nervenzellen an der neuronalen Kontrollstrategie gut erforschen lassen – ein System, das mit einer geringen Zahl an Neuronen auskommt, und das daher ein wichtiges Vorbild für technische Anwendungen darstellt, die ebenfalls in ihrer Rechenleistung limitiert sind. Sie arbeitet dafür mit dem Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum). Bei ihm sei es möglich, Schaltkreise bis auf die Beiträge einzelner Nervenzellen zu zerlegen, und so die neuronale Kontrollstrategie im Detail zu verstehen. Sie erhält dafür von der Stiftung 100.000 Euro.

Bewegungsdaten von Insekten

Ebenfalls mit Insekten beschäftigt sich Dr. Tobias Degen, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Zoologie III. In seinem Projekt Using luminescent quantum dots for tracking insect flights entwickelt er eine neue Methode zur Aufzeichnung der Bewegungsmuster von frei fliegenden Insekten. Bislang sei dies eine große technische Herausforderung, insbesondere für kleine Arten. Die Tiere sollen durch eine Kamera in der Landschaft identifiziert und mit Hilfe von Drohnen verfolgt werden. Die Kamera entwickelt Degen in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Lehrstuhl Informatik VIII der JMU. Laut Degen ist die bahnbrechende Idee die Verwendung eines fluoreszierenden Markers, welcher Licht in einem Spektralbereich ausstrahlt, der im natürlichen Lichtspektrum der Erde nicht vorkommt. Damit sei es möglich, markierte Insekten ohne aufwendige Bildverarbeitung vor jedem Hintergrund zu identifizieren. Mithilfe der so gewonnenen Bewegungsdaten könnten Wissenschaftler viele Fragen rund um die Bewegung von Tieren klären, wie etwa nach der Struktur von Populationen und Gemeinschaften und deren Ausbreitung, der Bekämpfung von Krankheiten, Reaktionen auf den Klimawandel oder der Vielfalt in einem bestimmten Gebiet. Gerade vor dem Hintergrund des derzeitigen Insektensterbens seien diese Informationen von enormer Bedeutung. Tobias Degen erhält von der VolkswagenStiftung rund 100.000 Euro.

Energiegewinnung mit Antennen

Eine neue Form der Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische oder chemische Energie: Daran arbeitet Dr. Thorsten Feichtner vom Lehrstuhl für Experimentelle Physik 5 in seinem Projekt Plasmo-electric Converter (PECo). Feichtner setzt dafür auf nur wenige Nanometer große optische Antennen mit zwei Resonanz-Wellenlängen. Werden diese durch Licht angeregt, entsteht ein elektrisches Potenzial, das sich zur Energiegewinnung nutzen lässt. Dabei bestimmt die Geometrie der Antennen die Wellenlänge des Lichts, das in elektrische Energie umgewandelt wird. „Wir könnten so den infraroten Teil des Sonnenlichts nutzen, der bei den verbreiteten Silizium-Solarzellen verloren geht“, erklärt Feichtner. Wenn das Projekt erfolgreich ist, kann diese „effiziente, flexible und skalierbare direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische oder chemische Energie einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten“, ist sich der Physiker sicher. Die VolkswagenStiftung finanziert Feichtners Projekt mit 118.000 Euro.

Die Förderinitiative „Experiment!“

Die Exploration ausgesprochen gewagter Forschungsideen, die etabliertes Wissen grundlegend herausfordern, unkonventionelle Hypothesen, Methodik oder Technologien etablieren wollen oder ganz neue Forschungsrichtungen in den Blick nehmen, wird derzeit kaum über das in Deutschland etablierte Förderangebot berücksichtigt, schreibt die VolkswagenStiftung auf ihrer Homepage. An diesem Punkt setze deshalb die Förderinitiative „Experiment!“ an, mit der die Stiftung „grundlegend neue Forschungsvorhaben mit ungewissem Ausgang“ in der Startphase unterstützt. Ein Scheitern des Konzeptes und unerwartete Befunde würden als Ergebnis akzeptiert.

Mehr Informationen zu dem Förderprogramm gibt es hier

Kontakt

Dr. Tobias Degen, T: +49 931 31-89027, tobias.degen@uni-wuerzburg.de

Dr. Thorsten Feichtner, T: +49 931 31-85768, thorsten.feichtner@physik.uni-wuerzburg.de

Dr. Anna Stöckl, T: +49 931 31-86572, anna.stoeckl@uni-wuerzburg.de

Von Gunnar Bartsch

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