Forschen für die Therapien der Zukunft
03.09.2020Die Würzburger Infektionsforscherin Neva Caliskan hat einen der mit rund 1,5 Millionen Euro dotierten Starting Grants des Europäischen Forschungsrats erhalten. Sie will damit ihre Arbeit in der Infektionsforschung vertiefen.
Bei der Vermehrung von Erbmaterial spielt das Frameshifting eine besondere Rolle. Wie relevant ist dieses Phänomen in eukaryotischen Zellen bei Infektionen? Eukaryotische Zellen sind Zellen mit einem Zellkern – wie zum Beispiel beim Menschen. Die Abschnitte vieler Gene im Erbmaterial, die den Code für bestimmte Proteine tragen, enthalten auch Sequenzelemente, die die Herstellung der Proteine behindern können. Diese Hindernisse verursachen jedoch nicht nur Probleme, sondern bergen auch Chancen für die Zelle, durch die Nutzung eines alternativen Ableserasters – dem Ribosomen-Frameshifting – die Kodierungskapazität des Erbmaterials zu erhöhen. So können mehrere einzigartige Proteine aus einer einzigen mRNA produziert werden.
Mit diesem Phänomen befasst sich Neva Caliskan. Sie ist Juniorprofessorin an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg und forscht am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg. Das HIRI ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und 2017 aus einer Partnerschaft mit der JMU entstanden. Caliskan hat nun für ihre Arbeit einen mit rund 1,5 Millionen Euro dotierten Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten. Sie will damit in den kommenden fünf Jahren das Wissen über Frameshifting deutlich vertiefen.
Ansatzpunkte für neue Gentherapien
Frameshifting ist bei Viren und Bakterien weitgehend erforscht, beim Menschen jedoch nur unzureichend verstanden. „Den neu bewilligten ERC Starting Grant möchte ich mit meinem Team dazu nutzen, die Grundprinzipien des translatorischen Frameshifting beim Menschen, insbesondere als Reaktion auf Infektionen, zu untersuchen“, sagt Caliskan. „Ein besseres Verständnis der Auswirkungen auf Infektionen und die angeborene Immunität wird uns langfristig neue Werkzeuge für die synthetische Biologie und neue Möglichkeiten für RNA-gebundene antivirale Therapien und Immuntherapien bieten.“
Mit dem Geld vom Europäischen Forschungsrat für ihr Projekt „T-FRAME“ wird die Würzburger Forscherin zusätzliches Personal und die notwendige technische Ausstattung in den kommenden fünf Jahren finanzieren können. Das Team wird modernste Techniken einsetzen, um zu untersuchen, wie die mRNA-Struktur und weitere Faktoren die Translation in Zellen beeinflussen und wie sich Abweichungen auf eine Infektion auswirken.
ERC Starting Grants
ERC-Grants sind die renommiertesten europäischen Wissenschaftspreise und werden jährlich vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) nach einem strengen Auswahlverfahren vergeben. Zielgruppe der in der Regel mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotierten Starting Grants sind exzellente Nachwuchswissenschaftler, die eine unabhängige Karriere starten und eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen möchten.
Zur Person
Neva Caliskan hat Molekularbiologie und Genetik an der Middle East Technical University in Ankara (Türkei) studiert und ihren Master an der International Max Planck Research School for Molecular Biology (Göttingen) im Jahr 2009 erhalten. Nach Abschluss ihrer Promotion im Jahr 2013 war sie zunächst Postdoc am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und arbeitete anschließend von 2015-2017 dort als Projektleiterin. Seit Januar 2018 leitet sie die Forschungsgruppe „Rekodierungsmechanismen in Infektionen” am HIRI in Würzburg.
Kontakt
Neva Caliskan, Juniorprofessur für RNA-basierte Infektionsforschung II, Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) / Universität Würzburg, T +49 931 -31 85298, neva.caliskan@uni-wuerzburg.de